TV Spielfilm: Überall auf der Welt waren Fans begeistert zu hören, dass es einen "Downton Abbey" Film geben wird. Was war Ihr erster Gedanke dazu, wieder Edith zu spielen?

Laura Carmichael: Ich war sehr glücklich, wieder zurückzukehren. Die Serie war eine sehr prägende Erfahrung für mich und ich hatte das Gefühl, es war genau der richtige Zeitpunkt für ein letztes "Klassentreffen". Ich und die anderen haben sehr verschiedene Dinge gemacht seit 2015 [dem Ende der Serie] und schienen bereit, noch einmal in diese Rollen zu schlüpfen. Es war nicht einfach der nächste Arbeitstag für uns, wir wurden alle sehr emotional, als wir uns wiedersahen. Und ich denke, das hat den Film bereichert, denn so waren wir alle motiviert, das bestmögliche Resultat abzuliefern.

In der Serie war Edith immer auf der Suche nach ihrem "Happy End" und am Ende der Serie fand sie es an der Seite von Bertie. Wie fühlt man sich dabei, eine Rolle wieder aufzugreifen, die bereits alles bekommen hat was sie je wollte? Was gibt es noch Neues über Edith zu erzählen?

Ich denke, es ist genau das. Edith ist an ihrem Ziel angekommen, aber das Leben geht weiter. Wir sehen Charaktere im Fernsehen oder Kino oft ihr Happy End bekommen, aber was ist danach? Wie lebt es sich in dieser neuen Rolle? Edith hat sich im Lauf der Serie sehr verändert, sie musste viel durchmachen, um die zu werden, die sie im Film ist. Und deshalb ist der Druck, den sie verspürt ein anderer. Julian [Fellowes, der Autor der Serie und des Films] sagte am ersten Tag zu mir: "Laura, Du bist die Hauptattraktion für alle anderen. Wenn Du einen Raum betrittst, gehört er Dir." (lacht) Und genau darum geht es in Ediths Leben jetzt, sie muss einen neuen Standard erfüllen.

Edith ist im Lauf der Serie eine sehr emanzipierte Frau geworden, hat unter anderem bei einer Zeitung gearbeitet. Denken Sie, dass Edith als Vorbild für junge Frauen dienen kann, gerade in Zeiten von Feminismus, Female Empowerment und #metoo?

Das hoffe ich doch! (lacht) Ich liebe es, was Julian aus der Rolle gemacht hat. Für uns Schauspieler ist es sehr befriedigend, eine echte Entwicklung zu spielen, weil es so viel mehr hergibt, einen Charakter mit Hintergrund darzustellen. Und für die Zuschauer ist es emotional auch ergiebiger, nicht nur in meinem Gesicht zu sehen, wie Edith sich fühlt, sondern wirklich zu verstehen, wo diese Gefühle herkommen. Auf diese Art lässt es sich leichter mit ihr identifizieren. Aus meiner Sicht ist das spannende an Edith, dass sie jemand ganz anderes hätte werden können. Hätte sie sich immer brav gefügt, zu allem "Ja" gesagt und einen netten Mann geheiratet, wäre sie jemand wie Violet [Maggie Smiths Charakter] geworden, aber sie musste sich selbst definieren und hat ihren eigenen Platz in der Welt gefunden und ich hoffe, dass junge Zuschauerinnen da draußen das sehen und denken: Ich bin mehr als das, was andere aus mir machen wollen. Ich bin nur mir selbst den Weg schuldig, den ich wirklich gehen möchte.

Requisiten mitnehmen? Die Versuchung war groß ...

Im Film hat Edith große Probleme mit ihrer Kleiderwahl, immerhin steht royaler Besuch an. Mögen Sie Ediths Geschmack in Punkto Kleider?

Total. Edith kleidet sich sehr elegant, aber auch emanzipiert und versucht, ihren Charakter in die Garderobe einfließen zu lassen, was mir selbst hoffentlich auch gelingt. Und sie trägt als einzige Frau keinen Hut in ihrer Zeit, ein riesiger Skandal würde man meinen, aber sie tut einfach, worin sie sich wohlfühlt und nach der Philosophie versuche ich auch zu leben.

"Downton Abbey" begeistert auf der großen Leinwand mehr als je zuvor mit der Ausstattung. Die schönen Kleider, die Kerzenleuchter, die Tischdecken, die Standuhren... Wie groß war da die Versuchung, ein Requisit heimlich mit nach Hause zu nehmen?

Riesig! (lacht) Es ist schon toll, wie viel Mühe sich unsere Setdesigner geben, damit man uns wirklich für so edel hält, wie wir dann hoffentlich aussehen. Aber um die Frage zu beantworten, natürlich haben wir nie etwas mit nach Hause genommen, auch wenn es schwer war. (lacht)

Hätten Sie gerne in den 1920ern gelebt?

Klares Nein! (lacht) Gerade im Hinblick auf die Stellung der Frau damals würde ich das nicht riskieren wollen. Natürlich zeigen wir in "Downton Abbey" eine sehr glamouröse Seite der 1920er in Großbritannien, aber ich hoffe, dass durch den Film auch klar wird, wie schwierig es damals war, zum Beispiel für Homosexuelle oder eben Frauen. Mich fesselt diese Möglichkeit, als Schauspielerin zurück in der Zeit zu reisen, aber ich komme immer wieder davon zurück und denke mir: Es ist heute trotz allem besser als damals. Es ist nicht perfekt, aber dennoch: besser!

Warum "Downton Abbey" ins Kino gehört

Anders als noch vor einigen Jahren werden TV-Serien mittlerweile als dem Kinofilm ebenbürtig wahrgenommen. War es da nur konsequent, die Serie jetzt direkt ins Kino zu bringen?

Womöglich war genau das der Grund, warum Julian sich für diesen Weg entschied. "Downton Abbey" hatte gerade wegen der tollen Ausstattung immer einen sehr filmischen Stil. Und ich glaube, die Größe der Leinwand erhöht zusätzlich die Freude über das Wiedersehen für die Zuschauer, weil sie noch einmal auf ganz andere Weise in die Welt der Crawley-Familie eintauchen können. Wenn man eine Geschichte erzählt, dann willst du einen guten Anfang und ein besonders gutes Ende. Den Anfang hat die Serie gemacht und uns war wichtig, dass das Ende diesem Anfang ebenbürtig ist und ich hoffe, dass haben wir mit diesem Schritt geschafft. Aber es war eine harte Aufgabe, diesen sehr speziellen Stil für das Kino zu adaptieren.

Inwiefern?

Nun, wir haben zum Beispiel sehr viel mehr mit Perspektiven, Größen und Kamerawinkeln gespielt, weil wir uns die Zeit nehmen wollten, aus jeder Einstellung das Maximum herauszuholen. Wenn du eine Serie drehst, dann ist Zeit ein wichtiger Faktor und du musst manchmal einen Kompromiss zwischen Zeitdruck und Stilwillen finden. Aber bei diesem Film musste alles perfekt sein und wir wollten, dass man zwar den Stil der Folgen im Film erkennt, aber trotzdem den Unterschied zwischen dem TV-Bildschirm zuhause und der großen Leinwand im Kino spürt.

Dieses Kribbeln im Bauch ...

Mit dem Film dieses Jahr wird "Downton Abbey" als Serienphänomen schon zehn Jahre alt. Was glauben Sie ist der Hauptgrund dafür, dass diese Charaktere und ihre Geschichte so einen lang anhaltenden Erfolg zu verzeichnen haben?

Der Hauptgrund ist Julian. Ohne ihn wären wir alle nicht hier. Ich erinnere mich, als ich damals das Drehbuch für den Piloten [die erste Folge der Serie] zu lesen bekam. Jede weitere Seite hat sich für mich angefühlt wie ein Geschenk an Heiligabend. Du bist gespannt, was sich hinter dem nächsten Papier verbirgt und würdest am liebsten alles auf einmal auspacken, aber du nimmst dir die Zeit, um dieses Kribbeln noch etwas zu spüren.

Und dieses Kribbeln spürt auch der Zuschauer?

Ich denke schon, weil "Downton Abbey" so komplett anders ist als andere moderne Serien, die oft sehr düster und abgründig sind. Julian ist nicht düster, ich glaube eher, er ist der letzte große Romantiker unserer Zeit. Der Kern all dieser Figuren, die er geschrieben hat, ist doch, dass Julian tief in seinem Inneren glaubt, dass in jedem Menschen etwas Gutes steckt und das jeder Mensch eine gute Seite hat. Und das ist eine sehr tröstende Sicht in unseren Zeiten. Meiner Ansicht nach verdient das Publikum trotz all der Antihelden, die zurzeit in TV und Kino laufen ein Format, in dem ihre Erwartungen in Menschen nicht enttäuscht werden und sie sich auf die Charaktere verlassen können, mit denen sie mitfiebern. Und ich hoffe, meinen Teil dazu beizutragen.

Was werden Sie am meisten an "Downton Abbey" vermissen?

Michelle. [Dockery, alias Mary Crawley]

Das kam schnell.

Da brauche ich auch nicht zu überlegen. (lacht) Wir scherzen unter einander immer, dass wir nie wieder gemeinsam in irgendetwas mitspielen werden, weil man uns wohl kaum zusammen besetzen würde. Wir wären dann nicht Laura und Michelle oder unsere jeweiligen Rollen, sondern immer die unverwüstlichen Schwestern Edith und Mary. Wir könnten nie beste Freundinnen oder Kollegen spielen, weil alle immer Drama erwarten würden. (lacht) Privat sind wir aber ganz anders, ich liebe sie als Freundin wirklich sehr und kann Ihnen nur Gutes über sie erzählen.

Vielen Dank.

"Downton Abbey - Der Film" läuft seit dem 19. September 2019 hierzulande im Kino.