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Die goldene Ära der Qualitätsserien ist nach Ansichten einiger Kritiker mittlerweile wieder abgeklungen und hatte ihren Höhepunkt um das Jahr 2013 herum. Damals startete gerade der Netflix-Megahit "House of Cards", die letzten Folgen von "Breaking Bad" sorgten für Gesprächsstoff überall auf der Welt und bis in die hintersten Ecken hatte sich die Qualität von "Game of Thrones" und "Mad Men" herumgesprochen. Eine Serie darf man hierbei aber nicht vergessen, die besonders schauspielerisch für Meilensteine sorgte: "Downton Abbey", die Geschichte der britischen Adelsfamilie Crawley sorgte mit gehörig historischem Charme für Quotenhits und wurde schnell zum Serienkult.

Selbst der größte "Downton Abbey"-Fan wird dabei zugeben, dass hierbei nicht die eigentlichen Geschichten für den Erfolg relevant waren. Böse Zungen beschrieben die Serie gar als "Hochglanz-Soap", in der nur typische Beziehungs- und Egodramen vor prunkvoller Kulisse gezeigt würden. Doch "Downton Abbey" verfügte nicht nur über ein fantastisches Ensemble und dreidimensionale Figuren, sondern begeisterte durch das Zweiklassensystem im Adelshaus. Einmal war da die Gesellschaft rund um den Earl of Grantham, Robert Crawley (Hugh Bonneville) und andererseits die Gruppe der Bediensteten rund um den Butler Mr. Carson (Jim Carter), die sich mit ihren eigenen Problemen herumschlugen. Und – so viel sei verraten – genau dieser Kontrast ist es auch, der den womöglich abschließenden Film zur Serie so unterhaltsam werden lässt.

Für neue und alte "Downton Abbey"-Fans

Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1927. Mr. Carson hat sich in den Ruhestand zurückgezogen, da steht eines Tages Mary (Michelle Dockery) vor seiner Tür und bittet um Hilfe: Der König und die Königin haben sich für einen Besuch in Downton Abbey angekündigt. Natürlich lässt sich der freundliche Butler nicht zweimal bitten. Doch die Enttäuschung bei der Belegschaft ist groß: die Royals bringen ihren eigenen Hofstaat mit und sind auf die Dienste der anderen, etwa dem Küchenmädchen Daisy (Sophie McShera) nicht angewiesen. Kurzerhand schmieden sie eine Revolte. Und während Edith (Laura Carmichael) Probleme mit ihrer Abendgarderobe für den königlichen Empfang hat, macht Mary sich ganz andere Sorgen: Was ist nur mit ihrer doch immer so robusten Großmutter Violet (Maggie Smith) los?

Beruhigt können erstmal all die sein, die "Downton Abbey" entweder das letzte Mal vor Jahren oder nie wirklich gesehen haben: Auch wenn der Kinofilm sich als Epilog zur TV-Serie versteht, werden anfangs alle beliebten Figuren so schnell und simpel "neu" eingeführt, dass man bis auf einige Anspielungen problemlos der Handlung folgen kann. Neueinsteiger haben also keine Probleme – aber dennoch wissen alle Beteiligten, dass sie hier vor allem in der Pflicht sind, das schöne Serienende von 2015 für die Fans fortzusetzen, ohne den Mythos "Downton Abbey" zu beschädigen.

Etwas Staub in Highclere Castle, aber trotzdem schön

Natürlich führt das dramaturgisch dazu, dass "Downton Abbey – Der Film" sich etwas zu sehr verpflichtet fühlt, jedem Charakter noch einen kleinen Auftritt zu verschaffen. Konflikte wie der um ein Ballkleid für Edith oder eine Erbschaftsfrage bezüglich Roberts Cousine Lady Maud Bagshaw (Imelda Staunton) wirken nicht unbedingt notwendig und lenken zu oft vom Thema des königlichen Besuchs ab. Überhaupt wirkt die Geschichte der Adelsfamilie etwas zu steif und brav fortgesetzt, auch wenn die sarkastischen Sprüche von Kultschauspielerin Maggie Smith für viele Lacher sorgen.

Wirklich spannend ist es auf der "anderen Seite" des Hauses: Die Rückkehr von Mr. Carson und der Versuch der Belegschaft, einmal in ihrem Leben dem Königspaar dienen zu dürfen. Ihre Anstrengungen sind nicht nur charmant und rasant erzählt, sondern lassen einen (ob Serienvorkenntnisse oder nicht) mit der gesamten Bande mitfiebern. Der Auftritt der Royals ist dann ein traumhaftes Highlight, bei dem man zugeben muss, dass die glänzende Ausstattung der Serie auf der großen Leinwand sogar noch besser aussieht.

Ein letztes Kapitel mit vielen Enden

Man muss es dem Film hoch anrechnen, dass er trotz angestrebter Wohlfühl-Atmosphäre vor den harten Realitäten des Jahres 1927 nicht zurückschreckt. Die Ausgrenzung Homosexueller wird ebenso angesprochen wie die noch weit entfernte Emanzipation der Frau. Es sind Momente wie diese, in denen "Downton Abbey" sogar versucht, auch in die Moderne zu blicken und sich einige subtile Anspielungen auf den Brexit erlaubt. Die Welt von "Downton Abbey" zeigt ein altes, glamouröses Großbritannien, das sich dort heute einige zurückwünschen – was aber, wie Regisseur Michael Engler auch zeigt, nicht immer erstrebenswert ist.

Die lange Abschiedsparade für sämtliche liebgewonnen Figuren ist ein versöhnlicher Abschluss der Serie (sollte es bei diesem einen Film bleiben). Ohne zu spoilern: In gewisser Hinsicht gibt es am Ende eine letzte Staffelübergabe, die sich einfach richtig anfühlt. Wer also Fan von Brit-Atmo und Adelsgeschichten ist, sollte am Donnerstag im Kino sitzen, und Fans der Serie müssen keine Sorge haben, "ihre" Geschichte beschädigt zu sehen, sondern können sich auf ein gemütliches Abenteuer freuen.

Fazit: Es muss zum Abschied nicht immer knallen – "Downton Abbey" endet wie es begann. Mit Witz, Charme, Brit-Feeling und großen Gefühlen. Ein toller Abschluss, bei dem die große Leinwand nur ein Bonus ist.