All das passt in die flatterhafte Geschichte des SWR-Krimis irgendwie gut hinein. Zum Abschluss versucht man es noch mal mit einem düsteren Thriller-Stoff, den sich "Tatort"-Routinier Jürgen Werner (schreibt die meisten Dortmunder Fälle) ausgedacht hat: Eine Frau stürzt vom Balkon ihrer Wohnung, auf den ersten Blick ist es Selbstmord. Allerdings verrät die Wohnung der Toten, dass sich das Opfer offenbar überwacht fühlte und große Angst hatte.
Polizist Thomas Engels (Andreas Döhler) stand der Toten offenbar nahe und zeigt sich sehr engagiert in dem Fall. Bald stellt sich heraus, dass er das Opfer vor einem perfiden Stalker schützen wollte. Offenbar handelt es sich um einen Serientäter. Jemand, der durch Überwachungstechnik, systematische Destabilisation seiner Opfer und Angriffe im Dunkeln Frauen in den Tod treibt.
Schmalspurversion von Lars Eidingers "stillem Gast"?
Als sich mit Julia Ritter (Susanne Wuest) eine weitere Frau wegen anonymer Drohungen an die Polizei wendet, will man sie unbedingt vor dem Monster von Mainz schützen. Daran arbeiten Ellen Berlinger, Thomas Engels und der neue Kollege Lukas Wagner (Ludwig Trepte), der Berlinger zur Seite gestellt wurde, um den urlaubenden Martin Rascher (ohne Auftritt im Abschlussfilm: Sebastian Blomberg) zu ersetzen. Doch kann man Thomas Engels trauen? Und was ist mit dessen Vorgesetztem Niklas Zerrer (Rainer Sellien), der offenbar etwas verheimlicht?
Bald gerät Sonderling Daniel König (Matthias Lier) unter Verdacht. Doch er ist offenbar gut darin, keine beweiskräftigen Spuren zu hinterlassen. Drei oder sogar vier ambivalent agierende Männerfiguren kreiert dieser "Tatort". Alle könnten - zu Anfang - jener Bösewicht sein, dessen perfides Spiel mit Frauen Ellen Berlinger mehr und mehr auch persönlich an die Nieren geht.
An der düsteren, aber durchaus schicken Inszenierung von Jochen Alexander Freydank ("Riesending - Jede Stunde zählt") liegt es nicht, dass der Thriller-"Tatort" nicht funktioniert. Die Bilder sind intensiv, dunkel und der Einsatz von viel Handkamera und "Shots" von Außen durch Scheiben vermitteln ein Gefühl von Unmittelbarkeit und subtiler Bedrohung. Doch das war's allerdings schon, was sich Positives über den Krimi sagen lässt.
Das Drehbuch Jürgen Werners steckt voller unglaubwürdiger Behauptungen und Logikfehler. Das Bedrohungsszenario, dass sich durch den "Larger than life"-Meister-Stalker ergeben soll, ist in keinem Moment glaubwürdig. Dass es dem Verdächtigen, der an eine Schmalspurversion von Lars Eidingers Figur des "stillen Gasts" aus drei Kieler "Tatorten" erinnert, gelingt, selbstbewusste Frauen durch klassisch abgegriffene Thriller-Moves so zu destabilisieren, dass diese freiwillig vom Balkon springen, kann man sich auch mit viel Krimi-Vertrauensvorschuss nicht vorstellen.
Was wollte (man mit) Ellen Berlinger?
Damit reiht sich "Tatort: Aus dem Dunkel" in eine lange Reihe von Problemen ein, welche die Redaktion offenbar mit Ellen Berlinger und ihren Fällen hatte. Nie bekam der Makatsch-Krimi ein wirkliches Profil, eine Handschrift oder einfach nur "das gewisse Etwas". Los ging es im März 2016 noch in Freiburg und dem Fall "Fünf Minuten Himmel". Der damals hochschwangeren Heike Makatsch schrieb man - wohl auf den letzten Drücker - eine Figur ins Buch, die mit der Sorge für die eigenen Kinder überfordert war. Die Kommissarin mit dem Muttersein-Problem - eigentlich eine spannende Prämisse! Nach Berlingers Umzug nach Mainz und dem Einstieg des (guten) Sebastian Blombergs als feinnerviger Kollegen Martin Rascher schien die Reihe an Potenzial zu gewinnen, doch sie litt weiterhin an schwachen Drehbüchern.
Einzig die dritte Folge "Blind Date" (2021) um eine blinde Zeugin, die unter Einfluss der Täter geriet, erwies sich als recht spannende, weil ungewöhnlich Geschichte. Letztlich erschufen die Stoffentwickler über sieben Jahren gerade mal fünf Berlinger-Filme. Auch der Umstand, dass man der Makatsch-Figur ihre kleine Tochter, die sie als alleinerziehende Mutter in Mainz großzog, irgendwann wieder aus dem Drehbuch herausschrieb, zeigte, dass man nie so recht wusste, wie man Berlinger als Frauenfigur erzählen wollte. Private Szenen blieben Füllmaterial. Heike Makatsch selbst kann man deswegen keinen Vorwurf machen, sie erhielt in ihrem Spiel wenig Unterstützung vonseiten der Bücher. Ihre Ellen Berlinger bleibt eine Randnotiz der mittlerweile 53 Jahre alten "Tatort"-Geschichte.
Das Original zu diesem Beitrag "Heike Makatschs letzter "Tatort": Düster, spannend, aber voller Logikfehler" stammt von "Teleschau".