Dass Stalking eine ernste Straftat ist, ist mittlerweile Allgemeinwissen. Doch wie viele Menschen werden eigentlich pro Jahr zu Stalking-Opfern? Das interessante Thema des Krimis begleitete den Abschied Heike Makatschs als Mainzer "Tatort"-Kommissarin Ellen Berlinger. Sie ermittelte nur fünfmal in siebeneinhalb Jahren. Angetreten war die SWR-Produktion etwas großspurig als "Event-Tatort". Doch wie fällt die Bilanz aus, wenn man an die Ermittlerin zurückdenkt? Und warum wurde sie nicht richtig verabschiedet?

Worum ging es in "Tatort: Aus dem Dunkel"?

Eine Frau stürzte vom Balkon ihrer Wohnung, auf den ersten Blick war es Selbstmord. Allerdings verriet ihre Wohnung, dass sich das Opfer offenbar überwacht gefühlt und große Angst gehabt hatte. Polizist Thomas Engels (Andreas Döhler) stand der Toten offenbar nahe und zeigte sich sehr engagiert in dem Fall. Bald stellte sich heraus, dass er das Opfer vor einem perfiden Stalker schützen wollte. Jemand, der durch Überwachungstechnik, systematische Destabilisation seiner Opfer und Angriffe im Dunkeln Frauen in den Tod treibt.

Mit Engels und ihrem neuen Kollegen Lukas Wagner (Ludwig Trepte) ermittelte Kommissarin Ellen Berlinger (Heike Makatsch) und hatte vor allem Sonderling Daniel König (Matthias Lier) unter Verdacht. Und mit Julia Ritter (Susanne Wuest) schien der Stalker auch schon ein neues Opfer gefunden zu haben.

Insgesamt unglaubwürdig

Nun, einen doppelten (Bedeutungs)boden gab es in diesem klassischen Thriller von "Tatort"-Routinier Jürgen Werner eher nicht. Die Bedrohung, "gestalkt" zu werden, trieb sein Drehbuch auf die Spitze, indem es behauptete, ein fremder Mensch könne das Leben seines Opfers komplett überwachen und sogar selbstbewusste Frauen so manipulieren, dass diese nur den Freitod als Lösung sehen.

Viel besser war hingegen die Inszenierung: Regisseur Jochen Alexander Freydank ("Riesending - Jede Stunde zählt") erschuf intensive, dunkle Bilder, die unter Einsatz von viel Handkamera und Aufnahmen von Außen durch Scheiben ein Gefühl des Beobachtetwerdens und subtiler Bedrohung erschufen. Wahrscheinlich das beste Detail an diesem insgesamt unglaubwürdigen Krimi.

Wie viele Stalking-Opfer gibt es?

Als Motive für Stalking gelten Besessenheit von einer Person, Rache und der Wunsch, Macht über das Opfer auszuüben. Stalking kann schwerwiegende physische, emotionale und psychologische Auswirkungen auf die Opfer haben und ist in fast allen Ländern ein Straftatbestand, der unbedingt der Polizei gemeldet werden sollte. Wie häufig Stalking vorkommt, ist schwer zu ermitteln. Das US-amerikanische Bureau of Justice Statistics (BJS) hat in der Vergangenheit nationale Umfragen zur Kriminalität durchgeführt und verkündet: 7,5 Millionen Menschen werden jährlich Opfer von Stalking - das entspricht 2,3 Prozent der Bevölkerung (330 Millionen US-Amerikaner gibt es).

Die Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes (BKA) sagt hingegen, dass die Anzahl der polizeilich erfassten Stalking-Fälle in Deutschland zwischen 2011 (25.038) und 2017 (18.483) zunächst rückläufig war. Seitdem habe sie aber wieder stetig zugenommen hat. Im Jahr 2022 erfasste man 21.436 Fälle. Dennoch fällt auf, dass gegenüber der US-Studie der deutsche Wert erheblich niedriger liegt: Es wären gerade einmal 0,03 Prozent der Deutschen, die 2022 zu Stalking-Opfern wurden. Zwei Dinge dürften die Statistiken verfälschen: die hohe Dunkelziffer nicht gemeldeter Fälle, aber auch die Tatsache, dass die Sensibilität für das Thema in den letzten Jahren stark zugenommen hat.

Tatort: Warum wurde Ellen Berlinger nicht verabschiedet?

Heike Makatschs fünfter und letzter Auftritt als Ellen Berlinger erzählt keinen Abschied, weil das Aus fürs Format überraschend kam. Erst Anfang Juli teilte der SWR mit, dass keine weiteren Mainz-"Tatorte" produziert werden. Die offizielle Begründung: Man muss sparen. Dass andere Sendegebiets-Dienststellen in Stuttgart, Ludwigshafen und dem Schwarzwald weiterarbeiten dürfen, kommentierte man indes nicht.

Inhaltlich ist die Entscheidung aber nachvollziehbar. Ellen Berlinger, die gebeutelt von einem Umzug von Freiburg nach Mainz und langen Pausen zwischen den Filmen, nie so richtig in die (Erzähl)spur fand, war mit Abstand das schwächste Gesamtpaket unter den Südwest-Ermittlern. Weil man erst nach Abschluss der Dreharbeiten von der Einstellung des Berlinger-Krimis erfuhr, konnte Heike Makatschs Figur nicht "würdig" verabschiedet werden.

Hat der Makatsch-"Tatort" Spuren hinterlassen?

Nein, die Reihe litt wie kaum ein anderer "Tatort"-Standort unter notorisch schwachen Drehbüchern. Los ging es im März 2016 noch in Freiburg und dem Fall "Fünf Minuten Himmel". Der damals hochschwangeren Heike Makatsch schrieb man - wohl auf den letzten Drücker - eine Figur ins Buch, die mit der Sorge für die eigenen Kinder überfordert war. Die Kommissarin mit dem Muttersein-Problem - eigentlich eine spannende Prämisse!

Nach Berlingers Umzug nach Mainz und dem Einstieg des (guten) Sebastian Blomberg als feinnervigem Kollegen Martin Rascher schien die Reihe an Potenzial zu gewinnen, doch die Fälle blieben unglaubwürdig. Einzig die dritte Folge "Blind Date" (2021) um eine blinde Zeugin, die unter Einfluss der Täter geriet, erwies sich als recht spannende, weil ungewöhnlich Geschichte. Auch der Umstand, dass man der Makatsch-Figur ihre kleine Tochter, die sie als alleinerziehende Mutter großzog, irgendwann wieder aus dem Drehbuch herausschrieb, zeigte, dass man nie so recht wusste, wie man Berlinger als Frauenfigur erzählen wollte.