True-Crime-Formate sind im Trend und das weiß Netflix nur zu gut. Mit "Making a Murderer" trugen sie vor vier Jahren selbst dazu bei, dass mehr und mehr Serienmacher wahre Fälle fiktional aufbereiteten - "American Crime Story" lässt grüßen. Allein dieses Jahr liefert der Streamingdienst mit "When They See Us" über einen rassistischen Gerichtsskandal und mit dem Vergewaltigungsfall "Unbelievable" zwei hochwertig produzierte Serien, die für reichlich Gesprächsstoff sorgen.

Letzteres wird in den Feuilletons hochgelobt, bei Rotten Tomatoes ergibt sich eine Kritikerbewertung von 96 Prozent basierend auf 55 Kritiken. Und jetzt gibt Netflix in einer Mitteilung an seine Aktionäre auch noch bekannt, dass die Serie beim Publikum ein ebenso großer Erfolg sei. "Unbelievable" ist demnach eine der meistgesehenen Serien in den USA - in einer Berechnung von Netflix, die von Oktober 2018 bis September 2019 erhoben wurde, landet sie auf Platz 7 der meistgesehenen Serien. Seit dem 13. September 2019 steht "Unbelievable" auf Netflix zur Verfügung.

Schier "Unbelievable" sind viele Verbrechensfälle

Es wäre für den Streaminganbieter folglich extrem bitter, eine solche Erfolgsproduktion bereits nach einer Staffel ruhen zu lassen. Hatte Netflix womöglich von Anfang an die Hoffnung, dass mehr aus der Serie werden könnte? Jedenfalls lässt die Titelwahl "Unbelievable" diesen Schluss zu. Unter einem derartigen Serientitel könnten allerlei verschiedene Kriminalfälle behandelt werden, die schier "unglaublich" sind. Netflix könnte seine Serie zur Anthologie ausweiten, wie es beispielsweise mit "Fargo", "True Detective" oder der bereits oben erwähnten "American Crime Story" sehr erfolgreich gelang.

Nach jeder Staffel würden die Fälle, die handelnden Personen und die Schauspieler wechseln. Eine neue Geschichte entsteht. Treu bleibt sich das Format nur in seinen eigenen Ansprüchen und im Stil der Erzählung. Letzteres ist der große Trumpf von "Unbelievable". Kritiker lobten ausnahmslos den ausgeruhten, völlig von Sensationsgier befreiten Inszenierungsstil der Erzählung. Die Hintergründe der Vergewaltigungsfälle wurden ehrlich und drastisch, aber niemals schaubegierig gezeigt, so der Tenor.

Die Vermutung liegt nahe, dass sich die True-Crime-Serie mit ihrem Erfolg eine zweite Staffel verdient hat - Anthologien sind vor allem im Crime-Genre hocheffektiv. Möglichkeiten zur Fortsetzung liegen auch in zahlreichen weiteren Investigativgeschichten, die von Journalisten recherchiert wurden. So basierte "Unbelievable" auf einem Artikel namens "An Unbelievable Story of Rape", der von T. Christian Miller und Ken Armstrong im Jahr 2015 veröffentlicht wurde. Für ihren Text wurden die beiden Autoren von The Marshall Project mit einem Pulitzer Preis ausgezeichnet. Solche preisgekrönten Vorlagen gibt es nicht alle Tage, aber Netflix braucht nur erneut auf die Journalismus-Plattform "The Marshall Project" zurückgreifen, dort erscheinen regelmäßig aufsehenerregende Texte über unglaubliche Verbrechensfälle und das Versagen von Polizei und Justiz.