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Netflix-Serie "When They See Us": Ergreifendes Justizdrama mit aktueller Botschaft

Korey Wise in When They See Us
Der zu Unrecht verurteilte Korey Wise in "When They See Us" mit seiner Mutter auf dem Weg zum Gericht, umringt von Anti-Rassismus-Protesten Sender

Das Justizdrama um die "Central Park Five" ereignete sich in den USA. 1990 werden fünf afroamerikanische Jugendliche zu Unrecht für eine Vergewaltigung verurteilt. Die Netflix-Serie "When They See Us" schildert die Ereignisse nun mitreißend in vier Episoden.

Es werden immer mehr. Schwarze Jungendliche rennen euphorisiert durch die Straßen New Yorks, von überall stoßen neue hinzu, einer nach dem anderen, bis sie zu einer unübersichtlichen, großen Masse werden und in den Central Park einbiegen. Sie hüpfen umher, rennen durch die Gegend und tauschen sich angeregt aus, schreien Passanten an, drangsalieren Fahrradfahrer und schließlich verprügeln sie einen Fremden im Schatten einer Brücke. So fängt die neue Netflix-Serie "When They See Us" an. Seit dem 31. Mai sind die vier Episoden über ein US-amerikanisches Justizdrama auf dem Streamingdienst abrufbereit. Wer sie nicht gesehen hat, sollte das nachholen.

Denn: Die von der "Selma"-Regisseurin Ava DuVernay verantwortete Miniserie ist ein bewegendes Stück Zeitgeschichte und ein Beispiel dafür, wie ungerecht die amerikanischen Mühlen der Justiz 1989/90 mahlten. Fünf der Jugendlichen aus der randalierenden Central Park-Gruppe wird die Vergewaltigung an einer weißen, 28-jährigen Investmentbankerin namens Trisha Meili vorgworfen. Dass sie weiß ist und die Jungendlichen ausnahmslos farbig wird eine wichtige Rolle spielen. Die junge Frau wurde verprügelt, gefoltert und vergewaltigt. Sie erlitt Schädelfrakturen, Gehirnschwellungen und Prellungen. Meili lag zwölf Tage im Koma und in diesen knapp zwei Wochen wird sie zum prominenten Präzedenzfall für die Polizei New Yorks. Mehr als 5000 Vergewaltigungen führt die Kriminalitätsstatistik für das Jahr 1989 in der amerikanischen Metropole. Meili soll zum öffentlichkeitswirksamen Ermittlungserfolg hochgejazzt werden.
Dafür werden Kevin Richardson (Asante Blackk), Antron McCray (Caleel Harris), Yusef Salaam (Ethan Herisse), Korey Wise (Jharrel Jerome) und Raymond Santana (Marquis Rodriguez) von den New Yorker Polizisten in die Mangel genommen. Nur einer der Jugendlichen ist bereits 16, die anderen vier dürften nach dem amerikanischen Gesetz nicht ohne ihre Eltern befragt werden. Doch die Ermittler schmeißen alle Regeln über Bord: Sie brauchen Täter und zwar schnell. Den Jungs werden Androhungen gemacht, sie werden in die Ecke gedrängt und Worte, wie die Tat abgelaufen sein könnte, werden ihnen in den Mund gelegt. Bis am Ende fünf Geständnisse vorliegen.

Die Netflix-Serie ist von Beginn an packend und ergreifend zugleich. Sie zeigt das Schicksal der hilflosen Jungen, die Ohnmächtigkeit der Eltern und die Sturheit der Behörden. Ein Ungleichgewicht, welches in eine maßlose Ungerechtigkeit mündet. Die fünf Teenager werden 1990 von Geschworenen in zwei getrennten Verfahren verurteilt: Die Haftstrafen variierten zwischen 5 und 15 Jahren, schlussendlich sitzen die Angeklagten zwischen 6 und 13 Jahren im Gefängnis. Doch die brutale Tat an der Frau haben sie nie begangen. In der finalen Episode von "When They See Us" erzählt Showrunnerin Ava DuVernay, wie Korey Wise - er war der 16-Jährige, der nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt wurde - 2002 hinter Gittern den Häftling Matias Reyes kennenlernt. Reyes ist ein verurteilter Mörder und Serienvergewaltiger, der eine weitere Tat gesteht: den Überfall der Joggerin im Central Park. Seine DNA stimmt mit der am Tatort überein. 13 Jahre nach der Vergewaltigung im Central Park ist der Täter überführt.
Die insgesamt 41 Millionen US-Dollar als Entschädigung kommen zu spät, viel zu spät. "Ich bin beschädigt", hat Antron McCray, inzwischen ein verheirateter 45-jähriger Vater von sechs Kindern in einem Gespräch mit der New York Times erzählt. "Es frisst mich jeden Tag auf. Es frisst mich auf bei lebendigem Leib." Er wisse, dass er eigentlich Hilfe brauche, so McCray: "Aber ich fühle, dass ich inzwischen zu alt bin, um mir Hilfe zu holen." Hilfe bekam in den Jahres des Prozesses die falsche Seite. Die Polizei wurde von weißer Großstadt-Prominenz unterstützt. Donald Trump, seinerzeit noch Immobilien-Hai in New York, schaltet ganzseitige Anzeigen in vier New Yorker Tageszeitungen und fordert darin die Todesstrafe für die Täter. Mehr als zehn Jahre nach Bekanntwerden des Fehlurteils kann Trump nicht aufhören. Der heutige US-Präsident wettert weiter gegen die "Central Park Five":





Auch deshalb ist "When They See Us" so stark: Es legt den strukturellen Rassismus offen, der in den USA bis heute wirkt. Begünstigt wird er durch Menschen in Machtpositionen, die einfache, vorschnelle Schlüsse ziehen und ihren Einfluss für fragwürdige politische Zwecke instrumentalisieren. Das serielle Justizdrama auf Netflix könnte aktueller kaum sein.