Als Daniel Craig im Jahr 2005 als Bond-Nachfolger von Pierce Brosnan bestätigt wurde, war das Geschrei noch groß: Mit blonden Haaren und muskulösem Körperbau passte der kantige Engländer für viele rein optisch nicht in die Rolle des Gentleman-Agenten.
Mittlerweile aber ist Craig fest akzeptiert, und blickt auf die längste Amtszeit aller bisherigen 007-Darsteller zurück. Doch alles hat ein Ende: Mit "Keine Zeit zu sterben" wird Craigs Bond-Periode nach fünf Filmen abgeschlossen. Anders als bei jedem anderen Bond zuvor waren seine Filme von Anfang an wesentlich mehr miteinander verknüpft. Gleich sein zweiter Bond-Film "Ein Quantum Trost" war die erste echte direkte Fortsetzung innerhalb des langlebigen Franchise.
Ein guter Grund also, vor Kinostart von "Keine Zeit zu sterben" nochmal Craigs Anfänge anzusehen. Erst recht, da es zwischen seinem Anfang und seinem Ende einige Verbindungen zu geben scheint…
"Das Ergebnis aus allem, was Bond geworden ist"
In einem spektakulären Making-Of-Video verriet "Keine Zeit zu sterben"-Regisseur Cary Joji Fukunaga vorab, Craigs großer Bond-Abschluss wäre ein direktes Resultat der Vorfilme. "‘Keine Zeit zu sterben‘ ist das Ergebnis aus allem, was Bond geworden ist. Was er gesehen und erlebt hat. Sein Trauma, seine Verluste." Insbesondere bei dem Wort Verluste dürften Bond-Fans sich an den Einstieg von Daniel Craig in die James-Bond-Reihe erinnert fühlen: "Casino Royale".
Dort verliebt sich ein gerade frisch zum Doppel-Null-Agenten beförderter James Bond in die geheimnisvolle Buchhalterin Vesper Lynd (Eva Green). Nachdem er sie vor dem Terroristen-Finanzier Le Chiffre (Mads Mikkelsen) rettet, beschließt er sogar, sein noch junges Leben als Agent im Dienst Ihrer Majestät aufzugeben, und mit ihr um die Welt zu segeln. Wer den Film kennt weiß, wie ihre gemeinsame Reise nach Venedig ausgeht. Vesper hat Bond unter Zwang verraten und stirbt tragischerweise vor seinen Augen.
Könnte Fukunaga hierauf anspielen, wenn er von Verlusten spricht? In einem Filmausschnitt aus dem Musikvideo zum neuen Bondsong "No Time To Die" von Billie Eilish sehen wir Bond jedenfalls eine Nachricht mit der Aufschrift "Vergib mir" an einem Grab verbrennen. Steht er dort etwa am Grab von Vesper Lynd?
Die Rückkehr der Brüder
Seit dem ersten offiziellen Trailer zu "Keine Zeit zu sterben" wissen wir, dass Bond in Craigs letztem Film erneut auf zwei Männer treffen wird, die sich beide zu unterschiedlichen Zeitpunkten als seine Brüder bezeichnet haben. Der eine ist sein CIA-Kollege Felix Leiter (Jeffrey Wright), der Bond bereits in "Casino Royale" und "Ein Quantum Trost" aus brenzligen Situationen geholfen hat. Sein "Bruder von der CIA", wie er sich in "Ein Quantum Trost" bezeichnet, setzt den sich mittlerweile im Ruhestand befindenden Bond im neuen Film auf die Spur eines entführten Wissenschaftlers.
Es ist davon auszugehen, dass "Keine Zeit zu sterben" die Beziehung zwischen Bond und Leiter weiterentwickeln und zu einer Art Abschluss bringen wird. Mit seiner Bitte, ihn aus dem Ruhestand heraus zu unterstützen, fordert Leiter im neuen Film von Bond einen Gefallen ein, den ihm dieser nach "Casino Royale" definitiv schuldet. Dort hatte Bond beim Pokerspiel gegen Le Chiffre seinen gesamten Einsatz verzockt, und konnte sich nur durch eine Finanzspritze der CIA wieder in das laufende Spiel einkaufen.
Der andere Bruder ist Franz Oberhauser alias Ernst Stavro Blofeld (Christoph Waltz). Dieser hatte seinen ersten Auftritt als oberster Anführer der Terrororganisation "Spectre" im gleichnamigen Bondfilm. Dort erfuhren wir, dass Bond als Kind nach dem Tod seiner Eltern einen Winter bei der Familie der Oberhauser in Österreich lebte und durch seine gute Beziehung mit Papa Oberhauser den jungen Franz derartig eifersüchtig werden ließ, dass dieser seinen eigenen Vater ermordete.
"Der Urheber all deiner Schmerzen"
Als solcher bezeichnete sich Oberhauser in "Spectre". Aufbauend auf seinem Hass für 007 gründete er Spectre, um seinem "kleinen Bruder" das Leben zur Hölle zu machen. Er offenbarte Bond, dass er und seine Organisation hinter allen Geschehnissen der vorherigen Craig-Bonds steckte. So finanzierte er die "Quantum"-Gruppe, zu der auch ein gewisser Mr. White (Jesper Christensen) gehörte. Mr. White hatte seinen ersten Auftritt in "Casino Royale" und sorgte dort als Mittelsmann zwischen "Quantum" und Le Chiffre für das zentrale Pokerspiel des Films.
In "Spectre" erfuhren wir schließlich, dass White eine Tochter namens Madeleine Swann (Léa Seydoux) hat, in die sich Bond im Laufe des Films verliebt – und am Ende für sie seinen Dienst quittiert, wie er es einst auch für Vesper tat. Da Madeleine auch im kommenden Bond eine wichtige Rolle spielen wird und wir einen inhaftierten Oberhauser im Zwiegespräch mit Bond sehen, ist davon auszugehen, dass "Casino Royale" den Grundstein für all das legt, was in "Keine Zeit zu sterben" relevant sein wird.
Wer also nicht unvorbereitet ins Kino gehen will, ist bestens damit bedient, "Casino Royale" noch einmal zu sehen – und wer dann Gefallen daran findet, sollte auch "Ein Quantum Trost", "Skyfall" und "Spectre" noch eine Sichtung gönnen. Wenn es nach einer Fantheorie geht, könnten die Ursprünge des neuen Bonds sogar bis zum allerersten Bond-Film von 1962 zurückgehen.
"Keine Zeit zu sterben" startet am 2. April in den deutschen Kinos. Den Trailer dazu könnt ihr euch hier ansehen: