Sänger oder Bands, die wie jetzt Billie Eilish für einen Bond-Song engagiert werden, müssen stets einen Spagat hinlegen. Sie müssen der 007-Tradition treu bleiben, gleichzeitig aber auch die eigene Handschrift einbringen. Denn die Macher hinter der Marke geben sich traditionell Mühe, zumindest personell dem Zeitgeist zu huldigen. Dabei hinken sie zwar immer ein paar Jahre zurück - als sie 1985 Duran Duran und 1987 a-ha engagierten, war der erste Synth-Wave-Boom schon wieder vorbei - aber immerhin.
Bei dem Song zu dem neuesten Bond-Abenteuer "Keine Zeit zu sterben", das am 02. April 2020 in die deutschen Kinos kommt, saßen die Verantwortlichen aber wirklich direkt am Puls der Zeit. Billie Eilish, die kürzlich die wichtigsten Grammys holte und bei der Oscar-Verleihung auftrat, ist ohne Zweifel die Sängerin der Stunde, die 18-Jährige wird von Altersgenossen und deren Eltern gehört und von der Kritik hofiert. Doch wenn man sich ihren Song "No Time To Die" anhört muss man leider sagen: Potential verschenkt.
James Bond 25 - Song verschenkt Eilishs Potential
Ab der Jahrtausendwende versuchte die Hüter der Bond-Marke, sich von den in den 60er-Jahren etablierten Big-Band-Sound zu entfernen, zum Beispiel mit Madonnas "Die Another Day" (2002) oder mit "Another Way to Die" von Alicia Keys und Jack White aus "Ein Quantum Trost" (2008).
Mit Adeles "Skyfall" aus dem gleichnamigen Film setzte aber wieder eine Rennaissance des schweren Sixties-Glamours ein, die Sam Smith in "Spectre" mit "Writings on the Wall" fortsetzte. Für beide Songs gab es den Oscar, also keinen Grund, die Formel zu ändern.
So muss Billie Eilish ihr Potential verschenken. Die Produzenten trauten ihr und ihrem Bruder und Co-Songwriter Finneas O'Connell offenbar nicht komplett, deshalb schrieben an "No Time To Die" auch Star-Komponist Hans Zimmer und der ehemalige Smiths-Gitarrist Johnny Marr (!) mit.
Schlecht ist der Song auf keinen Fall. Doch von den kühnen Brüchen und Genre-Mischungen, die Eilish mit ihrem Debütalbum "When We All Fall Asleep, Where Do We Go" zum Kritiker-Darling machte, ist nichts zu hören. "No Time To Die" folgt strikt der Struktur der letzten beiden Songs: Zurückhaltende Strophen, die in der Tat bestens zu Eilishs Hauchstimme passen, plus orchestral anschwellender Refrain. Wie aus dem Baukasten des legendären Bond-Komponisten John Berry. Als Hommage okay, hätte aber auch von jeder anderen Sängerin kommen können. Zeitgeist verpasst.