Die Geschichte von "Resident Evil" ist eine Leidensgeschichte: Zocker schwören bis heute auf den genialen Grusel der "Resident Evil"-Videospiele, doch alle sieben Verfilmungen, seien es die sechs tumben Actionvehikel mit Milla Jovovich (die mit den Spielen nix mehr zu tun hatten) oder die unfreiwillig-trashige Neuauflage "Resident Evil: Welcome to Raccoon City", haben der Marke extremen Schaden zugefügt. Man durfte also misstrauisch sein, als Netflix eine "Resident Evil"-Serie ankündigte.

Doch der Streaminganbieter ist mal wieder für eine Überraschung gut. Nicht nur ist die Serie locker um Welten besser als sämtliche Verfilmungen, sie kommt auch zur richtigen Zeit. Kurz bevor im Herbst 2022 mit "The Walking Dead" die beliebteste aller Zombieserien enden wird, hat Netflix hier den passenden Nachfolger im Gepäck.

Nach dem Weltuntergang: Was passiert in "Resident Evil"?

Die "Resident Evil"-Serie, hinter der Andrew Dabb steht, der zuvor an "Supernatural" arbeitete, erzählt eine Geschichte auf zwei Zeitebenen. Die erste Ebene spielt im Jahr 2022, drei Monate vor der Apokalypse: Die vierzehnjährigen Schwestern Jade (Tamara Smart) und Billie (Siena Agudong) müssen umziehen, als ihr Vater Dr. Albert Wesker (Lance Reddick) eine hochrangige Position in der Umbrella Corporation erhält. In der neu entstandenen Kommune New Raccoon City stoßen die Mädchen schnell auf düstere Geheimnisse der Umbrella Firma und erfahren mehr über ihre eigene Herkunft. Sogar ihr eigener Vater hat Geheimnisse vor ihnen, die mit einem neuartigen T-Virus zusammenhängen …

Vierzehn Jahre später, im Jahr 2036, gibt es nur noch weniger als 15 Millionen überlebende Menschen, die restlichen sechs Milliarden wurden mit dem T-Virus infiziert und sind zu Zombies oder Monstern mutiert. Jade (jetzt: Ella Balinska) kämpft nach wie vor ums Überleben und hadert mit ihrer Vergangenheit. Dabei muss sie sich nicht nur vor den Bestien und anderen brutalen Gruppen Überlebender in Acht nehmen: Die Umbrella Corporation ist immer noch aktiv und macht weltweit Jagd auf sie.

Netflix sei Dank: Frischzellenkur für die Untoten

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Mehr als nur Zombies: "Resident Evil" hat ein reichhaltiges Arsenal an übernatürlichen Gegnern.

Zombie-Geschichten leben vom Überlebenskampf – und der sieht in "Resident Evil" wirklich wuchtig aus: Visuell hat man hier prächtige Sets konstruiert, sei das die futuristische Forschungsanlage in New Raccoon City, das von Zombies überbevölkerte London oder eine militärische Anlage mitten in der verwüsteten Einöde. "Resident Evil" ist anders als "The Walking Dead" keine Horrorserie, sondern ein raues Actioninferno, in dem jeder Sprung, jedes Feuergefecht, jede Verfolgung so spektakulär wie möglich aussehen soll. Die Zombies geben hier dafür auch richtig Gas und sind ähnlich wie im Actionfilm "World War Z" rasante Sprinter statt schlurfende Kreaturen.

Die beeindruckenden Monster machen zudem richtig was her, wie etwa gleich in der ersten Folge eine gigantische, Wolkenkratzer-große Raupe mit scharfen Zähnen. Zu weit entfernt man sich hierbei nicht vom "Resident Evil"-Ursprung, denn ebenfalls in Folge 1 taucht bereits ein Zombiehund auf, den Fans der Milla-Jovovich-Verfilmungen wiedererkennen werden. Es ist genau die richtige Mischung aus coolem Style, knackiger Action, kreativen Monstern und den "Resident Evil"-Wurzeln, der die Serie unterhaltsam und frisch macht, obwohl gleich mehrere der acht Folgen länger als eine Stunde sind. Der "The Walking Dead"-Konkurrenz schlägt "Resident Evil" mit seiner sehr simplen Gangart ebenfalls ein Schnippchen: Während sich die wandelnden Toten über die Jahre in den immer gleichen Plots, zwischenmenschlichen Intrigen und unglaubwürdigen Wendungen verlor, ist die Netflix-Serie ein flotter Abriss quer durch den Zombie-verseuchten Weltuntergang. Mehr wollen Fans gar nicht. Oder?

Der Fairness halber: "Resident Evil" ist nicht perfekt

Man muss natürlich fair bleiben und beachten, dass "Resident Evil" toll aussieht und für Genre-Fans zünftige Monsteraction und ordentliche Schauspielleistungen parat hält. Gleichzeitig ist die Serie aber kein Meisterwerk: Die zwei Handlungsstränge sind sehr sprunghaft in ihrer Qualität. Der Plot im Jahr 2022 hat die emotionaleren Momente an Bord, versucht aber etwas zu kompliziert, aus einer recht banalen Verschwörungsgeschichte einen Mysterythriller zu machen. Die Action im anderen Plot des Jahres 2036 knallt trotz nicht immer ganz überzeugender Tricks und erinnert an einige der besten Level der Videospielreihe, die Geschichte drum herum ist dafür aber sehr dünn. So dünn, dass man den Autoren anmerkt, wie sehr sie versucht haben, die Serie auf acht Folgen zu kriegen. Zwei oder drei Epsioden weniger hätten locker gereicht.

Und trotzdem dieser Mängel dürfen sich eigentlich alle über "Resident Evil" freuen: Die Fans der Marke, weil endlich mal eine Adaption den Namen der Reihe nicht beschmutzt. "The Walking Dead"-Fans, weil sie doch noch ein Ersatzprogramm für ihre aussterbende Untoten-Serie bekommen haben. Netflix-Kunden, weil sie nach dem vergurkten "Army of the Dead" überraschenderweise jetzt ein gelungenes Zombie-Programm aufgetischt bekommen. Und die Zombies selbst … die wollen ja schließlich auch mal mit neuen Opfern gefüttert werden.