In den USA ist sie längst einer der Kritikerlieblinge des Jahres, bei uns ist sie am 28. Dezember 2021 erst gestartet, quasi auf den letzten Drücker. In vielen deutschen Bestenlisten für 2021 fehlt sie deshalb. Macht aber nix: Einen Blick ist sie so oder so wert! Die Rede ist von "Yellowjackets". Aber wovon handelt die? Und warum wird die Serie international abgefeiert wie kaum eine andere dieses Jahr?
Fußballerinnen im Überlebenskampf
"Yellowjackets" handelt von einer Highschool-Mädchenfußballmannschaft, die 1996 ein schreckliches Schicksal erlebt: Ihr Flugzeug stürzt über einem riesigen Waldgebiet in Kanada ab. Ein Großteil der Mannschaft ist sofort tot. Doch einige überleben und müssen lernen, in der Wildnis zurecht zu kommen. Keine leichte Aufgabe. Vor allem weil es untereinander zu vielen Streitigkeiten kommt, die in dieser Extremsituation schnell tödlich enden können.
Die Serie erzählt jedoch zwei Geschichten parallel: Der zweite Handlungsstrang spielt im Jahr 2021. Wir erfahren, dass einige der Mädchen nach 19 Monaten im Wald gerettet wurden und sich wieder zusammentun müssen, um eine Journalistin aufzuhalten, die über die Ereignisse von damals nachforscht. Denn die Überlebenden hüten ein Geheimnis aus ihrer Zeit im Wald, das niemals ans Licht kommen darf.
"Lost" im Wald oder: Herrinnen der Fliegen
Schon im Kultroman "Herr der Fliegen" müssen Teenies alleine in der Wildnis ums Überleben kämpfen. Damals waren es aber pubertäre Jungs, keine Mädchen. Warum? Der Autor William Golding erklärte das so: "Frauen sind töricht, wenn sie vorgeben, sie wären den Männern ebenbürtig. Sie sind ihnen weit überlegen und waren es schon immer." Ob er da so richtig liegt, will "Yellowjackets" untersuchen. Natürlich ist das Szenario nicht allzu neu: Flugzeugabstürze und ihre Folgen kennen wir aus "Lost", und eine Gruppe Mädchen, die fernab der Zivilisation ums Überleben kämpfen, hatten wir erst jüngst in der Serie "The Wilds". Dennoch ist "Yellowjackets" etwas Besonderes, und lebt dabei explizit von den hervorragenden Schauspielerinnen.
Vor allem das Casting muss hier gelobt werden: Die Figur Shauna etwa wird im Jahr 1996 von der Sophie Nélisse gespielt, und als Erwachsene im Jahr 2021 von Melanie Lynskey – manche kennen Letztere noch als Stalkerin Rose aus "Two and a Half Men". Das Erstaunliche: Die beiden Darstellerinnen sehen sich verblüffend ähnlich. Selbiges gilt bei der Figur Natalie, die in der Teenieversion von Sophie Tatcher und als Erwachsene von Juliette Lewis verkörpert wird. Die Illusion, die durch das Casting entsteht, ist brillant. Man könnte glatt meinen, die Szenen seien wirklich im Abstand von 25 Jahren zueinander entstanden, so täuschend echt ähneln sich die jüngeren und gealterten Pendants.
Eine große Prise "Dark": Mysterien überall
Die große Spannung entsteht bei "Yellowjackets" durch eine Leerstelle: Was ist damals im Wald passiert, was jetzt 25 Jahre später unbedingt geheim gehalten werden muss? Die Serie ist dabei wie eine große Mysterybox konzipiert. Jede Folge klärt einige neue Geheimnisse auf, stellt aber parallel weitere Fragen, die zum Miträtseln einladen. In seiner Komplexität erinnert das durchaus an das deutsche Netflix-Wunder "Dark" und dürfte problemlos die Fans dieser Serie abholen.
So viel sei an dieser Stelle verraten: Schon die ersten Folgen deuten an, dass die Ereignisse von damals, um die die Serie so ein Geheimnis macht, mit übernatürlichen Mythen und Elementen zusammenhängen, "Yellowjackets" also in den Bereich der Fantasy geht. Für wen das ein Dealbreaker ist, den können wir beruhigen: Der Fokus der Serie liegt stets auf der spannenden psychologischen Betrachtung der Figuren, ihren Interaktionen, ihrem Verhalten in der Extremsituation, ihrem Umgang mit dem Trauma. Es ist eine fesselnde, spannende Serie, mit feministischem Fokus, die viel Aufmerksamkeit verdient.
Kaum Werbung: Wird "Yellowjackets" bei uns ein Flop?
Genau dafür lieben die Kritiker sie: "Yellowjackets" nimmt etablierte Muster anderer Serien-Erfolge und macht daraus eine eigene, unwiderstehliche Mischung, die Mystery-Spannung, harte Thriller-Elemente und psychologisches Figurendrama vermengt. Eigentlich also ein Muss für jeden, doch selbst viele Nerds haben in Deutschland noch kaum Notiz von der Serie genommen.
Es ist unverständlich, warum der deutsche Start dieser Serie nicht groß beworben wird: Ab dem 28. Dezember sind immer dienstags zwei neue Folgen "Yellowjackets" bei Sky Ticket verfügbar. Eine große Resonanz oder Vorfreude war vor dem Starttermin aber in Deutschland kaum wahrnehmbar. Man kann sich für Sky und "Yellowjackets" nur einen großen Erfolg wünschen. Verdient hätte ihn die Serie allemal.