In Deutschland ist es üblich, Filme und Serien synchronisiert zu gucken. In vielen Ländern der Welt ist das hingegen eine Seltenheit und meist Kinderfilmen vorbehalten. Dort wird alles im jeweiligen Original mit Untertiteln in der eigenen Landessprache angeschaut. Doch in Deutschland bemüht man sich, so dicht am Original wie möglich sämtliche Dialoge lippensynchron neu zu vertonen. Es ist ein Luxus, den man sich hierzulande leistet – und das auf sehr hohem Niveau. Wohl kein anderes Land hat so hochklassige Synchronsprecher.

"So dicht am Original wie möglich" war aber nicht immer die oberste Maxime der Synchronarbeit. In den 70er Jahren veränderte ein Mann das Synchrongeschäft. Sein Name war Rainer Brandt. Und seine Methode: Er entfernte sich gerne weit vom Originaltext, und brachte dafür eigene Ideen ein. Sein Stil wurde als Schnodderdeutsch bekannt und prägte hierzulande unter anderem zahlreiche Fernsehserien sowie die Filme mit Bud Spencer und Terence Hill.

Rainer Brandt: Er wurde versehentlich Synchronsprecher

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Rainer Brandt prägte die deutsche Synchronlandschaft, in dem er es mit Originaltexten nicht so eng sah.

Wie Rainer Brandt zur Synchronarbeit kam, geht auf ein Missverständnis zurück. Eigentlich wollte sich der gebürtige Berliner im Jahr 1954 bei einem Filmstudio bewerben, hatte sich aber die falsche Adresse rausgesucht. Der spätere Edgar-Wallace-Regisseur Alfred Vohrer ("Die toten Augen von London") ließ ihn dennoch vorsprechen und verschaffte ihm erste Jobs. So war er ab den späten 50ern die feste Synchronstimme von Elvis Presley (u.a. in "Tolle Nächte in Las Vegas") und Rik Battaglia (u.a. in "Der Schut"), sprach außerdem John Lennon in den Beatles-Filmen "Yeah! Yeah! Yeah!" und "Hi-Hi-Hilfe!". Besonders markant waren zudem seine Einsätze auf Mario Adorf als mörderischer Santer in "Winnetou I" und auf Jack Lord als Felix Leiter im ersten James-Bond-Film "007 jagt Dr. No".

Doch dann machte er Karriere als Dialogautor – also als der, der die Originaldrehbücher ins Deutsche übersetzt und die genauen Formulierungen ausarbeitet, die die jeweiligen Sprecher nutzen sollen. Und genau hier lag Brandts großes Talent. Er arbeitete anfangs eng mit Synchronregisseur Karlheinz Brunnemann zusammen – und der ließ ihn tun, was immer Brandt für richtig hielt. Brandt fing daher schnell an, Dialoge, die ihm nicht clever und pfiffig genug erschienen, zu verändern und witziger zu machen. Er fügte kleine zusätzliche Dialogwitze in Serien wie "Immer wenn er Pillen nahm", "Tennisschläger und Kanonen" und "Department S" ein, die so im Original gar nicht existierten oder ließ die Figuren in Umgangssprache reden. Auch die ersten zwei Westernkomödien mit Bud Spencer und Terence Hill, "Die rechte und die linke Hand des Teufels" sowie "Vier Fäuste für ein Halleluja", wurden im Deutschen auf witziger getrimmt.

TV-Hit der frühen 70er: Rainer Brandt veredelte "Die 2"

Plaion Pictures

Im Original waren Tony Curtis und Roger Moore als "Die 2" zwar witzig, doch die deutsche Fassung spielte in einer anderen Liga.

Brandt hatte schnell Erfolge damit gefeiert, nicht allzu viel Wert auf den Originaltext zu legen und stattdessen neue Sprüche in die deutschen Tonfassungen einzufügen. Doch den ganz großen Hit landete er erst 1972, als er die Synchronbücher zur TV-Serie "Die 2" schreiben sollte. Der britische Krimi um zwei super reiche Playboys (gespielt von Roger Moore und Tony Curtis) war in England ein TV-Erfolg, wenngleich nicht so erfolgreich wie erhofft. Als Brandt sich die Folgen ansah, fand er diese enttäuschend. Für eine Krimiserie, die immerhin sehr lustig gemeint war, empfand er viele Dialoge als zu langweilig. Also peppte er sie auf – und ging dafür sehr viel weiter als zuvor. Teilweise entstellte er gar den Sinn der Originale, sodass ganze Szenen einen neuen Inhalt und eine neue Bedeutung bekamen. Sogar Handlungsstränge änderte er, so gut er konnte, um neue Witze unterzubringen.

Der Erfolg gab ihm recht: "Die 2" wurde in Deutschland ein großes Phänomen. Viele der lockeren Sprüche wurden Teil des deutschen Sprachgebrauchs. Es fielen Sätze wie "Schöne Tapete haben Sie an, ist die selbst gehäkelt?", "Na Meisterchen, schon fit im Schritt?", "Nehmen Sie mal einen Schluck Schampus in den Mund, sonst staubt es so beim Sprechen", "Tschüssikowsky" oder gar: "Sleep well in your Bettgestell". Brandt (er sprach selbst in der Serie die Figur von Tony Curtis) bezeichnete seine lockeren Sprüche, durchsetzt mit etlichen Wortspielen und Anspielungen, als Schnodderdeutsch. Die deutsche Synchro war gar so erfolgreich, dass die Originalautoren der Serie mit dem Gedanken spielten, Rainer Brandt bei zukünftigen Staffeln die englischen Drehbücher schreiben zu lassen. Die Serie wurde dann aber frühzeitig eingestellt, als Roger Moore die Rolle als James Bond übernahm.

Schnodderdeutsch: Von Bud Spencer und Terence Hill bis Louis de Funès

3L Film

Auch das Duo Bud Spencer und Terence Hill (hier in "Das Krokodil und sein Nilpferd") wäre hierzulande ohne Rainer Brandt nie so ikonisch geworden.

Dank "Die 2" war Schnodderdeutsch der letzte Schrei. Rainer Brandt schrieb nahezu alle Dialogbücher für die deutschen Tonfassungen der Filme mit Bud Spencer und Terence Hill und war so für viele ihrer legendären Sprüche verantwortlich – die wenigsten davon sind im italienischen Original zu hören. Teilweise änderte er die Dialoge und Handlungen so sehr, dass er sich im deutschen Vorspann eigenhändig als Drehbuchautor dazuschrieb – wie etwa in "Sie nannten ihn Mücke".

Zudem war er verantwortlich für die Synchronfassungen zahlreicher Filme mit Louis de Funès ("Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe") und insbesondere den italienischen Kultkomödien mit Adriano Celentano ("Gib dem Affen Zucker"). Man ließ ihn in den 80ern sogar bereits in den Kinos erschienene ernste Western noch einmal neu synchronisieren und so in Komödien verwandeln. Daher gibt es beispielsweise von Brandt erstellte Blödelfassungen der Kulthits "Für eine Handvoll Dollar" und "Für ein paar Dollar mehr".

Später hatte er noch die Aufsicht über die Synchronfassungen von erfolgreichen US-Sitcoms wie "Alle unter einem Dach", "Frasier" oder "Seinfeld", doch in den späten 80ern starb das Schnodderdeutsch langsam aus und über die Jahre legte man wieder mehr Wert auf originalgetreue Synchros. Heute sind Abweichungen eine absolute Seltenheit, in manchen Fällen sogar streng verboten.

Rainer Brandt hat dennoch die deutsche Synchronlandschaft verändert, war ein Wegbereiter für Alltags- und Umgangssprache in Synchronarbeiten – und seine Familie ist bis heute im Geschäft aktiv. Seine Ehefrau Ursula Heyer war die feste deutsche Stimme von Joan Collins in "Der Denver-Clan". Seine Tochter Judith Brandt leitet mittlerweile Rainer Brandts eigene Synchronfirma "Brandtfilm" (u.a. verantwortlich für die deutsche Fassung von "The Big Bang Theory") und ist die deutsche Stimme von Sophie Marceau ("Anna Karenina") und Monica Bellucci ("Tränen der Sonne"). Und auch seinen Sohn Andrej Brandt bekam man gelegentlich zu hören, etwa auf Larry Hovis in "Ein Käfig voller Helden".

Sein eigenes Lebenswerk hat er mal im besten Schnodderdeutsch ganz uneitel selbst beschrieben: "Nicht gesehen? Umsonst gelebt!"

Dank Rainer Brandt: Viele Sprüche für ein Halleluja

Klar ist: Ohne Rainer Brandt wären wir um viele schöne Sprüche ärmer. Zum Beispiel:

  • Terence Hill: "Siehst gut aus, heute schon gekotzt?" (aus "Mein Name ist Nobody")
  • Bud Spencer: "Hat dir eigentlich schon mal einer mit einem Vorschlaghammer einen Scheitel gezogen?" (aus "Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle")
  • Terence Hill: "Wenn du mich nochmal dutzt, hau ich dir ne Delle in die Gewürzgurke!" (aus "Das Krokodil und sein Nilpferd")
  • Tony Curtis: "Mein Name ist Headstone, Kopfstein. Mein Vater hat das Pflaster erfunden." (aus "Die 2")
  • Roger Moore: "9 mm – wenn man damit einen Fasan trifft, dürfte der aussehen wie 'ne Fledermaus nach der Wurmkur." (aus "Die 2")
  • Adriano Celentano: "Mit Tieren muss man reden, das hat immer irgendeinen Sinn, das sind schließlich keine Menschen." (aus "Der gezähmte Widerspenstige")
  • Tony Curtis: "Hände hoch – ich bin Achselfetischist!" (aus "Die 2")
  • Louis de Funès: "Wo die Toilette ist? Och, immer dem Geruch nach und dann wo die meisten Fliegen sind!" (aus "Brust oder Keule")
  • Tony Curtis: "Alterchen, mir schwellt da eine Frage im Gebeiss." (aus "Die 2")
  • Bud Spencer: "Dir spitz‘ ich den Spargel an, bis man dich für'n Pfirsich hält!" (aus "Plattfuß am Nil")
  • Joel Fabiani: "Dann dreht er am Hahne, aber Wasser kann nicht rinnen, in der Leitung ist nichts drinnen." (aus "Department S")