Ein Ex-Sklave auf Rachefeldzug und ein als Kopfgeldjäger jobbender Zahnarzt aus Düsseldorf sind die ungleichen Helden in Quentin Tarantinos Spaghettiwesternhommage "Django Unchained", grandios gespielt von den Oscarpreisträgern Jamie Foxx und Christoph Waltz. Der in Texas aufgewachsene Foxx und der gebürtige Wiener Waltz verstanden sich so blendend beim Dreh wie später im gemeinsamen Gespräch:

TV SPIELFILM Christoph, was dachten Sie, als Sie im Drehbuch lasen, dass Sie Dr. Schultz heißen sollen, Ihr Pferd Fritz und eine Sklavin Broomhilda von Shaft? Vielleicht, dass Quentin jetzt völlig gaga sei?

CHRISTOPH WALTZ
Ich muss zugeben, dass ich diesen Gedanken für einen Moment hatte... Nein, inzwischen kenne ich Quentin ziemlich gut und versichere Ihnen, dass er es nicht ist.

Immerhin gab er Ihnen als Erstem überhaupt 20 Seiten des Skripts zu lesen, oder?

CHRISTOPH WALTZ
Ja, und das ist ein Privileg, das man gar nicht hoch genug einschätzen kann. Die Seiten, die ich in die Hand bekam, waren heiß, im wahrsten Sinne des Wortes, so frisch kamen sie aus dem Drucker.
Was passierte dann?

CHRISTOPH WALTZ
Ich las sie, während Quentin mir gegenüber saß und mich dabei sehr genau beobachtete. Natürlich habe ich mich über all die Aufmerksamkeit gefreut, aber meine Aufgabe ist es im Grunde nur, das, was auf den Seiten steht, zum Leben zu erwecken, und nicht etwa stolz darauf zu sein, dass sie für mich geschrieben wurden.

JAMIE FOXX Das sind seine Zutaten, für Quentin ist das, als würde er ein großes Omelett
machen. Er nennt das wirklich so! Er wollte zum Beispiel die Liebesgeschichte zwischen Django und Broomhilda noch verstärken. Im Film erzählt Dr. Schultz Django die Legende von Siegfried und Brunhilde, und wenn man das hört, dann passt das so großartig hinein. Es funktioniert einfach.

Stimmt es, dass Sie Quentin mit ins Ballett und in die Oper genommen haben?

CHRISTOPH WALTZ
Ja. Die erste Oper war "Walküre" in Los Angeles, eine großartige Inszenierung von Achim Freyer. Tatsächlich haben sie dort den gesamten Ring aufgeführt, und ich wollte Quentin auch unbedingt dazu bringen, sich alle vier Opern anzusehen, aber zu "Rheingold" hat er's irgendwie nicht geschafft, also blieb es bei der "Walküre".
Sie und Jamie trafen sich schon vor dem Dreh?

CHRISTOPH WALTZ
Ja, eine ganze Zeit vorher sogar. Wir wussten beide, dass wir im Film mitspielen würden, und trafen uns bei Quentin zu Hause. Jamie hat mir dort eine ganze Menge darüber erzählt, wie es für ihn war, als Schwarzer in Texas aufzuwachsen. Das war mir alles völlig fremd!

JAMIE FOXX
(lachend) Ich hab ihm erzählt, dass ich den Süden liebe und mir überhaupt nicht vorstellen könnte, irgendwo anders aufgewachsen zu sein. Aber dann hab ich ihm auch ein paar Sachen verraten, über den Rassismus im Süden, und Christoph meinte nur noch "Oh... Oh... Nein, nein, nein. Das werde ich nie verstehen..."

CHRISTOPH WALTZ Das war einfach eine mir völlig fremde Seite der amerikanischen Kultur. Er hätte mir genauso gut etwas vom Mars erzählen können.

JAMIE FOXX Genau darum ging's mir: Ich wollte nicht, dass du Rassismus begreifst, sondern ihn quasi erfährst. Es ist dasselbe, wenn Schwarze mir erzählen, sie hätten sich schlecht gefühlt, als sie im Film das Wort "Nigger" gehört haben. Meine Reaktion war: Das sollt ihr auch. Wenn ein Weißer dich Nigger nennt, dann soll und muss es dir zusetzen. Und das ist es auch, was Quentin hier erreichen will.

CHRISTOPH WALTZ Jamie hat mir so viel Faszinierendes aus seiner Vergangenheit erzählt, dass ich gedacht habe, ich muss mich irgendwie revanchieren, und habe ihm erzählt, wie ich in Wien aufgewachsen bin. (lacht) Also haben wir beide nett beieinandergesessen und in unserer beider Vergangenheit gekramt, und Quentin immer schön zwischen uns. So entsteht echte Freundschaft.
JAMIE FOXX Es hat der Dynamik in der Beziehung unser beider Charaktere sehr geholfen. Quentin hatte die großartige Idee, Christoph und mich schon ein paar Monate früher mit dem Dreh anfangen zu lassen. Als Sam und Leo (Jackson und DiCaprio) dazukamen, waren wir beide schon eine kleine Familie und sie so etwas wie die adoptierten Kinder. Natürlich kennt Sam Quentin sehr gut, aber wir wollten, dass sie diese Art Abgrenzung spüren.

Wie ist Ihre eigene Beziehung zum Spaghettiwesterngenre? Waren Sie vorher Fans?

CHRISTOPH WALTZ
Ich bin mit den Filmen aufgewachsen. Ich erinnere mich noch, als der erste "Django" ins Kino kam. Django war ein Inbegriff der Coolness, sogar bei uns in Österreich. Wer sich wie er benahm, war cool. Und ich weiß nicht, wie oft ich versucht habe, mir "Spiel mir das Lied vom Tod" im Kino anzusehen. Als kleiner Junge stand ich vor der Kinokasse und versuchte, eine Eintrittskarte zu kaufen, mit möglichst tiefer Stimme. (lacht) Und die meinten nur, ich solle nach Hause gehen und morgen wiederkommen, dann würde "Pippi Langstrumpf" laufen.

JAMIE FOXX
Ihr wisst ja, ich komme aus Texas, wir haben schon als Kinder mit Plastikrevolvern gespielt. Natürlich hab ich auch "Bonanza" und andere Serien im Fernsehen gesehen, außerdem hat einer unserer Berater auch am Set von "Tombstone" gearbeitet, das ist einer meiner absoluten Lieblingswestern. Und ich habe jede Gelegenheit genutzt, auf einem Pferd zu sitzen.
Obwohl es um ein ernstes Thema, Sklaverei, und außerdem ganz schön zur Sache geht, ist der Film teilweise sehr witzig. Ein Widerspruch?

CHRISTOPH WALTZ
Nein, gar nicht. Für mich war die Herausforderung, den Witz der Dialoge funktionieren zu lassen, ohne den Film zu einer Komödie zu machen. Dadurch ist auch die Fallhöhe viel größer.

Jamie, gleich nach dem "Django"-Dreh standen Sie für Roland Emmerich als US-Präsident vor der Kamera.

JAMIE FOXX
Ja, ist das nicht einfach fantastisch? Im einen Moment nennen sie dich noch "Nigger" und im nächsten schon "Mr. President"! (lacht)

Interview: S. Orlin

JAMIE FOXX (45) Geboren als Eric Marlon Bishop. 2005 gab's für seine Rolle in "Ray" den Oscar. 2013 spielt er den US-Präsidenten in Roland Emmerichs Actioner "White House Down"

CHRISTOPH WALTZ (56) stammt aus einer Wiener Theaterfamilie. 2010 bekam er einen Oscar für Tarantinos "Inglourious Basterds". 2013 ist er Michail Gorbatschow in Mike Newells Polithistoriendrama "Reykjavik"