Ihre Zusammenarbeit mit Regisseur Tomas Alfredson fing nicht gerade gut an...

BENEDICT CUMBERBATCH
Das kann man so sagen. Mein Agent rief mich an einem späten Nachmittag an und sagte, dass Tomas mich gerne am nächsten Tag treffen würde. Weil ich an diesem Abend Theater spielte, hatte ich aber keine Zeit, das Drehbuch zu lesen. Tomas' Leute meinten, das sei überhaupt kein Problem. Von wegen. Seine erste Frage lautete: "Was halten Sie vom Drehbuch?" Er war nicht gerade begeistert davon, dass ich es noch nicht gelesen hatte.
Nach diesem verunglückten Treffen sah ich mir "So finster die Nacht" und wusste sofort, dass ich unbedingt in seinem neuen Film mitspielen muss. Also schrieb ich ihm eine lange E-Mail, in der ich mich mehrfach entschuldigte. Und nachdem sich dann auch meine TV-Serie "Sherlock" als recht erfolgreich herausstellte, bekam ich schließlich ein richtiges Angebot.

Sie sind 35 und haben selbst vom Kalten Krieg nur das Ende mitbekommen.

BENEDICT CUMBERBATCH
Ich habe sehr viel recherchiert. Und Tomas hat sich sehr gut vorbereitet - er plante jedes noch so kleine Detail. Peter Guillam ist ein typisches Produkt des Kalten Krieges. Zu Beginn glaubt er noch daran, dass seine eigene Seite moralisch und gut ist - und die andere Seite schlecht. Aber dann wird er immer weiter in den Sog des Skandals hineingezogen. Je höher die Menschen in der MI6-Hierarchie stehen, desto korrupter sind sie. Es ist ein Schattenspiel, in dem niemand dem anderen trauen kann. Kein Wunder, dass Peter sehr zynisch wird und seine einfache, moralische Einstellung zum Geheimdienst schnell verliert.

Kennen Sie die Serie aus den 70er Jahren?

BENEDICT CUMBERBATCH
John le Carré ist einer meiner Lieblingsautoren, ich fand das Buch schon als Junge toll und sah später auch die Serie. John kam einen Tag vor Drehbeginn zu uns ans Set und unterhielt sich lange mit mir und den anderen Schauspielern. Er ist 80 Jahre alt und etwas taub, aber immer noch sehr eloquent und ein wahnsinnig interessanter Gesprächspartner. Obwohl er das Buch vor fast 40 Jahren schrieb, ist er noch immer ein wandelndes Lexikon. Er weiß ganz genau, wie sich Peter in dieser oder jenen Situation fühlt oder wo er zur Schule ging und was er studierte - obwohl davon nichts im Buch steht. Das hat mir sehr geholfen, mich in die Rolle hineinzufühlen.

Frauen spielen in diesem Film eigentlich keine Rolle.

BENEDICT CUMBERBATCH
Zu jener Zeit war der Geheimdienst eine sehr männliche Sphäre. Frauen haben sich in unserem Film entweder aus dem Staub gemacht, werden von Agenten ausgenutzt oder sind moralisch bankrott. Allerdings glaube ich, dass im Hintergrund sehr mächtige und starke Frauen stehen, vor allem Mütter und Ehefrauen. Aber man sieht sie nicht. Es gab deshalb fast nur männlich Schauspieler am Set. Das heißt jetzt aber nicht, dass am Set nur so die Testosteron-Funken schlugen! Im Gegenteil, wir haben ziemlich schnell die leise und sensible Atmosphäre des Buchs übernommen. Denn alle Männer leiden in diesem Film - sie sind extrem einsam, weil sie ihre Geheimnisse nicht teilen können.

Interview: Tina Werkmann