In der deutschen Medienlandschaft gab es an dieser Meldung am 14. März 2023 kein Vorbeikommen: Michael Wendler soll ins deutsche Fernsehen zurückkehren. Der TV-Sender RTLZWEI kündigte eine Doku-Soap mit ihm und seiner Frau Laura an, in der man das Paar bei ihrer Schwangerschaft und der Geburt des gemeinsamen Kindes exklusiv begleiten wollte. Das Echo ließ nicht lange auf sich warten. Vollkommen zurecht hagelte es negative Kommentare, Spott und Hohn im Internet sowie Distanzierungen von verschiedenen Seiten.

RTL Deutschland selbst kündigte an, man werde die Doku nicht auf dem Streamingdienst RTL+ platzieren. Sophia Maier, Reporterin für das RTL-Format "stern TV" zeigte sich "fassungslos". Die RTLZWEI-Protagonistin Carmen Geiss distanzierte sich bei Instagram entschieden von der Wendler-Personalie und deutete an, die Produktion der Doku-Soap könne einen Ausstieg der Geissens bei RTLZWEI bedeuten. So dauerte es keine 24 Stunden, ehe es von RTLZWEI hieß: "Die geplante Doku-Soap mit Michael Wendler und Laura Müller wird nicht für RTLZWEI produziert und ausgestrahlt. Wir haben die Vehemenz der Reaktionen wahrgenommen und nehmen die Stimmen unseres Publikums ernst. Wir bitten um Entschuldigung, sollten wir hier Gefühle verletzt haben."

Die Entscheidung ist die einzig richtige. Eine tatsächliche Produktion und Ausstrahlung dieses Formats wäre nicht weniger als ein Skandal gewesen. Man kann sich nur kopfschüttelnd fragen, was sich RTLZWEI bei dieser Ankündigung ursprünglich überhaupt gedacht haben mag. Zum Glück wurde dies nun gestoppt. Das Image von RTLZWEI wird aber einen langfristigen Schaden davontragen – daran sollte auch die jetzige Entschuldigung nichts ändern.

Eine neue Form der Schamlosigkeit im Reality-TV

Man muss es sich nochmal vor Augen halten, warum Michael Wendler Ende 2020 und insbesondere im Januar 2021 von der gesamten deutschen Medienlandschaft verstoßen, sogar aus bestehenden "Deutschland sucht den Superstar"-Ausgaben explizit rausgeschnitten wurde. Im Zuge absurdester Coronapandemie-Verschwörungstheorien bezeichnete er "nahezu alle Fernsehsender" als "gleichgeschaltet" und "politisch gesteuert". Auf seinem Telegram-Account verglich er gar von der Bundesregierung beschlossene Corona-Schutzmaßnahmen mit Konzentrationslagern.

Man könnte meinen, wer den unerträglichen Ausdruck "KZ Deutschland" verwendet, der hat keine Chance mehr, im deutschen Fernsehen eine Bühne geboten zu bekommen. Dank der öffentlichen Reaktionen ist dies auch abgewendet worden. Doch das RTLZWEI es überhaupt für in Ordnung hielt, eine solche Sendung in Erwägung zu ziehen, ist ein Armutszeugnis und sollte nicht so leicht vergessen werden. Der Sender hätte offenbar kein Problem damit gehabt, einen Protagonisten zu wählen, der antisemitische Kommentare wie Holocaustrelativierungen und zudem gezielte Desinformationen zur Coronavirus-Pandemie verbreitet hat. In der Stellungnahme des Senders zur Absage an das Format hieß es: "RTLZWEI hat sich immer von Extremismus aller Art distanziert und steht für Weltoffenheit und Toleranz." Wenn dem so ist – warum war dieses Format je etwas, das man produzieren wollte?

Mit der Ankündigung dieser Doku-Soap hat RTLZWEI sich selbst ins Abseits gestellt. Die Entschuldigung und Planänderung einen Tag später kann daran nichts ändern. Und vielleicht sollte sie das auch nicht. Der Shitstorm darf nicht einfach so schnell wieder vergessen werden. Die ursprünglichen Pläne für die Wendler-Doku haben eine neue Form der Schamlosigkeit im Reality-Fernsehen offenbart und die Skala des Niveaus nach unten geöffnet.

Hoffentlich lernen die Entscheidungsträger beim Sender wirklich etwas aus der berechtigten Kritik. Ein bitterer Beigeschmack im Zusammenhang mit dem Namen RTLZWEI wird aber bleiben – und hoffentlich als Mahnmal dafür dienen, welche Grenzen es im deutschen Fernsehen unbedingt weiterhin geben sollte.