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Viel zu spät: Michael Wendler wird aus den "DSDS"-Folge entfernt - und RTL hat den Schaden

deutschland sucht den Superstar Wendler
Michael Wendler wird aus der aktuellen "DSDS"-Staffel geschnitten - und RTL hat doppelten Schaden. Imago Images

Nach langem Hin und Her und einer Menge Kritik wird RTL nun doch Michael Wendler aus den verbleibenden Folgen von "DSDS" herausschneiden. Ein Schritt, der viel zu spät kommt.

Seit etlichen Wochen war klar, dass Michael Wendler inzwischen unberechenbar ist und auf Einsicht von ihm nicht mehr zu hoffen sein würde. Seine Äußerungen: verstörend, wirr, gefährlich.

Der Bruch zwischen RTL und Wendler war seit Anfang Oktober besiegelt. Überraschend hatte der Sänger da seinen Ausstieg aus der Jury der Castingsendung "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) verkündet, sich als Corona-Leugner und Verschwörungsanhänger präsentiert, die Bundesregierung und seinen Haussender scharf kritisiert.

RTL im "DSDS"-Dilemma

RTL distanzierte sich schon damals von den Äußerungen Wendlers und kündigte das Ende der Zusammenarbeit an. Doch was die Castingsendung DSDS anging, befand sich der Sender seit diesem Zeitpunkt in einem Dilemma. 13 Folgen mit Wendler waren bereits abgedreht worden. Der Sänger hatte mitten in der laufenden Produktion hingeschmissen und den Sender damit vor ein großes Problem gestellt.

Eher trotzig wirkte die Ankündigung von RTL, man lasse sich eine erfolgreiche Show wie DSDS nicht von einem Verschwörungstheoretiker "vermiesen". Als der Sender dann bekanntgab, dass die ersten DSDS-Folgen tatsächlich mit Wendler gezeigt werden würden, kam dies überraschend und sorgte bereits für Kritik und Unverständnis.

RTL führte dramaturgische Gründe an: Wendler herauszuschneiden wäre auch den Kandidaten gegenüber nicht fair. Dabei wäre es schon damals die beste und konsequenteste Lösung gewesen – und ein deutliches Signal.

Spätestens hier hätte RTL die Reißleine ziehen müssen

Denn während Wendler nur ganz kurzzeitig mal einzulenken schien und ankündigte, seinen Telegram-Kanal zu schließen, folgte kurz darauf wieder die Kehrtwende. Diese Entwicklung gipfelte Mitte Dezember in einem rund einstündigen Interview, das der 48-Jährige der früheren "Tagesschau"-Sprecherin Eva Herman gab – einer Schlüsselfigur der Verschwörungsszene.

In dem Gespräch, das auf Telegram und bei YouTube veröffentlicht wurde, bezeichnete Wendler den Corona-Impfstoff als "Giftspritzen". Er sprach erneut von einer "Fake-Pandemie". Zum damals beschlossenen Lockdown sagte er, es handle sich zum großen Teil um "Freiheitsentzug" – und er verstieg sich zu der Aussage: "Deutschland ist im Faschismus schon angekommen."

Wendler verhöhnte RTL sogar noch

Auch gegen RTL teilte Wendler in dem Interview aus seiner Wahlheimat USA aus, verhöhnte seinen ehemaligen Sender und dessen Umgang mit ihm bei DSDS: "Ich hätte ja wirklich nicht gedacht, dass RTL mich tatsächlich in diesem Format zeigt", sagte er mit einem süffisanten Lächeln. Und provokant bemerkte er: "Da kann man mal sehen, wie die sich winden und wenden." Das könne er nicht verstehen – "also: entweder oder!" Es sei dem Sender wohl "einfach zu teuer", ihn rauszuschneiden, freute er sich und feierte auch auf Instagram sein vermeintliches "RTL-Comeback".

Spätestens mit diesem Interview hätte RTL die Reißleine ziehen müssen. Der Sender aber ließ das Interview auf Nachfrage unkommentiert und distanzierte sich auch zum Auftakt der neuen DSDS-Staffel inhaltlich nicht vom Wendler, sondern machte stattdessen nur ein paar platte Witze auf Kosten des Jurors.

Dem Wendler eine Bühne bieten

So muss sich der Sender den Vorwurf gefallen lassen, dem Wendler trotz seiner Haltung eine Bühne in einer Unterhaltungsshow mit Millionenpublikum geboten zu haben, während der sich zeitgleich die schlimmste seiner bisherigen Entgleisungen erlaubte und eine Corona-Maßnahme der Bundesregierung mit einem Konzentrationslager verglich. Wie gewissenlos Wendler agiert, zeigt seine dreiste Behauptung, er habe mit "KZ Deutschland" "Krisenzentrum Deutschland" gemeint.

Und RTL muss sich natürlich auch den Verdacht gefallen lassen, mit dem Festhalten an Verschwörungsanhänger Wendler in der DSDS-Jury auch einen positiven Effekt auf die Quote der Show im Blick gehabt zu haben. Auch DSDS-müde Zuschauer hätte interessieren können, wie man mit dem abtrünnigen Juror in der Sendung umgehen würde.

Nach Wendlers heftig kritisiertem KZ-Vergleich und Forderungen nach Konsequenzen durch RTL betonte der Geschäftsführer des Senders, Jörg Graf, am Dienstag nun: "Wir verurteilen jegliche Form von Antisemitismus, Rassismus sowie Diskriminierung auf das Schärfste." Er fügte hinzu: "In Zeiten, in denen es darum geht, durch gesellschaftlichen Zusammenhalt, gegenseitige Rücksichtnahme und Respekt gemeinsam eine schwere Krise zu bewältigen, wird RTL mit einer Unterhaltungsshow nicht die Bühne für Menschen sein, die ihrerseits Spaltung und Verharmlosung propagieren."

RTL hätte es nach Naidoo-Eklat besser wissen müssen

Es ist bedauerlich, dass dieser Schritt erst auf massiven Druck und scharfe öffentliche Kritik zustande kam. RTL hat nun den doppelten Schaden. Denn die Nachbearbeitung der DSDS-Folgen plötzlich ganz ohne Wendler im Eiltempo wird an manchen Stellen wohl mit "sichtbaren, dramaturgischen Lücken" einhergehen, wie der Sender bereits eingeräumt hat. Das hätte man anders haben können. Und RTL hätte es nach dem Eklat um seinen – ebenfalls schon vor der Berufung in die Jury umstrittenen – Ex-Juror Xavier Naidoo vor nicht einmal einem Jahr auch besser wissen müssen.

Dieser Kommentar erschien bereits bei FOCUS.de.

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