Wohl niemals zuvor sah man so viele People of Colour (POC) in kleineren und größeren Rollen eines deutschen Primetime-Krimis wie im NDR-Beitrag "Tatort: Verborgen". Der Jubiläumsfall zum 'Zehnjährigen' von Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und seiner Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz) führte die beiden Ermittler in die 'Illegalen'-Szene Hannovers. Hier trafen sie auf Menschen, die - oft seit Jahren oder Jahrzehnten - ohne Papiere und damit ohne Rechte in Deutschland leben und arbeiten. Wer sind die Schauspielerinnen und Schauspieler, die sie verkörperten, und auf wie viele Illegale 'baut' die deutsche Wirtschaft tatsächlich?
Jubiläumsfall ist gesellschaftlich relevant
Als sein 17-jähriger Sohn Noah verschwindet, wendet sich Jon Makoni (Alois Moyo) verzweifelt an die Polizei - obwohl das für ihn und seine Frau Hope (Sheri Hagen) gefährlich werden könnte. Denn auch, wenn die Makonis seit vielen Jahren in Hannover leben und arbeiten - sie haben keine Papiere und sind damit faktisch nicht existent.
Die LKA-Ermittler Falke und Grosz befinden sich in Hannover, weil man einen jungen Schwarzen tot im Palettenkasten eines Lkw gefunden hat und man nun auf der Suche nach Schleusern ist. Wollte Noah auch auf diese Weise das Land verlassen? Falke und Grosz tauchen in eine Schattenwelt Hannovers ab - und treffen dort auf Illegale und 'Deutsche', die vom Status der Zugereisten auf unterschiedlich Weise profitieren.
Verantwortlich für den Jubiläumsfall Falkes ist ein rein weibliches Kreativ-Trio: Das Drehbuch schrieben Julia Drache ("Love Addicts") und die junge afrodeutsche Autorin Sophia Ayissi. Regie führte Neelesha Barthel ("Marry Me - Aber bitte auf Indisch"), deren Mutter Inderin ist. Ohne erhobenen Zeigefinder und angenehm frei von Pathos erzählt der "Tatort" vom Alltag und der Lebenswirklichkeit der Illegalen, in die Falke und Grosz - quasi an Stelle der Zuschauer - als unwissende Beobachter eingeführt werden.
Auch wenn der Film als Krimi von überschaubarem Spannungswert war: Das kontemplative, manchmal bittere, aber auch liebevolle Hineinschauen in eine fremde Welt, die mitten im 'legalen' Deutschland parallel existiert, war ein angenehm undidaktisches Lehrstück über deutsche Gegenwartskultur.
Hauptdarsteller hatte "eine schwere Zeit"
Alois Moyo, 56, der den suchenden Vater spielte, kam 2001 als Mitglied eines politischen Township-Theaters aus Simbabwe auf Einladung nach Deutschland. Er wollte wegen der Repressalien in seiner Heimat gegen unbequeme Künstler wie ihn in England Asyl beantragen. Moyo wurde jedoch ausgewiesen und nach Deutschland zurückgeschickt. Heute erinnert er sich: "Zu der Zeit durfte man als Geflüchteter weder arbeiten noch studieren. Man wird verrückt, wirklich. Es war eine schwere Zeit."
Zehn Jahre lang pendelte er danach zwischen Simbabwe und Deutschland mit einem Künstlervisum, das ihm jeweils einen Aufenthalt von zwölf Monaten gestattete. "Ich habe an Schulen und Kindergärten als Trommellehrer gearbeitet, kleine Theaterstücke für Kinder geschrieben und Theaterprojekte durchgeführt." Seit 2010 steht Moyo für vorwiegend deutsche Film- und Fernsehproduktionen vor der Kamera. Seit vier Jahren besitzt er einen deutschen Pass.
Sheri Hagen spielt Hope Makoni, die Ehefrau von Jon und Mutter des verschwundenen Noah. Hagen wurde 1968 in Lagos, Nigeria, geboren, wuchs in Hamburg auf und lebt schon lange in Berlin. Ihre Muttersprache ist Deutsch. Sie spielt und inszeniert Theater, ist aber - seit ihrem Debüt 1995 in der "Praxis Bülowbogen"-Folge "Alles brave Bürger hier" - sehr regelmäßig in Fernsehrollen zu sehen.
"Verborgen" ist bereits ihr sechster "Tatort". Bliebe noch Sam, der Freund des gesuchten Noah, der von Ben Andrews Rumler gespielt wird. Die Eltern des 23-jährigen Jungschauspielers kommen aus Ghana und der Elfenbeinküste. 2017 machte er sein Abitur in Berlin. Seitdem betrachtet er Schauspiel als seinen Beruf. Unter anderem war Rumler in der ARD-Fußballgeschäft-Serie "Das Netz - Spiel am Abgrund" als Salomon zu sehen.
"Tatort: Verborgen": Der Hintergrund
Menschen, die sich ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland befinden, werden offiziell als "irreguläre Migranten" bezeichnet. Ihre Zahl kann logischerweise nur geschätzt werden. Eine Schätzung, die das Pew Research Center für Deutschland veröffentlicht hat, geht von über einer Million Personen aus. Allerdings wurde diese Zahl vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DEZIM) ausdrücklich als zu hoch bezeichnet, weil sie Asylsuchende inkludiert, die in Deutschland sofort eine - vorübergehende - Aufenthaltsgestattung bekommen, sobald ihr Antrag gestellt ist.
Vermutlich sind die meisten Menschen, die in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität leben und den Behörden nicht bekannt sind, als Touristen oder zur Aufnahme eines Studiums eingereist und nach Auslaufen des Visums "unerlaubt" geblieben. Eine ältere, eher vage Schätzung der Forscherin Dita Vogel ging im Jahre 2014 von einer Zahl zwischen 180.000 und 520.000 "illegaler" Personen in Deutschland aus.
Wotan Wilke Möhring feiert Zehnjähriges
Zehn Jahre ist Wotan Wilke Möhring nun im Dienst. Von 2013 bis 2016 arbeitete er sechsmal mit Petra Schmidt-Schaller als Katharina Lorenz zusammen, danach mit Franziska Weisz als Julia Grosz. Insgesamt achtmal durfte Falke im heimischen Hamburg ermitteln, die anderen Standorte seiner LKA-Einsätze lauten von Norden nach Süden festgehalten: Langeoog ("Mord auf Langeoog"), Norderney ("Tödliche Flut"), Wilhelmshaven ("Kaltstart"), Lüneburg ("Alles was Sie sagen"), Oldenburg ("Die Feigheit des Löwen"), Rotenburg a.d. Wümme ("Böser Boden"), Hannover ("Verborgen", "Zorn Gottes"), Salzgitter ("Verbrannt") und Holzminden ("Tyrannenmord").
Das Original zu diesem Beitrag "Wie viele Illegale arbeiten tatsächlich in Deutschland?" stammt von Teleschau.
Das Original zu diesem Beitrag "Jubiläums-"Tatort" für Kommissar Falke beruht auf realen Zuständen" stammt von "Teleschau".