Zu Beginn eine klitzekleine Enttäuschung: Das "Tagesschau"-Studio kann man zurzeit nicht besichtigen. Renovierung. Doch die 30-köpfige Gruppe lässt sich dadurch nicht die Vorfreude vermiesen. Ein bisschen aufgeregt wirken sie. Denn beim Fernsehen hinter die Kulissen blicken zu dürfen, das ist auch im Jahr 2012 immer noch etwas ganz Besonderes.

Einmal täglich führt Jörn Behrens aus der Abteilung Markenkommunikation Besucher durch die Studios des NDR in Hamburg- Lokstedt. Alle öffentlich-rechtlichen Sender bieten solche Touren an - damit der Gebührenzahler einmal live besichtigen kann, wo sein monatlicher Obolus bleibt.

Die Nachfrage ist gewaltig. "Acht Wochen Wartezeit muss man beim NDR mindestens einplanen", sagt Behrens. Das ZDF in Mainz ist Mitte Februar 2012 sogar schon bis September ausgebucht.

"Huch, ich bin im Fernsehen!"

Nach einem Image-Film über den Sender geht's ins Studio 1, wo u. a. die Lokalnachrichten "Hamburg Journal" und das Medienmagazin "Zapp" produziert werden. Jetzt ist es unbenutzt, doch die Kameras laufen. "Huch, ich bin im Fernsehen!", entfährt es einer Teilnehmerin, als sie sich auf einem Monitor erblickt.

Behrens erklärt den Teleprompter und lüftet das Geheimnis, was sich hinter dem Sprechertisch verbirgt: Haarspray, Bürste, stilles Wasser. Und verschieden hohe Sitzgelegenheiten und Schemel, die dafür sorgen, dass Moderatoren und Interviewpartner vor der Kamera stets gleich groß wirken.

So voll wie jetzt ist es im Studio sonst nie. Die drei Kameras sind ferngesteuert, und das Scheinwerfer-Dickicht, das von der Decke baumelt, regelt der Computer. Am spektakulärsten finden die Besucher jedoch den High-Tech-Zauberkasten namens Blue-Screen. Wo man im Studio nur eine blaue Wand sieht, erscheinen auf dem Bildschirm auf Knopfdruck Fotos, Grafiken oder die Wetterkarte.

Als Behrens ein blaues Tuch vor das Gesicht einer Teilnehmerin hält, steht sie auf dem Monitor plötzlich kopflos da. Eine Studioführung ist immer auch Entertainment.

Dicht ran an die Stars

Wer davon mehr will, kann auch ein Saal-Ticket für eine TV-Show kaufen. In den Medienstädten Hamburg, Berlin und vor allem Köln darf man nahezu täglich bei Livesendungen oder Aufzeichnungen im Publikum sitzen - und auch dabei ganz nebenbei einen aufregenden Blick hinter die Kulissen werfen.

Der Eintritt kostet meistens kaum mehr als eine Kinokarte. Denn die Sender brauchen den Applaus und die Lacher des Studiopublikums. Dessen Laune soll auf den Zuschauer zu Hause auf dem Sofa überspringen. Das Beste am Besuch einer TV-Show: Bei kaum einer anderen Gelegenheit kommt man Stars und Promis so nahe. Denn viele Studios sind längst nicht so groß, wie sie auf dem Bildschirm wirken.

"Der Eindruck von Weite entsteht durch geschickte Lichtsetzung", erklärt Jörn Behrens seiner Besuchergruppe, als sie das für viele überraschend kleine Studio der NDR-Talkshow besichtigt. "Ist das nicht Betrug?", fragt eine Teilnehmerin. "Nein, Fernsehen ist immer auch schöner Schein", antwortet Jörn Behrens. "Und das gilt für die seriöse Sparte ebenso wie für die leichte.

Finale in der Kantine

Nach einem Blick in den Regieraum, der mit seinen Technikpulten und bunt leuchtenden Knöpfen an den Komandostand der Enterprise erinnert, geht's zum Schluss der Führung ins Studio von "Mein Nachmittag". In 15 Minuten startet die Live-Sendung. Moderatorin Kristina Lüdke geht Textkarten durch, während gleichzeitig die Maskenbildnerin ein letztes Mal Hand anlegt.

Einem Teilnehmer fällt auf, dass die beliebte TV-Frau in natura noch schlanker wirkt als auf dem Bildschirm. "Fieserweise macht die Kamera dick", erläutert Behrens." "Laut Faustregel wirkt man im Fernsehen fünf Kilo schwerer".

Nach 110 kurzweiligen Minuten ist die Führung zu Ende "Gibt es noch Fragen?", fragt Behrens in die Runde. "Ja, dürfen wir in die NDR-Kantine?" Selbstvertändlich darf man. Wenn schon nicht die "Tagesschau", dann wenigstens das Tagesgericht.

Christian Holst