Brutale Morde vor hübscher Kulisse funktionieren nicht nur im deutschen Fernsehen ziemlich gut. Auch bei unseren österreichischen Nachbarn haben Regionalkrimis Konjunktur - wobei dort bisweilen die Gegenden noch malerischer sind und die Taten noch skrupelloser daherkommen.
Bester Beleg dafür ist die beliebte "Landkrimi"-Reihe des ORF, die seit mittlerweile zehn Jahren als eine Art schauerlicher TV-Reiseführer durch die Regionen der Alpenrepublik führt. Weil das ZDF koproduziert, erhält auch das hiesige Publikum regelmäßig Einblicke in die Traditionen und Eigenheiten Österreichs. Von Film zu Film wechselt nicht nur die Region, sondern - bis auf Ausnahmen - auch das Personal. Und so feiert im aktuellen Krimi, der die Reihe zum vierten Mal ins Salzburger Land führt, abermals ein Ermittlerduo Premiere: Der traumatisierte Kommissar bekommt in der düsteren Episode "Dunkle Wasser" (Montag, 27.05., ZDF, 20:15 Uhr) eine aufstrebende Kollegin zur Seite gestellt. Gemeinsam ermitteln sie im Fall einer jungen Frau, die tot in einem See gefunden wird.
Darum geht's in "Dunkle Wasser"
Wie so oft gibt es zum Auftakt eine Leiche in sehenswerter Landschaft: Eine 17-Jährige wird aus dem Mattsee gezogen, der anders als auf der azurblauen Tourismuswerbung dunkelgrau und bedrohlich das Voralpen-Panorama bestimmt. Ermitteln soll der aus dem gleichnamigen Ort stammende Chefinspektor Rafael Dorner, der allerdings selbst so manch seelische Last zu tragen hat - und bei seinem letzten Fall kurzerhand austickte.
Ein herausragender Christoph Luser verleiht seiner Figur die bei Krimierfahrenen wohlbekannte Aura des toxisch-traumatisierten Ermittlers mit gehörigem Knacks: raucht, redet nicht, rastet aus. Kurzum: Um den Fall zu bewältigen, braucht er Hilfe. Und so stellt man ihm die aufstrebende junge Ermittlerin Alex Fink (überzeugend: Salka Weber) an die Seite, die ihren Kollegen erst neugierig, dann immer skeptischer beäugt. "Wieso sind Sie eigentlich so?", will sie an einer Stelle von ihm wissen. "Wie: 'so'?", fragt er zurück.
Dunkle Wasser: Der Fall wird persönlich
Umso nervenzehrender, dass die Sache schnell zur persönlichen Angelegenheit wird: Bei der Toten handelt es sich schließlich um die Tochter einer alten Jugendfreundin des Ermittlers, dessen Vergangenheit und Verstrickungen im Ort sich seiner außenstehenden Kollegin erst nach und nach offenbaren. Da wäre etwa der Hauptverdächtige Max Kozak (Thomas Mraz), der in seinem Plattenladen mit LPs und Drogen dealt ("Die Kids sind voll geil aufs gute alte Vinyl") - und den Dorner für den Mörder in seinem ersten Fall hält. Weil das allerdings nie bewiesen werden konnte, belassen es die beiden vorerst dabei, sich auf gut Österreichisch derb zu verfluchen. "Geh' scheißen" und "Hoid einfach die Goschn" gehören noch zu den harmloseren der nicht immer jugendfreien Beschimpfungstiraden.
Doch nicht nur Dorners eigene Vergangenheit holt ihn in dem mitreißenden Krimi bald ein, sondern auch die des Ortes. Es geht - wie sollte es anders sein - um die dunkle Nazigeschichte der Region, um die SS und die Judenverfolgung. Um jene, "die sie verjagt und umgebracht haben, damit die Nazis dort ungestört Urlaub machen können", wie ein Dorfbewohner es ausdrückt. "Was da geschehen ist, haben die Leute im dunkelsten Winkel ihres Herzens vergraben", raunt auch der ebenso alte wie geheimnisvolle Dr. Siebert (Peter Mitterrutzner) in seinen weißen Rauschebart. Die andere Seite repräsentiert die Elite des Ortes, die von den Verbrechen bisweilen profitierte: "Es ist an der Zeit, die Vergangenheit endlich ruhen zu lassen", fordert einer der reichen Nachkommen.
Landkrimi als Neo-Noir-Thriller
Während Täter und Motiv lange verborgen bleiben und die Ermittler ebenso wie die Zuschauer verschiedenen Fährten folgen ("Eifersucht ist das gängiste Tatmotiv bei Femiziden", weiß etwa die Inspektorin), überzeugt der aktuelle "Landkrimi" auch durch seine Ästhetik. Mehr Neo-Noir-Thriller als Krimi, zeichnet der Film seine Szenen zeitweise wie Gemälde; zwischen flackerndem Neonlicht und düsteren Ecken entsteht eine nicht selten horrorhaft anmutende Melange vor aufwühlendem Soundtrack. Blut, Schrecken und saftige Prügeleien: Die iranischstämmigen Brüder Arash und Arman Riahi zelebrieren ihre Regiepremiere in der Reihe überaus gewagt. Zum wiederholten Mal beweist der "Landkrimi" damit, dass ein Regionalkrimi durchaus auch unkonventionell aussehen kann.
Das Original zu diesem Beitrag "Dunkle Wasser: Besondere Ästhetik - so gut ist der Landkrimi im ZDF" stammt von "Teleschau".