Der Streamingmarkt ist riesig – und das Publikum längst wählerisch geworden. Welches Abo lohnt sich wirklich? Wofür will man monatlich tatsächlich sein Geld ausgeben? Inmitten dieser eh schon übersichtlichen Streaming-Landschaft hat sich mit Paramount+ jetzt ein weiterer Anbieter positioniert. Noch ein Streaming-Abo mehr? Da werden viele Serienfans besorgt in Richtung Geldbeutel blicken …

Allein für eine Serie lohnt es sich aber, in Paramount+ zumindest mal reinzuschnuppern. Der Anbieter hat nämlich die Serie "Yellowstone" im Programm, die bislang nur auf dem Amazon Prime Video Channel Sony AXN und bei Magenta TV ein Nischendasein fristete. Dabei ist sie in den USA längst ein Mega-Hit. Beschreiben lässt sie sich als eine moderne Neuauflage von "Dallas" oder "Der Denver-Clan", mit einem gehörigen Schuss "Game of Thrones".

"Yellowstone" mit Kevin Costner bei Paramount+: Die Handlung

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Der mit dem Pferd trabt: Kevin Costner hat in "Yellowstone" ein neues Karriere-Highlight gefunden.

Mitten im Yellowstone-Nationalpark liegt die größte zusammenhängende Ranch der USA. Sie gehört dem verwitweten John Dutton (Kevin Costner), der – milde ausgedrückt – ein knallharter Patriarch ist, der auf die Meinung anderer keinen Wert legt – vor allem dann, wenn sein Gegenüber weder weiß noch männlich ist. Notfalls mit Gewalt verteidigt er seine Ranch und seine Familie, dazu gehören seine Söhne Kayce (Luke Grimes) und Jamie (Wes Bentley), seine Tochter Beth (Kelly Reilly), seine indianische Schwiegertochter Monica (Kelsey Asbille) und sein Vorarbeiter Rip Wheeler (Cole Hauser).

Keine Frage: John Dutton ist für die heutige Zeit, was J.R. Ewing in den 80ern war. Ein ungezügelter Konservativer, der mit brutalen Mitteln sein "heiliges Land" verteidigt, ein heiliges Land, das – "Yellowstone" etabliert es schnell – den Ureinwohnern Nordamerikas einst gestohlen wurde. Doch der alte weiße John sieht sich als Opfer und denkt gar nicht daran, Kompromisse zu machen. Ob es nun um Nachfahren der indigenen Kulturen, skrupellose Geschäftsleute oder asiatische Touristen geht, die sich auf sein Land verirren: Schnell hat Dutton die Flinte in der Hand und knurrt ein lässiges "Wir sind in Amerika, hier teilt man sein Land nicht" heraus.

Die USA während und nach Trump: "Yellowstone" ist die Serie unserer Zeit

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Die Dutton-Familie aus "Yellowstone" wirkt auf den ersten Blick wie die "typische US-Family", doch das Gegenteil ist die Wahrheit.

In den USA wurde "Yellowstone" anfangs von Kritikern als "anti-woke" oder als "republikanische Propaganda" verschrien, doch sie mauserte sich zum Publikumshit. Die Vorwürfe laufen alle ins Leere, denn die Wahrheit ist: "Yellowstone" stellt sich auf oder gegen keine Seite, sondern zeigt die USA ungeschminkt so wie sie wirklich sind. Kein Großstadt-Schickimicki wie sonst so oft wird gezeigt, sondern das harte Leben in den Mittelstaaten, das Farmerleben. "Yellowstone" zeigt jene soziale Gruppe, die in den USA in den Medien oft unterrepräsentiert wird – und die aufgrund ihres Frusts mit dem, was in den Metropolen Los Angeles und New York City verhandelt wird, einst Donald Trump zum Präsidenten machten.

Hinter "Yellowstone" steht der begnadete Drehbuchautor Taylor Sheridan (verantwortlich für die Drehbücher der Filme "Sicario" und "Hell or High Water") und er hat mit dieser Serie eine große Anklage an den American Way of Life erschaffen. In Gestalt eines modernen Westerns (dem amerikanischsten aller Genres) wird die ach-so-glückliche Familie als intaktes Konstrukt offenbart, deren Strukturen sich in Angst begründen. Kevin Costner spielt den "edlen Cowboy" als nationalistischen und zutiefst republikanischen Unsympathen. Seine Kinder repräsentieren alle verschiedene US-Stereotypen, ergeben sich aber gegen die Übermacht der Costner-Figur.

Ein bemerkenswerter Fakt sei hier noch erwähnt: "Yellowstone" wurde zu Recht in den USA enorm dafür gelobt, ausschließlich tatsächliche Mitglieder von indigenen Völkern für die Rollen der Ureinwohner zu besetzen. In der US-Medienlandschaft immer noch lange keine Selbstverständlichkeit.

"Yellowstone" bei Paramount+: Längst mehr als nur eine Serie

"Yellowstone" ist ein Meisterwerk, eine komplexe und anspruchsvolle Serie, die wie die großen Seifenoper-Klassiker der 80er (etwa "Dallas" oder "Der Denver-Club") das uramerikanische Lebensgefühl in den Vordergrund stellt, dabei aber einen kritischen Blick einnimmt, der die politische Sprengkraft eines "House of Cards" oder "Game of Thrones" birgt. Man kann fast sagen: Wer das Gefühl hatte, die letzten Jahre die Entwicklungen in den USA unter und nach Donald Trump nicht mehr nachvollziehen zu können, muss "Yellowstone" sehen. Es handelt sich hier um einen gnadenlosen Seelenstriptease einer ganzen Nation.

Längst ist "Yellowstone", die in den USA bereits in Staffel 5 läuft, nicht mehr nur eine Serie. Taylor Sheridan hat bereits zwei Ableger produziert, die teils im "echten" Wilden Westen die Ursprünge der Dutton-Familie zeigen. "1883" ist hierzulande bereits exklusiv bei Paramount+ zu sehen, "1923" wird folgen – und noch einiges mehr, denn mindestens drei weitere "Yellowstone"-Projekte befinden sich in der Entwicklungsphase.

Wer sich für Western, Kevin Costner, US-Politik, das Erbe indigener Kulturen, Familienintrigen oder einfach wunderschöne Landschaftsbilder interessiert, ist bei allen "Yellowstone"-Serien gut aufgehoben – und sollte nicht mehr länger an einem Abo bei Paramount+ zweifeln.