Jeder kennt die Enttäuschung, wenn eine Serie, die man gerne gesehen hätte, bei einem Streamingdienst veröffentlicht wird, den man nicht abonniert hat. Der Streamingdschungel ist groß, überall verstecken sich Geheimtipps. Und genau das ist das Schöne an der ersten richtig großen Serie, die sich 2022 als Muss empfiehlt: Sie kann wirklich von jedem gesehen werden, denn sie ist kostenlos in der Arte-Mediathek – aber nur für begrenzte Zeit. Die Rede ist von "Vigil – Tod auf hoher See", in der ein Mord auf einem U-Boot für Hochspannung sorgt.
Vigil – Tod auf hoher See: Wovon handelt der britische Serien-Hit?
In der schottischen Hochsee bemerkt das britische Atom-U-Boot HMS Vigil bei einer Tauchfahrt, wie oben auf der Wasseroberfläche ein Fischertrawler aus unerklärlichen Gründen in die Tiefe gerissen wird. Um seine Position nicht zu verraten, beschließt der Kapitän Neil Newsome (Paterson Joseph), den ertrinkenden Fischern nicht zu helfen. Alle kommen ums Leben. Vigil-Besatzungsmitglied Craig Burke (Martin Compston), der als Einziger gegen die Entscheidung des Kapitäns protestierte, wird kurz darauf in seiner Kabine tot aufgefunden. Verdacht: eine Überdosis Heroin.
Da das U-Boot immer auf Patrouille bleiben muss, kann es keinen Hafen anlaufen. Um den Tod genauer zu untersuchen, wird die Kommissarin Amy Silva (Suranne Jones) also an Bord der Vigil geflogen. Dort findet sie schnell Anzeichen dafür, dass Burke ermordet wurde und beginnt, unter den Besatzungsmitgliedern zu ermitteln. Unterstützung hat sie auch an Land: Dort ermittelt ihre Lebensgefährtin, die Polizistin Kirsten Longacre (Rose Leslie), und entdeckt schnell, dass Burkes Tod Teil einer größeren Verschwörung ist, die bis in die Spitzen der Navy und der britischen Politik führen.
Unter Wasser: Eingesperrt mit einem Mörder
Tolle U-Boot-Geschichten gibt es en masse, man denke nur an Klassiker wie "Das Boot" oder natürlich "Jagd auf Roter Oktober". Sie alle leben von ihrem Schauplatz: Viele Meter unter dem Meer ist der Tod allgegenwärtig, nur der Stahl des U-Boots schützt die Besatzungsmitglieder vor den Wassermassen. Das Gefühl der Klaustrophobie wird in "Vigil" aber noch dadurch bestärkt, dass sich unter der Crew ein Mörder verbirgt, mit dem man zusammen an diesem Ort gefangen ist. Die Ausgangssituation von "Vigil" ist phänomenal – und sie zahlt sich schnell aus. Schon in der zweiten von insgesamt sechs Folgen à 60 Minuten nagt der Unterwasseraufenthalt spürbar an der Psyche der Figuren und Zuschauer.
Suranne Jones ist grandios in der Hauptrolle. Sie zeigt eine Frau, die im U-Boot nicht nur mit einem Mörder, sondern auch mit ihren eigenen Traumata konfrontiert wird, die in Rückblenden erzählt werden. Immer befindet sie sich auf der Schwelle zum Nervenzusammenbruch. Die Spannung liegt also nicht nur bei stark geschriebenen Tätersuche, sondern auch bei der Frage: Wird Amy an dieser Erfahrung zerbrechen?
Fantastischer Verschwörungskrimi – mit wahrem Kern
Von der ersten Szene an ist "Vigil" fantastisch inszeniert. Die ersten sechs Minuten, in denen das Fischerboot sinkt und die Männer an Deck ihrem Schicksal überlassen werden, sind ein grausamer Eröffnungsmoment – zumal er auf einem wahren Vorfall beruht. 1990 sank tatsächlich ein Trawler namens Antares vor Schottland, weil sich sein Fischernetz mit dem Atom-U-Boot HMS Trenchant verhedderte. Und das Trident-Programm, um das es in der Serie geht und zu dem die fiktive HMS Vigil gehört, ist auch echt: Es besagt, dass zur atomaren Abschreckung stets eines von vier U-Booten mit Atombomben an Bord irgendwo an unbekannter Position im Wasser bereitsteht, um Russland zu bombardieren, sollte der Feind auf die Idee kommen, die britischen Inseln anzugreifen. Ein Überbleibsel des Kalten Krieges. In Großbritannien führt dieses Programm immer wieder zu Diskussionen. Schottland ist gegen das Programm – und Trident ist deshalb einer der Kerngründe, weshalb Teile der schottischen Bevölkerung seit Jahrzehnten auf die Unabhängigkeit vom Vereinten Königreich pochen.
In Großbritannien löste die Serie, die von der BBC produziert wurde, deshalb schon im letzten Jahr rege Diskussionen aus. Sogar die Royal Navy fühlte sich genötigt, die Serie als "unrealistisch" zu bezeichnen, obwohl der Drehbuchautor Tom Edge viele reale Skandale der britischen Marine in "Vigil" abarbeitet. Hierzulande ist all das aber nur Hintergrundrauschen: Deutsche Zuschauer müssen nur wissen, dass es sich bei dieser Thrillerserie um eine meisterhafte Geschichte handelt, die mit zahlreichen cleveren Wendungen aufwartet, die zwei Handlungsebenen (zu Wasser und zu Land) hervorragend verknüpft und dabei kaum noch besser gespielt sein könnte.
Kostenlos bei Arte, aber nur für kurze Zeit
Streamen kann man diesen Serien-Genuss kostenlos, da die Serie in der Arte-Mediathek verfügbar ist. Allerdings sollten sich alle, die an "Vigil" Interesse haben, damit nicht zu viel Zeit lassen: Arte hat die Serie nur für begrenzte Zeit in der Mediathek. Schon am 18. Februar 2022 verschwinden die sechs Folgen wieder aus dem Internet. Danach ist die Serie aber immerhin nicht ganz von der Bildfläche verschwunden. Am selben Tag wird sie im Handel auf DVD und Blu-ray erscheinen.
Das ist beruhigend, da das Serienjahr 2022 mit "Vigil – Tod auf hoher See" ein frühes erstes Highlight zu bieten hat, welches sicherlich im Dezember in einigen Bestenlisten auftauchen wird. Und wer alle sechs Folgen spitzenmäßig findet, kann sich schon mal freuen: Staffel 2 kommt, sie ist in Großbritannien bereits in Arbeit.