Achtung, es folgen Spoiler zur vierten Staffel "Tote Mädchen lügen nicht" bei Netflix!

Die Netflix-Serie "Tote Mädchen lügen nicht" ist mit Erscheinen der vierten Staffel am 5. Juni 2020 endgültig zu Ende gegangen, eine fünfte Season wird es aus bestimmten Gründen nicht geben. Auch die finale Runde sorgt für jede Menge Gesprächsstoff und verschiedene Meinungen, wobei der Autor dieser Zeilen die Serie insgesamt misslungen findet.

Trotzdem gibt es einige Momente, die haften bleiben – allen voran die sechste Episode "Donnerstag". In der kommt es nämlich zu einem vermeintlichen Amoklauf an der Schule von Clay Jensen (Dylan Minnette) und seinen Freunden, der sich aber im Nachhinein als reiner Testlauf für den Ernstfall entpuppt. Eine ziemlich verrückte Idee, fallen doch sogar falsche Schüsse und laufen Sicherheitsbeamte als Täter verkleidet durch die Flure. Der seelische Schaden ist angerichtet, so auch in der Realität, denn derlei Übungen werden in den USA tatsächlich so durchgeführt. Doch die wahren Probleme, die in dieser und auch anderen Episoden der vierten Staffel geschildert werden, hören da noch lange nicht auf.

Bildung wird für Sicherheit geopfert

In den USA ist schon vor Jahren im Zuge verschiedener Schießereien eine regelrechte Industrie entstanden, die sich auf den Verkauf und die Vermittlung von Sicherheitsmaßnahmen für Schulen spezialisiert hat. Darunter fallen dann auch Übungen, wie sie eben bei "Tote Mädchen lügen nicht" gezeigt werden. Doch das ist längst noch nicht alles, wie in einem Artikel des US-Magazins The Nation von 2016 ausgeführt wird. Überwachungskameras, die das Geschehen direkt aus dem Klassenzimmer auf eine Monitorwand übertragen, hohe Mauern und Zäune sind nur einige Beispiele, die an US-Schulen vorkommen. An einer Beispielschule tragen die Lehrer Panikknöpfe um den Hals, die nach ihrer Betätigung sofort einen Alarm auslösen. Polizeibeamte können wiederum aus sicherer Entfernung Rauchbomben und ohrenbetäubende Sirenen auslösen.

Das sind nur einige Möglichkeiten, mit denen sich US-Schulen gegen einen möglichen Amoklauf wappnen und die beizeiten eben jene verletzen können, denen sie eigentlich helfen sollen. Und das nicht nur, weil sie Kinder und Jugendliche zutiefst ängstigen, sondern auch weil sie dafür sorgen, dass an ihrer Bildung gespart wird. Derlei Sicherheitsvorkehrungen sind nämlich teuer: Dem Bericht nach gaben 2014 Schulen bis zu 768 Millionen US-Dollar für ihre Sicherheit aus und damals wurde geschätzt, dass sich diese Summe bis 2016 auf über 900 Millionen erhöhen könnte. Immense Summen sind das, die investiert wurden, während lokale wie landesweite Budgetkürzungen Bildungsmöglichkeiten reduzierten.

Denn dieses Geld fehlt eben an anderer Stelle – Lehrergehälter stagnieren, Materialien können nicht zur Verfügung gestellt werden oder müssen von den Eltern der Kinder gekauft werden, die, ironischerweise, den Einsatz eben jener Maßnahmen überhaupt öffentlich einfordern. Bei einer Schule in Kalifornien wurde die Errichtung eines Zauns für 1,6 Millionen US-Dollar gefordert – der Superintendant ging aber nicht darauf ein, da beispielsweise die Lehrer seit fünf Jahren keine Gehaltserhöhung mehr bekommen hatten.

Tote Mädchen lügen nicht: Die Wahrheit hinter "Gordon Lightfoot"

Ein weiterer Aspekt dieses Sicherheits- und Überwachungswahns soll noch extra erwähnt werden: In mehreren Episoden der vierten Staffel "Tote Mädchen lügen nicht" wird zunächst angedeutet, dass die Eltern der Teenies heimlich ihren digitalen Nachrichtenverkehr überwachen und all ihre Bewegungen im Blick behalten. Später wird das bestätigt und schon zuvor implementieren Clay und seine Freunde den Code "Gordon Lightfoot", um sich trotzdem zu verständigen – die Geheimformel wird aber dann von seinen unwissenden Eltern aufgegriffen, die glauben, die Kids wären lediglich Fans des Musikers Gordon Lightfood, wodurch sie sich verraten.

Die totale Überwachung durch die Eltern klingt nach Science-Fiction, ist aber auch wahr. Wie The Nation ebenfalls erwähnt, wurde zum Beispiel vor einigen Jahren in New York beim Start-up Digital Fly daran gearbeitet, alle Interaktionen auf Social Media innerhalb eines gewünschten Radius Mitarbeitern von Schulen direkt zur Verfügung zu stellen. Auf die Weise sollten mögliche Amokläufer, fiese oder suizidgefährdete Schüler frühzeitig erkannt werden. Das Thema wurde also offenbar bei "Tote Mädchen lügen nicht" aufgegriffen, denn auch in der Serie wurde den Eltern eine neuartige App vorgestellt, mit der sie ihre Sprösslinge kontrollieren können.

Die vierte und letzte Staffel "Tote Mädchen lügen nicht" ist ab sofort bei Netflix zu sehen. Hier ist der Trailer: