Große Worte hatte Norman Reedus kurz vor dem diesjährigen Staffelfinale gewählt und ein visuell einmaliges Finale für die neunte Staffel versprochen. Wer dabei auf große Actionszenen, wilde Schießereien oder einen großen Rachefeldzug gegen Alpha (Samantha Morton) hoffte, der wird vom Finale enttäuscht gewesen sein. Showrunnerin Angela Kang bringt diese Zombie-Saison ganz anders zu Ende als wir es von der Serie gewohnt sind. In einem fast schon betont ruhigen Schluss müssen Daryl (Norman Reedus), Michonne (Danai Gurira) und die anderen mit den schockierenden Ereignissen der letzten Woche abschließen, bei denen zehn Charaktere ihr Leben und ihren Kopf verloren.

Zwei Frauen haben dabei insbesondere mit dem Tod von Henry (Matt Lintz) zu kämpfen, doch bilden aus ihrem Schmerz eine unverhoffte Allianz. Seine Mutter Carol (Melissa McBride) kann die von ihrem Liebeskummer geplagte Lydia (Cassady McClincy) gerade noch so davon abhalten, Suizid durch einen Zombie zu begehen und mausert sich zur Mentorin der durch ihre Mutter verstörten Jugendlichen. Und auch die anderen müssen versuchen, die Hoffnung trotz der vernichtenden Aktion der Whisperer nicht zu verlieren und dabei am Leben zu bleiben. Denn wie die letzten Sekunden der Vorwoche und einige Vorab-Bilder bereits ankündigten, schneit es diese Woche zum ersten Mal in "The Walking Dead".

Verloren in der Kälte

Was der Serie hier herausragend gelingt ist es, den Schnee als Bedrohung und Grund zur Freude zu inszenieren. Wenn die Hilltop-Gruppe etwa Negan (Jeffrey Dean Morgan) aus seiner Zelle befreien muss, um ihn vor dem Kältetod zu retten, fühlt sich das ebenso real an wie ein herzerwärmender Moment, in dem Judith (Cailey Fleming) und Daryl sich mit Schneebällen bewerfen. Die Serie ist in dieser Staffel einen weiten Weg gegangen. Nach den teils desaströsen Reaktionen auf die vergurkte achte Staffel musste sich "The Walking Dead" seine Zuschauer zurückerkämpfen – und das, obwohl mit Rick (Andrew Lincoln) schon nach wenigen Folgen die Hauptfigur aus der Serie ausschied, zumindest vorläufig.

Doch Angela Kang hat es geschafft und uns diese Figuren wieder nahegebracht. Obwohl im Finale nicht viel passiert, und sämtliche Theorien über eine Racheaktion gegen die Whisperer ins Leere laufen, fühlen wir mit den Charakteren, ihren Schmerz, ihren Verlust. Wenn Ezekiel (Khary Payton) verzweifelt erst Daryl und dann Lydia für die Katastrophe beschuldigt, ist es eine herzzerreißende Szene – und das "The Walking Dead" überhaupt wieder solche Folgen abliefern kann, spricht für die unglaubliche Qualität, die Staffel 9 insbesondere in der zweiten Hälfte abgeliefert hat. Da kann man es sich dann auch leisten, im Finale zu rekapitulieren und die Figuren in den Mittelpunkt zu stellen, sie ihren Schmerz verarbeiten zu lassen. Der wahre Krieg kommt noch: Im Herbst, wenn "The Walking Dead" wieder auf Sendung geht.

Zwei abschließende Gedanken:

1. Negan scheint immer mehr als Sympathieträger aufgebaut zu werden und sich langsam zum Good Guy zu wandeln. Das würde seiner Entwicklung in den Comics entsprechen und verspricht Potenzial für Darsteller Jeffrey Dean Morgan in kommenden Folgen.

2. Warum diese großen Versprechungen von Norman Reedus vorab, die die Folge spektakulärer machten als sie eigentlich war? Solche Vorankündigungen sorgen eher für Enttäuschung als sonst etwas zu leisten. Das hätte man besser lösen können, Daryl…