Ich bin ganz ehrlich: Wenn ich "The Walking Dead" noch aus einem Grund schaue, dann liegt das längst nicht mehr an den Autoren oder den Geschichten, sondern an den Figuren – und einer hat es mir da seit Jahren besonders angetan: Negan. Als Jeffrey Dean Morgan am Ende der sechsten Staffel zum ersten Mal seinen Baseballschläger Lucille schwang und sowohl Abraham (Michael Cudlitz) als auch Glenn (Steven Yeun) die Birne zermatschte, stand für mich fest: Ich will mehr von dem diabolischen Soziopathen.

Doch seit Staffel 9 haben Showrunnerin Angela Kang und Jeffrey Dean Morgan gewissermaßen neu erfunden: Negan wurde von Rick (Andrew Lincoln) gestellt, seine Saviors zerschlagen und Negan jahrelang inhaftiert. Er wurde entmystifiziert, geschwächt und zeigte im Umgang mit der kleinen Judith (Cailey Fleming) sogar Empathie. Diese Woche lassen die Serienmacher Negan endlich wieder vom Haken – und sorgen für meine persönliche Highlight-Folge seit langer Zeit

Negan und Brandon

Achtung SPOILER zur Folge "Diebstahl und Lügen" (What It Always Is)!

Aus dem Gefängnis entkommen, streift Negan von Alexandria davon. Begleitung findet er im jungen Brandon (Blaine Kern III), der sich als Fan entpuppt. Sein Vater wurde als Mitglied der Saviors von Rick ermordet, seitdem hat Brandon das Erbe Negans hochgehalten – im wörtlichen Sinne: Stolz präsentiert er Negan dessen alte Lederjacke und seine Waffe Lucille - allerdings nur eine Nachbildung des mit Stacheldraht umwickelten Baseballschlägers. Negan muss bei diesem Anblick schlucken. Für ihn sind diese Utensilien Überbleibsel eines alten Lebens. Und Brandon bietet ihm nun die Chance, in dieses zurückzukehren.

Doch natürlich kommt es dramatisch anders: Negan begegnet einer Frau und ihrem Sohn, die von Walkern attackiert werden. Brandon reagiert, wie Negan einst reagiert hätte: Er will beide erledigen und ihre Vorräte plündern. Doch der Ex-Psycho beweist seine neue Menschlichkeit, rettet die zwei und erklärt ihnen, wie sie nach Alexandria kommen. Als er sich jedoch kurz von den beiden entfernt, um die Landschaft zu erkunden, schlägt Brandon doch noch zu – und ermordet beide ohne mit der Wimper zu zucken. Negan rastet aus, greift nach einem Stein und schlägt seinen Bewunderer tot. Ist damit die Rückkehr in sein Altes selbst besiegelt? Wir werden es abwarten müssen – Lucille und die Jacke nimmt er jedenfalls an sich.

Angriff auf die Natur

Im Kingdom ist die Sorge derweil groß: König Ezekiel (Khary Payton) leidet nach wie vor an schwerem Husten und eröffnet im Geheimen, dass seine Familie eine lange Vergangenheit mit Schilddrüsenkrebs hat. Gerade erst hatte er zum ersten Mal Gefühle für Michonne (Danai Gurira) angedeutet. Bei mir erhärtet sich da ein Verdacht: Könnte deren Liebe jetzt schon verloren sein?

Ein anderer Verdacht bestätigt sich hingegen: Der umgefallene Baum in Hilltop war wirklich das Werk der Whisperer – und Alpha (Samantha Morton) hat schon ein neues Ziel: Mit Zombiegedärmen bewaffnet verseucht Gamma (Thora Birch) das Wasser in einem naheliegenden Bach, um Psychoterror unter den Überlebenden zu verbreiten.

Doch all das rückt diese Woche in den Hintergrund, denn es ist beinahe ausschließlich die schauspielerisch wieder einmal grandiose Leistung von Jeffrey Dean Morgan, wegen der sich hier das Einschalten lohnt. Was genau die Autoren mit ihm vorhaben, auch im Hinblick auf die Comicvorlagen, steht in den Sternen, doch verspricht es einige große Momente, die "The Walking Dead" auch nach zehn Jahren immer noch draufhat.

Erneut mit Lucille ausgestattet, trifft der unberechenbare Akteur nun direkt auf die Whisperer in Gestalt von Beta (Ryan Hurst) – doch worauf deren Konfrontation hinausläuft, erfahren wir (zum Glück) erst nächste Woche!