Auf insgesamt elf Staffeln kam "The Walking Dead", eine Serie, die – daran besteht kein Zweifel – die 2010er im Fernsehen entscheidend mitgeprägt hat und seit ihren Anfängen stets als Standard für neue Horrorserien geltend gemacht wird. Zwei Ableger brachte sie während ihrer eigenen Laufzeit hervor: "Fear the Walking Dead" erzählt in acht Staffeln die Ursprünge der Untoten-Durchseuchung, während "The Walking Dead: World Beyond" in zwei kurzen Staffeln jugendliche Hauptfiguren mitten im Niemandsland der Apokalypse ins Zentrum stellt.

Jetzt ist Serie Nr. 4 aus dieser Welt veröffentlicht worden: "Tales of the Walking Dead". Deutsche Zuschauer können sich die erstaunlich kurze erste Staffel, die aus nur sechs Episoden besteht, bei Magenta TV ansehen. Es lohnt sich für Fans allein deshalb, weil "Tales of the Walking Dead" Experimente eingeht, wie es sich keines der anderen drei Formate je getraut hätte.

Tales of the Walking Dead: Jede Folge anders, aber immer schräg

AMC

"Tales of the Walking Dead" gibt es bei Magenta TV.

Bei "Tales of the Walking Dead" handelt es sich um eine Anthologie nach dem Vorbild von "Black Mirror" oder dem sehr ähnlichen "American Horror Stories". Was bedeutet das? Die sechs Episoden des Ablegers hängen inhaltlich nicht zusammen, jede Folge erzählt eine alleinstehende Geschichte mit anderen Figuren. Man kann diese Serie also auch als Ansammlung von sechs 45-minütigen Kurzfilmen sehen, die im "The Walking Dead"-Universum spielen, aber für die man keinerlei Vorwissen benötigt.

Und dieses Format ermöglicht "Tales of the Walking Dead" vieles auszuprobieren, was die Mutterserie nie hätte tun können. So ist die zweite Folge etwa als Zeitschleife erzählt, so wie "Und täglich grüßt das Murmeltier", und fällt damit glasklar in das Komödiengenre. Eine andere Episode nimmt ein Geisterhaus in den Fokus und zeigt quasi "Ghostbusters" inmitten einer Zombiedystopie. "Tales of the Walking Dead" erlaubt sich, schräg zu sein und liefert nie das, was Fans der wandelnden Toten erwarten würden.

Tolles Konzept, aber ist "Tales of the Walking Dead" wirklich gut?

Nur eine Episode aus "Tales of the Walking Dead" hat einen direkten Bezug zur Originalserie – in dieser taucht nämlich Samantha Morton auf und spielt erneut ihren Charakter der Alpha. Allerdings nennt sie sich hier noch nicht Alpha, denn die Episode erzählt die Vorgeschichte der Flüsterer-Anführerin. In den restlichen Episoden treten Stars wie Terry Crews ("Brooklyn Nine-Nine"), Olivia Munn ("X-Men: Apocalypse"), Danny Ramirez ("Top Gun: Maverick") oder Jessie T. Usher ("The Boys") und viele mehr auf.

Nur ein Problem hat das Format: Es ist leider nicht wirklich gut. Es mag ehrenhaft sein, mit dem Anthologie-Konzept die etwas in Routine verfallene "The Walking Dead"-Welt aufbrechen zu wollen, doch es hapert an guten Drehbüchern. Nur selten werden die Charaktere vernünftig herausgearbeitet, und selbst die schrägsten Episoden funktionieren nur eingeschränkt. So witzig die Idee einer Zeitschleife im "Walking Dead"-Kosmos auch sein mag: In der Umsetzung bleiben nur ein paar müde Lacher und viel Achselzucken. Und selbst die Folge zu den Hintergründen von Alpha zeigt nur in vorhersehbarer Abfolge genau das, was sich Kenner der Originalserie längst selbst zusammenreimen konnten.

Da es sich nur um sechs Folgen handelt, können Fans ruhig einen Blick riskieren – aber letztlich ist "Tales of the Walking Dead" nur ein Snack für zwischendurch, bis demnächst drei weitere Ableger starten, die alle als direkte Fortsetzung zur Mutterserie fungieren werden. In einer davon stehen Negan und Maggie im Fokus, eine weitere zeigt die Zukunft von Rick und Michonne, während ein drittes Format sich Daryl Dixon widmen wird.