Einmal im Jahr wird bei den Oscars ein Film als Bester Film des Jahres gekürt. Natürlich können sie aber nicht immer vorhersagen, welche Filme wirklich ins kollektive Gedächtnis der Popkultur eingehen. Und nicht immer lässt sich die Wahl im Nachhinein noch tatsächlich nachvollziehen. Natürlich ist das ein hoch subjektives Thema, aber einige Entscheidungen wirken im Rückblick einfach wahnsinnig merkwürdig oder gleich ganz daneben.
Unser Autor hat sich 10 Jahre rausgesucht, in denen seiner Ansicht nach der Oscar für den ‚Besten Film‘ glasklar an den falschen Film gegangen ist – und verrät, wer der bessere Sieger gewesen wäre.
Forrest Gump
Das Oscar-Drama "Forrest Gump", vielleicht bis heute der bekannteste Film mit Tom Hanks, ist weiß Gott keine schlechte Geschichte, sondern eine amüsante Zeitreise durch die US-Historie. Doch der Oscar in der Hauptkategorie ist heute durchaus fraglich. Die Liebesstory zwischen Forrest Gump und Jenny Curran etwa ist schon nach damaligen Maßstäben nicht unproblematisch.
Schmerzen tut aber zu sehen, gegen welche Filme aus dem Jahr 1994 "Forrest Gump" triumphierte. In der Kategorie war nämlich auch noch "Die Verurteilten" nominiert, der bei der IMDB als Bester Film aller Zeiten gilt. Noch mehr verdient hätte es aber ein weiterer Nominierter: das kultige Gangsterfilm-Meisterwerk "Pulp Fiction" vom damals noch jungen Filmemacher Quentin Tarantino. Außerdem nominiert: "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" und "Quiz Show".
Shakespeare in Love
Schon damals wunderten sich viele, als "Shakespeare in Love" den wichtigsten Goldjungen gewann. Der seichte Liebesfilm um eine fiktive Romanze, durch die William Shakespeare zu "Romeo & Julia" inspiriert wurde, ist süß und exzellent besetzt, doch eigentlich hatte 1998 jeder fest damit gerechnet, dass der Kriegsfilm "Der Soldat James Ryan" das Rennen machen wird. Bis heute gilt "Shakespeare in Love" daher als einer der kontroversesten Sieger.
Der beste Film unter den Nominierten wäre aber ein anderer Kriegsfilm gewesen: Die Jury hatte das komplexe Epos "Der schmale Grat" mit im Rennen, in dem Terrence Malick eine surreale, ergreifende Geschichte während der Schlacht um Guadalcanal visuell herausragend aufbereitete. Außerdem nominiert: "Elizabeth" und "Das Leben ist schön".
L.A. Crash
Eigentlich führte 2005 kein Weg an "Brokeback Mountain" vorbei. Die Lebensgeschichte zweier homosexueller Cowboys hatte in den USA für begeisterte Kritiker gesorgt und wurde konsequent mit Preisen überhäuft. Ein Sieg des Films stand schon vor der Verleihung in den Augen aller Experten fest. Doch dann gewann völlig überraschend der größte Außenseiter unter den fünf nominierten Filmen: "L.A. Crash".
Selbst die Macher des Episodenfilm-Dramas um Rassismus wirkten verblüfft, als sie aufgerufen wurden. Der renommierte Filmkritiker Scott Foundas nannte ihn gar den "schlechtesten Film des Jahres". Einen üblen Beigeschmack hatte die Auszeichnung auch, als Gerüchte aufkamen, die Jury habe "Brokeback Mountain" nur wegen seiner Darstellung von Homosexualität nicht gewinnen lassen. Der würdige Sieger wäre er zweifellos gewesen. Außerdem nominiert: "München", "Capote" und "Good Night, and Good Luck".
Schlagende Wetter
Natürlich ist das Familiendrama "Schlagende Wetter" vom legendären Hollywood-Regisseur John Ford ein toller Film, und selbst heute noch eine Wucht. Aber das ausgerechnet dies der beste Film von 1941 sein soll, ist schon arg konfus, denn damals waren noch zwei andere Filme nominiert, die heute als zwei der größten und besten Filme aller Zeiten gelten: der Noir-Krimi "Die Spur des Falken" und die epische Mediensatire "Citizen Kane". "Schlagende Wetter" ist dagegen heute längst vergessen.
"Citizen Kane" hätte den Oscar gewinnen müssen, aber selbst nominierte Filme wie "Die Spur des Falken", das Soldatenporträt "Sergeant York" oder gar "Verdacht" von Alfred Hitchcock wären bessere Sieger gewesen. Außerdem nominiert: "Mit einem Fuß im Himmel", "Blüten im Staub", "Die kleinen Füchse", "Das goldene Tor" und "Urlaub vom Himmel".
Miss Daisy und ihr Chauffeur
Eine Auszeichnung, die heute nur noch peinlich ist: Die Tragikomödie "Miss Daisy und ihr Chauffeur" mit dem natürlich wunderbaren Morgan Freeman als Chauffeur einer exzentrischen Witwe ist sicher ganz herzlich, und wie die alte Frau durch ihren schwarzen Fahrer ihren eigenen Rassismus überwindet und er als Analphabet durch sie das Lesen lernt, ist eine süße Botschaft. Doch die Auszeichnung des hoffnungslos naiven Films sollte damals wohl vor allem ein Anti-Rassismus-Statement setzen. Dabei war der hier thematisch mutigere und tatsächlich von einem schwarzen Filmemacher gedrehte "Do the Right Thing" in der Hauptkategorie nicht mal nominiert.
Selbst unter den ‚Bester Film‘-Nominierten aus 1989 hätte es mit "Geboren am 4. Juli" einen definitiv würdigeren Sieger gegeben. Das biografische Drama mit einem sensationellen Tom Cruise gehört zu den besten Hollywood-Beiträgen zum Vietnamkrieg. Außerdem nominiert: "Der Club der toten Dichter", "Feld der Träume" und "Mein linker Fuß".
Jenseits von Afrika
Zwei weiße Menschen verlieben sich im Kolonial-Afrika der 1910er und erleben mehrere rührende Abenteuer zusammen. Klar: Edel-Mimen wie Meryl Streep und Robert Redford schaut man gerne beim Turteln zu, auch Klaus Maria Brandauer ist überragend. Aber hat je ein so mittelmäßiger Film wie "Jenseits von Afrika" den Hauptoscar gewonnen? Und ist es nicht ganz schön bedenklich, dass ein solcher Film, der sich kaum für das Schicksal der unterdrückten Afrikaner interessiert, gegen den ebenfalls nominierten "Die Farbe Lila" gewann, in dem die Geschichte einer Sklavin aus der Südstaatenzeit erzählt wird?
Der Film von Steven Spielberg hätte den Sieg definitiv mehr verdient, doch die größte Schande des Jahres ist noch eine andere: "Zurück in die Zukunft" war in dieser Kategorie nicht einmal nominiert. Unter den nominierten Filmen von 1985 wäre der beste Kandidat wohl "Der einzige Zeuge" gewesen, ein fantastischer Krimi, der einen Ermittler (gespielt von Harrison Ford) in ein Amisch-Dorf führt. Außerdem nominiert: "Die Ehre der Prizzis" und "Kuss der Spinnenfrau".
A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn
Und wieder ein Siegerfilm, bei dem im Nachhinein nur verwundern kann, dass nicht ein anderer nominierter gewonnen hat. "A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn", ein biografisches Drama, in dem Russell Crowe das Mathematikgenie John Forbes Nash Jr. hervorragend spielt, ist toll, emotional und anrührend. Keine Frage. Aber welcher Film von 2001 war damals noch nominiert? Genau: "Der Herr der Ringe – Die Gefährten".
Wie es dazu kommen konnte, dass in diesem Jahr irgendein anderer Film gewann, lässt sich heute nicht mehr erklären. Den Hauptoscar bekam die Trilogie erst zwei Jahre später für das große Finale "Die Rückkehr des Königs" überreicht. Wahre Fans wissen aber, dass der erste Teil auch hier wie so oft der Beste ist. Außerdem nominiert: "In the Bedroom", "Moulin Rouge" und "Gosford Park".
Die Stunde des Siegers
"Rocky" gewann bei den Oscars einst gegen "Taxi Driver", für viele bis heute ein Streitpunkt. Doch sehr viel schlimmer war es einige Jahre später, als der Beste Film 1981 laut den Oscars das Sportdrama "Die Stunde des Siegers" sein sollte. Ein netter Film, dessen Musik von Vangelis sicher legendär geworden ist, aber auch eine reichlich naive Macho-Veranstaltung, die ein Hohelied auf die Leistung männlicher Körper singt.
Es hätte damals nur einen Siegerfilm geben dürfen, erst recht in der Retrospektive: "Jäger des verlorenen Schatzes". Steven Spielberg hatte schon mit "Der weiße Hai" gegen "Einer flog über das Kuckucksnest" verloren, hier hätte er fällig sein müssen. Doch die Jury verpasste die Chance, einen der beliebtesten Filme der Geschichte verdient auszuzeichnen. Außerdem nominiert: "Reds", "Am goldenen See" und "Atlantic City, USA".
Übrigens: Auch das Folgejahr wäre ein guter Kandidat für diese Liste gewesen, denn erneut verlor ein Spielberg-Meisterwerk ("E.T. – Der Außerirdische") gegen einen netten Film, der heute aber niemanden mehr interessiert ("Gandhi").
The King's Speech
2010 war ein bärenstarkes Filmjahr. Der Animationsfilm "Toy Story 3" bekam eine verdiente Nominierung in der ‚Bester Film‘-Sparte, das gruselige Ballett-Drama "Black Swan" lieferte großes Schauspielkino und "Inception" sprengte das Actionkino in alle Richtungen auf. Und welcher Film bekam die begehrte goldenen Statue? "The King's Speech" – ein klassischer, ordentlich gespielter, aber auch arg gewöhnlicher biografischer Film um die Sprachprobleme von König Georg VI.
Jeder andere der 10 nominierten Filme wäre als Siegerfilm besser gewesen als "The King's Speech". Am allermeisten hätte es aber wohl "The Social Network" verdient. Die brillant geschriebene Aufarbeitung des Justizkonflikts, den die Gründung von Facebook für Mark Zuckerberg nach sich zog, war visionär, aufregend und ein Überraschungserfolg. Außerdem nominiert: "127 Hours", "The Fighter", "The Kids Are All Right", "True Grit" und "Winter's Bone".
Oliver!
Musicals gewinnen häufig bei den Oscars in der Hauptkategorie. Ein Beispiel dafür ist "Oliver!", eine Singsang-Variation des Literaturklassikers "Oliver Twist". Richtig gut ist der Film nicht und ein Blick auf die nominierten Kandidaten aus 1968 verrät schnell, wer der passendere Gewinner gewesen wäre: Die Theaterstück-Verfilmung "Der Löwe im Winter", die opulente Schauplätze, knackige Dialogzeilen und eine tolle Besetzung (u.a. Anthony Hopkins, Katharine Hepburn, Peter O'Toole & Timothy Dalton) zu bieten hat.
Doch dieses Jahr war das wohl schwärzeste der Oscar-Geschichte. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: "Spiel mir das Lied vom Tod", "2001: Odyssee im Weltraum", "Bullitt", "Rosemaries Baby" und "Thomas Crown ist nicht zu fassen" kamen alle 1968 ins Kino – und keiner von ihnen wurde als ‚Bester Film' nominiert. Wahrlich ein Skandal. Liebe Jury: Was war da los? Stattdessen nominiert: "Funny Girl", "Romeo und Julia" und "Die Liebe eines Sommers".