Es mutet schon witzig an, dass ausgerechnet ein Film wie "Die totale Erinnerung – Total Recall", der von implantierten Erinnerungen bzw. in den Kopf operierten Erlebnissen handelt, gleich zweimal dem Kino-Publikum vorgesetzt wurde. Basierend auf der Kurzgeschichte "Erinnerungen en gros" von Philip K. Dick wagte sich erst Skandalregisseur Paul Verhoeven an den Plot, ehe 22 Jahre später dann Ex-Musikvideo-Filmer Len Wiseman ein Remake in die Hand nahm.
Die erste Verfilmung erregte damals vor allem durch Hauptdarsteller Arnold Schwarzenegger Aufmerksamkeit und wurde ein beachtlicher Erfolg. Allerdings konnte sich auch das Remake ordentlich behaupten, legte aber bei Kritiken eine Bruchlandung hin. Wenn man die zwei Filme direkt miteinander vergleicht, wird schnell klar, warum. Das Original ist dem Remake in vielen Punkten überlegen – aber nicht in allen.
Action-Kult schlägt moderne Computereffekte
Anfang der 1990er befand sich das Action-Kino in Hollywood in einer Umbruchphase. Erstmals wurden in Filmen wie "The Abyss" digitale Computereffekte eingesetzt, um die Arbeit von Kulissenbauern und Maskenbildnern zu erleichtern bzw. zu ersetzen. 1991 erschien mit "Terminator II – Tag der Abrechnung" der erste große Blockbuster, der eine Figur innehatte, die gänzlich aus dem Computer generiert wurde. Rückblickend wirkt "Die totale Erinnerung – Total Recall" da beinahe anachronistisch: Paul Verhoeven setzt gänzlich auf altbewährte Tricktechniken, um eine aufwendige Sci-Fi-Welt zu designen. Sogar auf dem Mars spielt ein Teil seines Films, wofür komplexe Miniatur-Bauten erstellt wurden. Für die berüchtigten harten Gewaltszenen kamen echtes Filmblut zum Einsatz, und beeindruckende künstliche Gesichter und Körper wurden verwendet, um "in echt" entstellt und zerschossen werden zu können.
Mit der Detailverliebtheit und der unweigerlich starken Authentizität der größtenteils echten Bilder im 1990er Film kann die Neuverfilmung nicht mithalten. Len Wiseman, der zuvor bereits bei "Underworld" oder "Stirb langsam 4.0" auf digitale Tricks setzte, filmte seinen "Total Recall" als Kind der 2010er: Dementsprechend sind die Sci-Fi-Welten ganz am Computer entstanden, die ausartenden Actionszenen nicht mehr als eine Abfolge von Nullen und Einsen. Dagegen ist grundsätzlich nichts zu sagen und für jede Version von Effekten gibt es eine Zeit. Doch was Design und Einprägsamkeit angeht, schuf Verhoeven grandiose Bilder, die bis heute im kollektiven Gedächtnis verankert sind. Das Remake hingegen unterscheidet sich optisch kaum von anderen Sci-Fi-Filmen wie "Oblivion" oder dem Superhelden-Blockbuster "Captain Marvel". Dieser Punkt geht an das Original.
Neue Ideen triumphieren über müde Kopien
Beide "Total Recall"-Verfilmungen behandeln denselben Basis-Plot: Ein Mann will sich künstliche Erinnerungen implantieren lassen, wobei entdeckt wird, dass er bereits implantierte Erinnerungen besitzt. Es stellt sich heraus, dass er ein ehemaliger Geheimagent ist, der nichts mehr von seinem früheren Leben weiß und in einer Scheinwelt lebt, um seinen Gegnern nicht gefährlich werden zu können. Obwohl dieses Konzept zwar beide Filme übernehmen, entfernen sie sich doch deutlich von Philip K. Dick und seiner Kurzgeschichte: Douglas Quaid, die Hauptfigur, reist im Verhoeven-Film unter anderem auf den Mars, was bei Dick so nicht geschieht. Auch änderte man 1990 das Ende enorm: Während bei Dick klar wird, dass die Geschichte real stattgefunden hat, stellt sich am Ende des Arnie-Films die Frage, ob nicht alle Geschehnisse nur ein Traum waren, die Teil der implantierten Erinnerungen sind. So bekam der Actionfilm eine philosophische Note.
Derartige Eigenständigkeiten lassen im Remake auf sich warten. Quaid bleibt dieses Mal auf der Erde und fliegt nicht zum Mars, auch das Ende ist eindeutiger. Für Literaturfans ist das natürlich eine schöne Sache. Gleichzeitig konnte Wiseman sich aber nicht entscheiden, wie sehr er sich an Philip K. Dick und wie sehr an Paul Verhoeven orientieren will. Im Original gibt es beispielsweise eine berühmte Szene mit einer Frau, die über drei Brüste verfügt – und die exakt von Wiseman in der Neuverfilmung zitiert wird. Während diese aber im schrägen, bewusst trashig-inszenierten Verhoeven-Film stilistisch passt, wirkt sie im bierernsten, futuristischen 2012er-Remake vollkommen deplatziert. Auch der Look, der 1990 eine starke Eigenständigkeit aufwies, ist hier bewusst an "Blade Runner" angelehnt worden, was die erschaffene Welt leider an Atmosphäre und Alleinstellungsmerkmal beraubt. Ein weiterer Punkt, den sich das Original verdient hat.
Lieber coole Sprüche als bierernste Ödnis
"Die totale Erinnerung – Total Recall" ist ein Film von Paul Verhoeven, aber es ist vor allem ein Film mit Arnold Schwarzenegger. Und als solcher herrscht ein gewisser Tonfall: Die Actionszenen sind voll von Onelinern und coolen Sprüchen, die für diese Zeit im Actionkino bestimmend waren. Legendär Arnies aggressiver Kampf gegen seine bösartige Frau, die er mit dem Spruch "Betrachte das hier als Scheidung" ins Jenseits befördert. Ein großer Charakterdarsteller mag Arnie nie gewesen sein, doch nur er konnte die herrlich absurden, übertriebenen Actionfilmstarsprüche so glaubwürdig präsentieren. Eine große Messlatte für jeden, der da in einer Neuverfilmung hinterherkommen soll.
Len Wiseman entschied sich als Hauptdarsteller für den talentierten Colin Farrell, der eine exzellente Leistung abruft – keine Frage! Doch ob er Arnie in Coolness konkurrieren kann, lässt sich nicht beurteilen: Dazu bekommt er gar keine Gelegenheit. Das Drehbuch der Neuverfilmung nimmt sich sehr viel ernster und will auf lächerliche Actionfilmsprüche verzichten. Das ist leider deshalb problematisch, weil die Geschichte grundsätzlich bereits so übertrieben ist, dass sie ohne jede Selbstironie umso absurder wirkt. Mehr noch als das Original hätte das "Total Recall"-Remake einen Arnold Schwarzenegger gebraucht, der für den Spaß zuständig ist und die absurde Geschichte durch ebenso absurde Komik erdet. Damit steht es 3:0 für das Original.
Arnie hat Starpower – doch das Remake auch
Wie so oft in Actionfilmen mit Arnold Schwarzenegger ist der Rest der Besetzungsliste unauffällig. Nicht gelten tut das bei "Die totale Erinnerung – Total Recall" sicherlich für seine böse Frau Lori, die von Sex-Ikone Sharon Stone verkörpert wird. Die restliche Besetzung bleibt aber eher farblos: Rachel Ticotin als aufständische Kämpferin Melina ist in Ordnung, aber kaum erwähnenswert, die Schurken werden von Ronny Cox und dem Kanadier Michael Ironside zweckdienlich gespielt. Über den bloßen Status als Bösewichte kommen sie nicht heraus. Verhoeven wusste, dass in einem Arnold-Schwarzenegger-Film der Fokus des Publikums ganz auf dem Star liegen würde und versuchte so gar nicht erst, anderen Figuren mehr Raum als nötig zu geben.
In diesem Aspekt kann das Remake tatsächlich dem Original neue Aspekte hinzufügen. Neben einem hervorragend aufspielenden Colin Farrell ist Lori hier mit Kate Beckinsale besetzt, die als hinterlistige Killerin großartig anzuschauen ist. Und auch Melina bekommt als Figur viel mehr Zeit zur Entfaltung, dank Actionstar Jessica Biel und ihrer tollen Performance. Ein besonderer Hingucker ist aber der Schurke, der in seinen wenigen Szenen von Bryan Cranston gespielt wird – jenem Star, der von 2008 bis 2013 überragend den Antihelden Walter White in der vielfach preisgekrönten Serie "Breaking Bad" mimte. Gastauftritte von John Cho oder Bill Nighy veredeln den Cast, im längeren Director''s Cut auf der Blu-ray-Version ist sogar Ethan Hawke in einem Cameo zu sehen. Hier kann man bedenkenlos einen Punkt für das Remake vergeben.
Fazit: Nichts geht über das Original!
Im Zuge der Raubkopierer-Debatte gab es lange den prägnanten Spruch: "Nur Original ist legal". Vielleicht sollte Hollywood genau diesen Gedanken verinnerlichen. Das Remake von "Total Recall" ist eine überflüssige Neuauflage, die bis auf eine herausragende Besetzung dem Original nichts Neues hinzuzufügen hat. Zumal das Original heute noch so gut anzuschauen ist, dass auch das Argument, man habe eine jüngere Zielgruppe ansprechen wollen, nicht greift.