Kaum eine Produktionsschmiede im Fernsehen der Gegenwart ist so aktiv, wie Netflix. Jeden Monat kommen neue Originals des Streaming-Giganten heraus, mehr als 15 Milliarden US-Dollar investiert der Dienst jährlich in eigene Formate.
Dennoch herrscht ein Ungleichgewicht zwischen der Produktion von Filmen und Serien, letztere sind sowohl quantitativ als auch qualitativ Vorreiter. Hochangesehene Showrunner wie Ryan Murphy ("Pose") oder Shonda Rhimes ("Grey's Anatomy") unterschrieben bei Netflix langjähirge Kontrakte, um exklusive Qualitätsserien zu produzieren. Bekannte Filmgrößen sind dagegen eher die Ausnahme, als die Regel. Scheitert es an der Bezahlung?
Lesetipp
Für einen Oscar sollen Bonuszahlungen fließen
Kolportierte 150 Millionen Dollar flossen für die Dienste von Rhimes, sogar 300 Millionen für die von Murphy. Sollte Netflix für Filmemacher ähnlich viel Geld in die Hand nehmen, wird es teuer. Laut einem Bericht von Bloomberg, den das US-Magazin The Verge zitiert, werde deshalb intern eine andere Möglichkeit diskutiert. Keine Festanstellung soll die Kreativen zum Streamingdienst locken, sondern Bonuszahlungen. Bislang zahlte Netflix in der Regel die Produktionskosten und handelte feste Gehälter aus. Nun denke man über einen Strategiewechsel nach.
Demnach sollen Filmemacher, die besonders erfolgreich sind, einen Bonus erhalten. Erfolg würde in zweierlei Maß gemessen: in guten Abrufzahlen oder prestigeträchtigen Trophäen. Kurz: Wer für Netflix einen Oscar gewinnt, soll belohnt werden. Und Produzenten wie Adam Sandler, den Netflix für acht festvereinbarte Filmprojekte engagierte, könnten ebenfalls absahnen. Schließlich brach Sandlers Comedy "Murder Mystery" bei den Abrufzahlen alle Rekorde.
Dass Netflix nach Anerkennung giert, ist längst kein Geheimnis. Spätestens seit dem Erfolg mit "Roma" von Alfonso Cuarón, der bei der diesjährigen Oscarverleihung drei Academy Awards gewinnen konnte, sendete der Streaminganbieter ein erstes Signal an die Branche. Der zweite Streich folgt zugleich: Martin Scorseses "The Irishman" startet am 27. November auf Netflix, doch zuvor wird er ab 1. November auch in ausgewählten Kinos zu sehen sein, um den Statuten der Oscar-Academy gerecht zu werden.
Prämien im Kinobereich an der Tagesordnung
Cuarón, Scorsese, Sandler: All das sind prominente Namen. Zwei hochkarätige Regisseure, ein Garant für massenkompatiblen Erfolgsstoff. Doch die beiden erstgenannten Branchengrößen sind längst wieder mit anderen Projekten beschäftigt, Netflix ist ihnen egal. Sie brauchten für ihre Ideen, die bei den großen Studios nicht auf genug Nächstenliebe stießen, nur einen Geldgeber. Weitere Zusammenarbeiten sind derweil nicht geplant.
Und dann wären da noch so Leute wie Steven Spielberg oder die allgemeine Aufregung um die Teilnahme von Netflix am Filmfestival Cannes. Ersterer ist der Auffassung, dass Streamingdienste wie Netflix dem traditionellen Kino die Erlöse abgraben und wollte ihre Werke deshalb bei Filmpreisen wie den Oscars nicht berücksichtigt wissen. Beim Filmfest von Cannes führte eine solche Diskussion letztlich zum Ausschluss der Netflix-Produktionen "Okja" und "The Merowitz Story".
Es scheint, ironischerweise, als führe auch für Netflix kein Weg am Kino vorbei. Nur wenn die eigenproduzierten Filme auf der großen Leinwand laufen, werden sie Chancen auf renommierte Preise haben. Aus dem Kino stammt auch die Idee mit den Boni: Hollywood gewährt herausragenden Künstlern oder Zuschauermagneten wie Dwayne "The Rock" Johnson eine Beteiligung am Ergebnis. So kommen Stars bei Kassenschlagern auf extrem hohe Summen. Netflix versucht offenbar Schritt zu halten und eigene Prämienzahlungen zu entwickeln. Ob sie das Geld dafür letztlich den Kunden aus der Tasche ziehen, steht auf einem anderen Blatt.