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Netflix mit Werbung? Experten prognostizieren Strategiewechsel

Netflix mit Werbung
Läuft auf Netflix bald Werbung? PR/Shutterstock/Montage

Der größte Streaminganbieter der Welt könnte seine Prinzipien über Bord werfen. Offenbar plant Netflix, künftig Werbung auf seiner Plattform auszuspielen. Dies behaupten Brachenexperten nach dem "Digital Content"-Panel in New York in der vergangenen Woche.

Werbung auf Netflix ist nichts Neues. Ja, richtig gehört. Der Streaminganbieter hat schon längst Erlösquellen der Werbebranche für seine Zwecke genutzt. Allerdings nicht im herkömmlichen Sinne. Bislang beschränkten sich Werbedeals auf sogenanntes Product-Placement. Das prominenteste Beispiel dafür stammt aus der Mystery-Serie "Stranger Things", dort taucht der Fast-Food-Gigant KFC nicht zufällig auf. Laut Branchenexperten zahlt ein Anbieter dieser Größenordnung zwischen 300.000 und 1 Millionen Dollar.

Angesichts von 15 Milliarden US-Dollar, die Netflix allein im Jahr 2019 in seine Content-Produktionen steckt, sind die Erträge aus solchen Deals allerdings nur Peanuts. Offenbar denkt der Streaminganbieter auch deshalb über einen Strategiewechsel nach. Vergangene Woche fand in New York die Digital Content NewFronts statt. Dort wurde in einem Panel diskutiert, ob Netflix künftig auch On-Screen-Werbung im eigenen Angebot einblendet. Dies käme einem Paradigmenwechsel gleich, versprach Netflix seinen Nutzern bislang doch immer, auf klassische Werbung verzichten zu wollen.

Abo-Preise können nicht unendlich erhöht werden

Laut den Branchenkennern in New York suche Netflix derzeit wohl aktiv Personal mit Werbeexpertise und habe auch schon Werbefachleute eingestellt. Wie von mehreren US-Medien berichtet wird, befasse sich der Streamingdienst momentan mit Targeting und Addressable Advertising, also der individuellen Ausspielung von Werbung an die Nutzer.

Klar ist, dass Netflix massiv in die Zukunft investiert, dabei aber rote Zahlen schreibt. Die Schulden können zwar einerseits durch weiteres Wachstum in Grenzen gehalten werden, aber angesichts der steigenden Produktionskosten - auch aufgrund der wachsenden Konkurrenz von Apple bis Disney - ist diese Rechnung nur begrenzt zukunftsfähig. Auch über Erhöhungen der Abo-Preise sind Kunden zunehmend unzufrieden, weswegen dem Streaming-Konzern hier natürliche Grenzen gesetzt sind.

Neues Werbe-Business für Netflix unausweichlich?

Kristin Lemkau, CMO von JP Morgan Chase, sagte auf dem Panel, dass die Zuschauer offen für Werbung sein könnten, vorausgesetzt, die Optionen würden transparent kommuniziert und ein Mehrwert sei erkennbar. Ein Abo-Modell mit verschiedenen Preis-Abstufungen wäre dann möglich: "Die Verbraucher wollen wählen können."

Joshua Lowcock, US Chief Digital/Innovation Officer bei der Medienagentur UM von Interpublic, merkte an, dass Werbeeinblendungen immer wahrscheinlicher seien: "Netflix ist jetzt werbefrei. Ich kann mir keine Welt vorstellen, in der Netflix für immer werbefrei bleibt. Allein schon, wenn man sich die Kosten für die Contentproduktion ansieht. An dieser Stelle kommen adressierbare Werbung und neue Werbeformate ins Spiel."

Bei der Konkurrenz von Netflix ist dies längst Usus. Der US-Streamingservice Hulu bietet Nutzern bereits die Wahl zwischen "mit" oder "ohne Werbung", mit teilweise 50 Prozent Nachlass für den werbegestützten Service. Ähnlich verfahren TV-Streaminganbieter hierzulande auch. Bei einem Premiummodell genießt der Nutzer Werbefreiheit, doch in der Free-Version sind Werbevor- oder Einblendungen bereits gang und gäbe. Allein die Tatsache, dass Netflix sich bisher rühmte, ein werbefreier Anbieter zu sein, stünde diesem neuen Geschäftsmodell im Weg.