Es war die Überraschung bei der Oscarverleihung im Februar 2020: Statt "1917", einem Kriegsdrama, das über Monate als Favorit auf den Hauptpreis gehandelt wurde, gewann in der Kategorie ‚Bester Film‘ die südkoreanische Thrillerkomödie "Parasite" – und damit erstmals ein Film, der in den USA nur mit englischen Untertiteln erschienen ist. Ein großer Erfolg für den Regisseur Bong Joon-ho, der sich in den USA u.a. bereits mit dem Sci-Fi-Actionfilm "Snowpiercer" einen Namen gemacht hatte.

Am 27. Juli 2021 zeigt die ARD jetzt den Oscar-Erfolg, der noch in drei weiteren Kategorien (‚Beste Regie‘, ‚Bestes Originaldrehbuch‘ und ‚Bester internationaler Film‘) gewann, um 23:00 Uhr als Free-TV-Premiere – deutsch synchronisiert. Trotz der späten Uhrzeit sollte sich niemand die Ausstrahlung entgehen lassen. "Parasite" ist einer der wenigen Filme der letzten Jahre, die jeder gesehen haben muss.

Worum geht's in "Parasite"?

Der Film-Hit handelt von zwei südkoreanischen Familien, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Die wohlhabenden Parks leben in einer Villa in Seoul, die verarmten Kims hausen hingegen in einer Kellerwohnung, die regelmäßig durch Starkregen geflutet wird. Geld verdienen sie eigentlich keines. Das ändert sich allerdings, als Ki-woo, der Sohn der Kims, durch Zufall an einen Job als Nachhilfelehrer für die Tochter der Parks kommt. Um angenommen zu werden, hat er sich mit einem gefälschten Zeugnis deren Vertrauen erschlichen.

Was einmal klappt, klappt bestimmt nochmal, denken die Kims. Nach und nach fälschen, betrügen und intrigieren sie sich in das Haus der Parks und sorgen dafür, dass die gesamte bisherige Belegschaft entlassen wird. Wenn die Parks außer Haus und auf Geschäftsreise sind, können die Kims so ihr neues Lotterleben im Nobelviertel genießen. Bis sie im Keller des Hauses auf eine große Überraschung stoßen …

Einblicke in eine für viele von uns fremde Kultur

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Familie Kim muss mit wenig auskommen in der kleinen Kellerwohnung.

Filme aus Asien haben es in Deutschland schwer. Trotz Kritiker- und Zuschauerlieblingen der Vergangenheit wie dem Rachedrama "Oldboy" oder dem Zombiefilm "Train to Busan" fremdeln viele westliche Kinogänger mit dem asiatischen Film. Dabei hat insbesondere Südkorea einen herausragenden Ruf in der Filmwelt: Filme von dort sind regelmäßig Favoriten bei internationalen Festivals, Regisseure wie Park Chan-wook oder Lee Chang-dong prägten einen eigenen, unverwechselbaren visuellen Stil.

"Parasite" schlägt voll in diese Kerbe und ist tief in der südkoreanischen Kultur verwurzelt. Die Zuschauer bekommen so also nicht nur eine spannende Geschichte geboten, sondern auch Einblicke in die Lebensweise dort. Das luxuriöse Haus der Parks wurde vom Szenendesigner Lee Ha-jun gestaltet und verbindet viele verschiedene architektonische Stile der südkoreanischen Kultur. Außerdem ist "Parasite" der perfekte "Einsteigerfilm" in das südkoreanische Kino. Er hat den erkennbaren Stil, konfrontiert westliche Zuschauer mit den Wertevorstellungen aus Südkorea, ist aber für deutsche Zuschauer weniger sperrig. Seine Zugänglichkeit liegt vor allem darin, dass er wahnsinnig witzig ist.

Ein Thriller, ja, aber mit extrem viel Humor

Eigentlich muss "Parasite" als Schwarze Komödie bezeichnet werden. Obwohl der Film ernste Themen anspricht, strapaziert er insbesondere in der ersten Hälfte enorm die Lachmuskeln. Wie es den Kims gelingt, nach und nach die Positionen als Belegschaft der Parks zu übernehmen und wie kreativ und einfallsreich sie tricksen, ist herausragende Comedy. Ein absolutes Highlight ist zudem eine Szene, in der die Kims sich unter einem Wohnzimmertisch verstecken müssen, während die Parks auf der Couch "ihren ehelichen Pflichten" nachkommen. So lustig und gleichzeitig spannend war lange keine Filmszene.

Natürlich ist all das höchst unmoralisch, dennoch wird es von Bong Joon-ho und seinen tollen Darstellern mit viel Witz transportiert. Insbesondere Song Kang-ho als Familienvater der Kims und Park So-dam, die seine Tochter spielt, sind fantastisch in ihren schwierigen Rollen. In der zweiten Hälfte wird "Parasite" dann aber ernster und – man muss zärtere Gemüter warnen! – auch blutiger und brutaler. Gerade die letzten Szenen wurden häufig mit den Filmen von Quentin Tarantino assoziiert. Dranbleiben lohnt sich aber, denn das Ende ist der Schlüssel zum Verständnis von "Parasite".

Die Botschaft ist zeitlos und doch aktuell

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Der Schein trügt: Bald schon hat Familie Park nichts mehr zu feiern …

Das Thema "Arm gegen Reich" ist bestimmend für die Geschichte des Films. Die Kims haben keine andere Möglichkeit, sich aus ihrer miesen Situation zu befreien, als zu betrügen. Die Parks wiederum werden von Joon-ho sehr sarkastisch vorgeführt: Sie finden den Geruch armer Menschen widerlich, und verhalten sich auf subtile Weise unverschämt gegenüber jedem Proletarier. Ein absolut zeitloses Thema, mit Gänsehaut-Ende und klarer Aussage: Wenn die herrschende Klasse die Bedürfnisse der breiten Mehrheit weiter kleinhält und verdrängt, wird diese irgendwann nur noch zur Gewalt greifen können.

Das soziale Ungleichgewicht der Welt ist ein Dauerdiskurs, doch "Parasite" ist dazu auch sehr aktuell: In Südkorea ist die Schere zwischen Arm und Reich besonders groß, Schätzungen gehen teilweise davon aus, dass 25 Prozent aller Südkoreaner in Armut leben. Bong Joon-ho macht hier auf ein wichtiges Thema in seinem Heimatland aufmerksam und rüttelt wach – in einer genussvollen, witzigen und teils sehr harten Satire, die kein Filmfan verpassen darf.