Als erste nicht-englischsprachige Produktion ist es Bong Joon-ho mit "Parasite" gelungen, in der Königskategorie bei den Oscars zu gewinnen. Vier Trophäen heimste die Kapitalismus-Satire ein: Bester Film, Beste Regie, Bestes Originaldrehbuch und Bester internationaler Film. Selbst für Oscar-Experten kam dieser Siegeszug zwar überraschend, doch der Macher hinter "Parasite" ist in Hollywood bestens bekannt. Sogar für Netflix hat Bong Joon-ho schon gearbeitet.

Der international erfolgreiche Regisseur, der in Busan in Südkorea an der Koreanischen Filmakademie studierte, hat sich mit seiner Regie-Karriere einen Kindheitstraum erfüllt und wurde schon früh vom amerikanischen Kino inspiriert. In seiner Dankesrede bei den Oscars 2020 bedankte er sich vor allem bei Martin Scorsese ("The Irishman") für die langjährige Inspiration sowie bei Quentin Tarantino ("Once Upon a Time in… Hollywood"), der ihn immer wieder als großen Künstler bezeichnete. Beide seiner Vorbilder haben nun bei den Oscars gegen ihn verloren.

Immer ein Meister - ob Komödie oder Krimi

Die Regiearbeiten von Bong Joon-ho zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie sich unmöglich in eine Schublade packen lassen. Jeder seiner Filme fühlt sich anders an. Sein Erstling "Hunde, die bellen, beißen nicht" von 2000 ist eine liebevolle koreanische Slapstick-Komödie, auf die er 2003 den düsteren Krimi "Memories of Murder" folgen ließ, in dem er die südkoranische Militärdiktatur der 1980er aufarbeitet.

2006 folgte sein internationaler Durchbruch mit "The Host". In diesem Monsterfilm mixte er wie auch später in "Parasite" bereits munter jedes Genre: Familiendrama, Gesellschaftssatire, Liebesfilm und Komödie. Für Joon-ho gibt es keinen Grund, diese Genres zu trennen, seine Filme sind so brutal und boshaft wie ironisch und locker erzählt. "The Host" sahen damals in Südkorea über 13 Millionen Zuschauer (damalige Einwohnerzahl: 48 Millionen), und wurde damit zum besucherstärksten Film seines Landes.

Der Sprung nach Hollywood mit "Snowpiercer"

Mit seinem nächsten Thriller, dem düsteren Thriller "Mother" nahm Joon-ho 2009 erstmals bei den Filmfestspielen in Cannes teil und fiel dabei u.a. in das Radar von Quentin Tarantino. 2013 gelingt ihm dann der Sprung nach Hollywood. Seine Verfilmung des französischen Comics "Schneekreuzer" wird unter dem Titel "Snowpiercer" zum Sci-Fi-Geheimtipp für Filmnerds. In dem dystopischen Actionfilm ist die Erde in einer neuen Eiszeit unter gegangen und nur wenige Menschen leben noch an Bord eines Panzerzuges. Dieser ist aber streng nach Klassen unterteilt: Während die Reichen vorne ihr eigenes Abteil haben, leben die ärmeren Menschen hinten in kleinen Wagen im Dutzend zusammengepfercht.

Mit "Snowpiercer" versammelte Joon-ho einen hochkarätigen Cast: Chris Evans, Tilda Swinton, Ed Harris und Octavia Spencer geben sich in seinem ersten englischsprachigen Film die Ehre. Produzent Harvey Weinstein, der den Film in den USA vertreibt, wollte "Snowpiercer" erst um 20 Minuten kürzen. Er hielt den dystopischen Actionfilm für "zu intelligent" für das US-Publikum. Doch letztlich landete die Originalversion in den Kinos und wurde so beliebt, dass der US-Sender TNT längst eine Fernsehserien-Adaption in Auftrag gab.

Erfolge auf Netflix, in Cannes und bei den Oscars

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2019 gewann Bong Joon-ho mit "Parasite" die Goldene Palme in Cannes.

Sein zweiter englischsprachiger Film startet 2017 erst in Cannes und später auf Netflix. "Okja" handelt von einem genmanipulierten riesigen Schwein, das von der Fleischindustire gezüchtet wurde, um die Umsätze zu steigern. Das kleine Mädchen Mija setzt sich jedoch für das Schwein ein. Joon-ho erweist sich hier erneut als versiert im Umgang mit verschiedenen Filmgenres: Vom Actionfilm "Snowpiercer" zur bezaubernden Öko-Fabel "Okja". Doch was beide Filme eint: Beide haben einen moralischen Kern, erzählen von einfachen Bürgern, die von unten gegen das System rebellieren.

2019 folgt sein bisheriger Karrierehöhepunkt. Für den sozialkritischen "Parasite" kehrte er nach Südkorea zurück. In dem Film versucht eine arme Familie aus Seoul sich im Hause einer reichen Familie als deren Bedienstete reinzugaunern. Für "Parasite" gewinnt Bong Joon-ho bei den Filmfestspielen in Cannes den Hauptpreis, die Goldene Palme. In den USA wird "Parasite" später zum erfolgreichsten nicht-englischsprachigen Film aller Zeiten. Und gewinnt im Februar 2020 schließlich vier Oscars bei sechs Nominierungen. Auch "Parasite" soll jetzt demnächst als Serie kommen – dann aber in englischer Sprache.

Er galt im Wettbewerb als Außenseiter, und ist nun der strahlende Gewinner. Fast schon lässig nimmt er seine Preise entgegen und bleibt bescheiden. "Ich wünschte, ich könnte den Oscar in fünf Teile schneiden und mit den anderen teilen", sagt er, als er für die Beste Regie gewinnt. Im Schlusswort verspricht er ausgelassen: "Ich werde mich betrinken bis zum nächsten Morgen."