Späte Fortsetzungen haben es schwer. Über kaum einen Film wurde mehr geschimpft als 2008 über "Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels". Obwohl der zugegeben mittelprächtige Film auch seine guten Seiten hatte, wollten Fans der alten Indy-Filme nur das Negative sehen. Besonders hart traf es ein Jahr vorher "Stirb langsam 4.0" – der nach zwölf Jahren abgelieferte Nachklapp zur Saga um John McClane wurde von den Fans verdammt und Sprüche wie "Es gibt nur drei ECHTE ‚Stirb langsam‘-Filme" machten im Netz die Runde.

Wirklich nachvollziehbar ist das im Rückblick nicht. "Stirb langsam 4.0" ist viel besser als sein Ruf – und ohne ihn sähe das Blockbuster-Kino heute vielleicht deutlich anders aus. Regisseur Len Wiseman wurde damals noch für seine übertriebenen Actionszenen kritisiert – doch genau diese werden heute bei den "Fast & Furious"-Filmen geliebt. Ein Verteidigungsversuch für den vielleicht besten Film seines Genres der letzten 20 Jahre.

Stirb langsam 4: Bruce Willis war noch lange nicht zu alt

Was haben die Fans nicht im Vorfeld schon bei dem Trailer gemeckert: Bruce Willis sei mittlerweile zu alt, das Cyberangriff-Thema hingegen zu modern. Dabei war der Plot um einen digitalen Shutdown der gesamten USA durch Terroristen die logische Folge aus den früheren Filmen: Schon im Original von 1988 war John McClane ein konservativer, analoger Cop, der mit moderner Technik überfordert ist. In "Stirb langsam 2" hält er sogar ein Faxgerät für Hexerei. Mit der Gegenüberstellung von John McClane gegen Hacker-Nerds ist der Held wider Willen endlich wieder da, wo er in Teil 1 gewesen ist: Als einziges Bollwerk gegen eine unaufhaltsame Übermacht. Dass McClane gegen bewaffnete Gangster immer siegen wird, wussten wir schon. Jetzt ist er in einer Situation gefangen, die ihm nicht vertraut ist – und damit ist im Grunde wieder alles beim Alten.

War Bruce Willis mit 52 Jahren übrigens wirklich zu alt für einen "Stirb langsam"-Film? Man könnte es auch anders sehen: Zum beinharten Zyniker und Vollzeit-Pessimisten John McClane passt ein in die Jahre gekommener, erfahrener Schauspieler wohl sogar noch besser als ein junger muskulöser Kämpfer. Nein: Willis ist in Teil 4 perfekt und auf abgeklärte Weise souverän in seiner Paraderolle. Auch hier gilt: Alles wie gehabt und doch neu und frisch.

Grandiose Figuren sorgen im Actionfeuerwerk für Humor

Ja: In "Stirb langsam 4.0" fließt weniger Blut als in den Vorgängern und die Kraftausdrücke wurden ordentlich zurückgefahren. Das mag traditionelle Actionfans stören. Kleiner Tipp: Die können zur "Recut-Version" auf Blu-ray greifen, die wieder etwas mehr Härte zu bieten hat. Wer über den Gewaltpegel aber hinwegsehen kann, muss zugeben: Teil 4 erzählt eine großartige Handlung, die mit jedem Jahr noch aktueller wird. Die Gefahren der digitalen Omnipotenz wurden selten in einem Blockbuster so stark herausgearbeitet. Brillant, weil effektiv: Eine Szene, in der die Schurken einen mehrspurigen Autobahn-Tunnel in beide Richtungen öffnen und die Lichter ausschalten – natürlich mit McClane mittendrin.

Auch die Buddy-Konstellation mit Justin Long als Computer-Spezi wurde diskutiert. Die simple Wahrheit ist jedoch: Sein Charakter Matthew Farrell ist wunderbar geschrieben und eine reizvolle Variation der Samuel L. Jackson Figur aus dem Vorgänger. War in Teil 3 Rassismus ein großes Thema, ist es in Teil 4 stattdessen der Generationsunterschied. Deshalb passt Timothy Olyphant mit seiner diabolisch kalten Performance ideal als ungewöhnlicher Actionfilm-Schurke, deshalb bekommt Mary Elizabeth Winstead als erwachsene Tochter von McClane so einen großen Part. Und der Auftritt von Kult-Nerd Kevin Smith muss selbst den größten Ablehnern des vierten Teils ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

"Hey McClane, bist Du etwa ein Fan von Boba Fett?"
– "Nein, ich steh mehr auf ‚Star Wars‘!"

Herrlich!

Vorbild für "Fast & Furious": "Stirb langsam 4" war stilbildend

Kommen wir zur Königsdisziplin eines "Stirb langsam"-Films: die Action! Und hier knallt es in "Stirb langsam 4.0" so beachtlich, dass sich kaum verstehen lässt, warum Fans nicht zumindest in diesem Punkt abgeholt wurden. Die 120 Mann starke Stuntcrew bringt hervorragende Kampfszenen vor die Kamera, insbesondere Maggie Q als Kung-Fu-Kämpferin ist eine echte Bereicherung für die Reihe. Auch Gedächtnisstunts fehlen nicht! Das "Abschießen" eines Hubschraubers per PKW ist ein intensiver Moment, wie er anderen Actionfilmen oft abgeht. Cool ist auch, dass der Film wie der dritte Teil "Stirb langsam – Jetzt erst recht" als Buddy-Film beginnt, dann aber im letzten Drittel auf engem Raum McClane gegen die Gangster antreten lässt – ein Best-of der Reihe sozusagen!

Doch dann kommt das "böse" Finale: Als Showdown hat sich Wiseman für eine Effektschlacht entschieden. McClane turnt auf einem Kampfjet herum. Für Fans ein Sakrileg. CGI-Animationen statt handgemachter Action bei "Stirb langsam"? Action, die die Gesetze der Physik bricht? Man kann jeden verstehen, dem das zu weit ging. Doch mehr als 15 Jahre später lässt sich sagen: Gerade diese Szene war prägend für das Actionkino! Ab 2011 waren es die Fortsetzungen der "Fast & Furious"-Filme, die mit solchen Szenen aufwarteten: Autos, die aus Flugzeugen springen, über Atom-U-Boote auf dem Eis hetzen oder einen Tresor quer durch Brasilien ziehen. Diese Nonsense-Adrenalinmomente übernehmen die Physik von Comicbüchern, ohne es durch Superhelden oder Roboter als Hauptfiguren zu entschuldigen. Mittlerweile ist dieser Trend der erfolgreichste Actionstil im Blockbuster-Kino – und seinen Anfang nahm er in einer halsbrecherischen Szene in "Stirb langsam 4.0".

Stirb langsam 4.0: Wiedersehen macht Freude

Vielleicht war die Zeit 2007 einfach nicht reif für "Stirb langsam 4.0" und einige damals vergraulte Fans sollten eine zweite Sichtung in Angriff nehmen. Wer sich davon lösen kann, zu erwarten, dass Teil 4 exakt und genauso wie die Vorgänger ist, und mit Variationen der geliebten Formel zurechtkommt, wird mit einem großartigen Film belohnt.

Wer hingegen wirklich verhunztes, mies getrickstes und grottenschlecht erzähltes Actionkino mit einem lustlosen Bruce Willis sehen will, für den hat die Reihe ja noch den fünften Teil "Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben" parat. Vielleicht können wir uns ja alle zumindest darauf einigen: Bei dem gibt es wirklich nichts zu verteidigen. Nicht mal für Fans.