Nicht selten passiert es, dass wirklich gute Filme leider an der Masse vorbeigehen. Das kann an einem schlechten Kinostart mit zu starker Konkurrenz liegen, an mangelndem Marketing oder der Film besetzt vielleicht eine zu kleine Nische. Bei dieser Komödien-Empfehlung mit viel Herz und Hirn hat es leider nie einen Start in Deutschland gegeben. Sehr unlustig ist dagegen unser neuer Tipp: Ein brutaler Actionthriller, der vor Spannung platzt und zu dem besten gehört, was in diesem Genre in den letzten Jahren zu finden war.
A Beautiful Day/You were never really here
Der geringe Erfolg könnte mit dem Titel des Films zu tun haben, der in Deutschland und Frankreich unter "A Beautiful Day" erschien, im Rest der Welt aber als Kritikerliebling unter dem Titel "You were never really here" beworben wurde.
Worum geht's? Joaquin Phoenix spielt den Kriegsveteranen Joe, der in New York ein Auftragskiller und Mann fürs Grobe ist. Sein Gebiet: Opfer von sexuellem Menschenhandel retten und die Verantwortlichen zur Strecke bringen. Dabei hat er sich den Ruf eingefangen, äußerst brutal vorzugehen. Gleichzeitig pflegt er seine demenzkranke Mutter: Der letzte Rest an warmem menschlichem Kontakt, der dem schwer traumatisierten und mit Narben übersätem Joe noch geblieben ist. Sein Auftraggeber ruft ihn an, damit er die Tochter eines hochrangigen Senators aus einem Kinderbordell befreit und von da an nimmt das Drama seinen überraschenden Lauf.
Joaquin Phoenix machte sich warm für den "Joker"
Die innere Zerrissenheit mit der Joe zwischen absoluter Kälte und Gleichgültigkeit und Resten von Gerechtigkeitssinn zu kämpfen hat, spiegelt sich in jeder Bewegung von Schauspieler Phoenix wider. Allein wie er an der Bahnstation steht oder auf der Couch liegt, zeigt einen Mann, der fast nichts mehr zu verlieren hat, während er Menschen rettet, die anderen alles bedeuten. Es ist nicht der Menschenhandel selbst, der Joe zur Gewalt treibt. Er macht es wegen des Geldes. Die schloderrige Sprache, das grausam-graue New York und diese winzigen Momente der inneren Verzweiflung, die Joes letzte emotionalen Regung bieten, zeigen Phoenix als "Joker" noch bevor er ein Jahr später die grenzgeniale Rolle der Batman-Figur spielte. Aber er ist nicht der einzige Pluspunkt des Films.
Wenn einfach alles an einem Thriller stimmt
Joes bevorzugte Waffe ist ein Hammer und genau so schlägt der Film auch zu. Die Gewalt ist dabei immer nur Hintergrundrauschen. Nie sehen wir Splatter oder enorm viel Blut. Die Kamera ist meist eine halbe Sekunde hinter dem Attentäter Joe her und verpasst die Hammerschläge gerade eben so, dass man schon wieder schaut, wo der Mann als nächstes auftaucht. So vermeidet Regisseurin Lynne Ramsay ein bloßes Gewaltfest, die Ergebnisse von Joes Arbeit sind aber klar sichtbar und angsteinflößend. Dazu kommt ein Soundtrack, der einen ständig zwischen brutaler Unruhe und aufbauender Spannung hin- und herreißt – allein mit minimalem Sound-Einsatz. Ramsay macht aus Joe einen modernen "Taxi Driver"-Travis Bickle und zeigt wie mit ihrem anderen brachialen Meisterwerk "We need to talk about Kevin", dass es sich lohnt sechs Jahre auf einen neuen Film von ihr zu warten.
"A Beautiful Day" ist bei Netflix verfügbar.