In Hollywood wird schon seit einiger Zeit über Marvel-Filme diskutiert. Regielegende Martin Scorsese hat sich über die zahlreichen Comicverfilmungen ausgelassen, wobei im Zuge dessen unter anderem der Vorwurf laut wurde, dass ihre schiere Anzahl und Popularität andere, kleinere Produktionen aus den Kinos verdrängt. Ein Umstand, der sich in den kommenden Jahren nicht verändern wird – im Gegenteil, es werden mehr Marvel-Filme denn je erscheinen. Dahinter steht der Megakonzern Disney, der in der jüngeren Vergangenheit mit dem Erwerb von Marvel, Lucasfilm ("Star Wars") oder 20th Century Fox ("Die Simpsons", "X-Men") für helle Aufregung innerhalb der Unterhaltungsbranche gesorgt hat. Geschäftsentscheidungen, die durchaus kritisch beäugt wurden, da befürchtet wurde, dass Disney immer mächtiger wird.
Wie Variety berichtet, müssen sich Scorsese und Co. jetzt noch mehr Sorgen ums Kino machen, wie sie es kennen. Denn aktuell plant man in den USA ein über 70 Jahre altes Gesetz zu kippen, das bislang Filmstudios daran hinderte, eigene Kinos zu kaufen.
Die Gesetzeslage
Das US-Justizministerium hat bereits im August 2018 angekündigt, sich die "Paramount decrees" erneut anzuschauen. Diese wurden 1948 nach zehn Jahren zäher Verhandlungen beschlossen und legten fest, dass in der Folgezeit Filmstudios keine eigenen Kinos mehr besitzen, Filmpakete verkaufen oder exklusive Verträge mit Kinos schließen dürfen.
Der Chef des Ministeriums, Makan Delrahim, argumentiert jedoch, dass die Beschlüsse ein "Relikt der Vergangenheit" seien und damit nicht mehr zeitgemäß, da das alte Studiosystem nicht mehr existiere. Ferner seien sie deshalb auch nicht mehr im Interesse der Verbraucher. Studios könnten ja schließlich mittlerweile dank Streamingangeboten ihre Titel direkt dem Kunden zur Verfügung stellen, weshalb man sich technologischen Innovationen nicht in den Weg stellen möchte. "Wir können nicht so tun, als ob der Filmvertrieb noch genauso ist wie vor 80 Jahren." Das Ministerium wird deshalb ein Gericht bitten, die Gesetze aufzuheben.
Lesetipp
Allerdings wird zusätzlich betont, dass mit dieser Entscheidung die zuvor eingedämmten Praktiken nicht automatisch wieder legal sein werden. Stattdessen werde man sie nach modernem Kartellrecht prüfen und weiterhin dazu bereit sein, entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten, sollte man zu der Erkenntnis kommen, dass sie den Verbraucher schaden.
Es geht um Exklusivität
Sollte das Vorhaben gelingen, wäre theoretisch der Weg frei für Studios wie Paramount, Warner, Universal oder Disney, Kinos aufzukaufen, um in ihnen dann nur ihre eigenen Produktionen zu zeigen. Ob es so weit kommen wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar noch unklar, aber unwahrscheinlich ist es auch nicht. Disney zum Beispiel hat sich mit dem Kauf von Marvel, Fox und Lucasfilm schon eine ganze Reihe extrem wertvoller Filmmarken sichern können. Den eigenen Einfluss auf dem Markt zu sichern und zu stärken, dürfte nur im Interesse des Unternehmens sein.
Dazu kommt der Streamingbereich: Nachdem jahrelang Netflix und Amazon an der Spitze waren, kommen nun Disney (mit Disney+), Warner (HBO Max) und Apple (Apple TV+) dazu. Deren Hauptverkaufsargument? Exklusivität. Nicht nur werben die verschiedenen Anbieter mit einzigartigen neuen Produktionen. Unternehmen wie Warner haben darüber hinaus für horrende Summen die Rechte für eigene Serien wie "The Big Bang Theory" zum exklusiven Streamen zurückgekauft; Disney wiederum wird nach und nach seine Filme von anderen Anbietern zurückziehen. In diesem Sinne würde der Erlass der Beschlüsse den Kampf um exklusive Inhalte aufs Kino ausweiten.
Deutsche Praktiken
Der mögliche Kauf von Kinos ist eine Sache. Dem Bericht nach äußerten aber bereits im Oktober 2018 zahlreiche Filmtheaterbetreiber die Sorge, dass das sogenannte "block-booking" viele kleinere Filme verdrängen würde. Beim "block-booking" wurden damals mehrere Filme eines Studios gleichzeitig an die Kinos verkauft – wenn also ein Lichtspielhaus Film A unbedingt haben wollte, war es dadurch gezwungen, auch Film B und C mit ins Programm aufzunehmen. Sollte dieses Vorgehen wieder praktikabel werden, dann könnten Studios Kinos dazu zwingen, einfach ihr gesamtes Programm zu spielen, denn sonst könnte zum Beispiel Disney einfach den nächsten "Star Wars"- oder "Avengers"-Film vorenthalten – das wiederum wäre das finanzielle Todesurteil fürs Kino.
Auf Anfrage bei einem ehemaligen deutschen Filmtheaterleiter wurde uns gegenüber bestätigt, dass das "block-booking" hierzulande jedoch gang und gäbe ist und die Verleiher den Häusern entsprechende Vorgaben machen können, wenngleich nicht in der extremen, in den USA befürchteten Dimension.