Es gibt wenige Filme, auf die sich quasi "alle" einigen können. "Der Exorzist" ist so ein Film. 1973 gelang Regisseur William Friedkin mit seinem verstörenden Familiendrama, das sich immer mehr zum übernatürlichen Horror-Inferno wandelte, ein absolutes Meisterwerk und einer der ganz wenigen perfekten Filme auf dieser Welt. Geschichten über den Film sind beinahe so legendär wie "Der Exorzist" selbst. Nach zahlreichen Unfällen am Set ließ die Produktion damals selbst einen Priester kommen, um die Drehkulissen zu segnen. Als es Friedkins Meilenstein in die Kinos schaffte, sollen sich Zuschauer reihenweise übergeben haben, sodass mehrfach Ärzte benötigt wurden. Film-Hits wie "Conjuring", "Das Omen" oder "Erlöse uns von dem Bösen" haben sich oft derselben Mittel wie "Der Exorzist" bedient, aber dessen Klasse nie erreichen können.
Die insgesamt vier Fortsetzungen, die 1977, 1990, 2004 und 2005 erschienen, gelten dann eher qualitativ als gruselig. Insbesondere "Exorzist II – Der Ketzer" wird als einer der miesesten Filme aller Zeiten eingeschätzt. Jetzt versucht man sich mit "Der Exorzist: Bekenntnis" erneut an der Marke. Produzent Jason Blum hat 400 Millionen Dollar für die Rechte gezahlt, Regie führt David Gordon Green. Der erlaubt sich denselben Trick wie schon bei seiner "Halloween"-Trilogie: Er blendet alle bisherigen Fortsetzungen aus und schließt direkt an das Original an. Genau wie bei "Halloween" kehrt sogar ein Star von damals zurück. Und trotzdem: Der Grusel von einst lässt sich leider nicht wieder blicken. Im Gegenteil: Bei "Der Exorzist: Bekenntnis" handelt es sich um eine der erbärmlichsten Fortsetzungen der jüngeren Kinogeschichte.
Was schockt mehr als ein Exorzismus? Zwei Exorzismen!
So einfach wie teuflisch effektiv war die Geschichte des Originals aufgebaut: Nach einem Umzug von Hollywood nach Los Angeles benimmt sich die 12-jährige Regan MacNeil (Linda Blair) zunehmend immer frecher und vulgärer. Ihre Mama, die Schauspielerin Chris (Ellen Burstyn), hält das am Anfang für erste Anzeichen der Pubertät. Doch dann eskaliert ihr Kind mehr und mehr. Selbst Psychiater und andere Ärzte bleiben ratlos. Am Ende sind es zwei Priester, Pater Karras (Jason Miller) und Pater Merrin (Max von Sydow), die durch einen Exorzismus das Problem lösen, und den teuflischen Dämon Pazuzu aus Regan austreiben.
Die Fortsetzung versucht jetzt fünfzig Jahre später, daran anzuknüpfen: Im Mittelpunkt steht der Fotograf Victor Fieldings (Leslie Odom Jr., Musical-Star aus "Hamilton"). Seit seine Frau beim Erdbeben in Haiti ums Leben kam, kümmert er sich mit übertriebener Sorgfalt alleine um seine 12-jährige Tochter Angela (Lidya Jewett). Als das Töchterchen dann doch mal nach der Schule ihre Freundin Katherine (Olivia Marcum) besuchen darf, geht das direkt schief: Beide Mädchen sind spurlos verschwunden. Erst nach drei Tagen intensiver polizeilicher Suche werden sie im Wald gefunden – können sich aber an nichts erinnern. Als beide Mädchen sich auffallend merkwürdig benehmen, schaltet Fieldings erst Ärzte ein, dann einen katholischen Priester (E.J. Bonilla) und eine Voodoo-Schamanin (Okwui Okpokwasili). Was wirklich los ist, wird Fieldings erst klar, als Bestsellerautorin Chris MacNeil (erneut: Ellen Burstyn) ihm erzählt, dass sie vor 50 Jahren etwas ganz ähnliches erlebt hat …
Schamloser Schund: "Der Exorzist: Bekenntnis" verärgert
"Der Exorzist: Bekenntnis" ist als Film so schamlos und dumm konzipiert, dass man sich die Überlegungen der Macher lebhaft vorstellen kann. "Na, wenn das Original mit einem besessenen Mädchen schon der Horror war, dann nehmen wir dieses Mal eben gleich zwei besessene Mädchen." Viel mehr gedankliche Eigenleistung lässt David Gordon Green nicht erkennen: Sein Exorzismus-Budenzauber mit den immer gleichen Klischees (zerspringende Fenster, eingeritzte Haut, drehende Köpfe, Kruzifixe) ist so platt von anderen Genre-Vertretern kopiert, dass es nie unheimlich wird. Im Gegenteil: Die erste Stunde des Films ist bestürzend langweilig. Während Friedkin sich in seinem Film damals viel Zeit nahm, die Figuren einzuführen, Atmosphäre und Spannung aufzubauen, serviert Green zu Beginn ein banales, einschläferndes Familiendrama, und stolpert dann nach zahlreichen ereignislosen Szenen im Eiltempo durch den Horrorabschnitt.
Ab dann wird "Bekenntnis" nur noch richtig peinlich. Grotesk fallen die Auftritte von Rückkehrerin Ellen Burstyn aus, die allen Ernstes nicht mehr zu tun bekommt, als alle paar Minuten von ihren Szenen im Original zu erzählen: Wer liebt es nicht, wenn schlechte Filme einen ständig daran erinnern, dass man gerade auch etwas Besseres gucken könnte? Als dann klar ist, dass hier ein einfacher Exorzismus nicht reicht, sondern ein superduper Exorzismus-Spezial nötig wird, werden zahlreiche Glaubensbotschafter im ganzen Land aktiviert. Wenn die dann selbstsicher in der Gangart eines Films von Quentin Tarantino cool auf die Kamera zugehen, fehlt wirklich nur noch die "Avengers"-Leitmusik im Hintergrund.
Trash-Gülle auf Kosten eines Kino-Klassikers
Man kann bei so viel Stillosigkeit nicht anders, als wieder auf das Original zurückzukommen. Dieses traf zu seiner Zeit einen Nerv: Das bürgerliche Amerika sah sich gerade mit der nonkonformen Hippie-Drogenkultur konfrontiert. Kulte um Sektenmörder wie Charles Manson und seine jungen Anhänger schockierten das Land. Der Generationenkonflikt klaffte quer durch die Vereinigten Staaten, und inmitten dieser verhärteten Fronten stieß der zehnfach oscarnominierte Kinohit wie eine Urgewalt. Friedkins Film lässt sich sogar mit Goethes "Faust" vergleichen: Der Glaube, alle weltlichen Ereignisse logisch und wissenschaftlich erklären zu können, führt direkt in den Untergang und kommt einem Pakt mit dem Teufel gleich. Nur wer die Irrationalität des Lebens und die eigenen Verfehlungen akzeptiert, kann sich ihren tiefsten Abgründen stellen. Erst der materialistische Glauben an Wohlstand als Weg zum Glück im Bildungsbürgertum ermöglichte es Pazuzu, sich der unschuldigen Regan zu bemächtigen, und die herrschende Ordnung zu stören.
"Bekenntnis" setzt dem nicht mehr als eine platte Glaubensmetapher entgegen. Manchmal, so vermittelt es der Film, passiert einem eben unerwartet schlimmes Zeug, aber wenn man genug an Gott oder an das Gute oder was-auch-immer glaubt, dann wird es schon irgendwie wieder werden. Wäre "Der Exorzist: Bekenntnis" einfach nur eine reaktionäre Anklage an eine gottlose Jugend, so hätte man wenigstens den Eindruck, der Film würde immerhin irgendetwas erzählen wollen. Die Wahrheit ist aber profaner: Hollywood ist schon ewig nichts mehr heilig. Wenn man ein gedankenloses Exorzismus-Skript dadurch besser verkaufen kann, indem man es dem Publikum als Fortsetzung zu "Der Exorzist" unterjubelt, dann tut man das eben. Selbst der so verhasste "Exorzist II – Der Ketzer" hatte mit seiner abgedrehten Hypnose-Handlung wenigstens versucht, etwas gänzlich Anderes zu erzählen und damit irgendwo seine Daseinsberechtigung. "Bekenntnis" ist hingegen ein kaltes, seelenloses kommerzielles Produkt, einzig abgestimmt auf möglichst schnelle Profitmaximierung. Kein Film, sondern im heutigen Neusprech bloßer "Content".
Es wäre vielleicht irgendwie möglich, "Der Exorzist: Bekenntnis" wenigstens als stumpfes Trash-Spektakel zu genießen. So bediente sich der nur einige Monate zuvor erschienene "The Pope's Exorcist" mit Russell Crowe in diesem Jahr ebenfalls großzügig bei Friedkins Arbeit, war aber so bewusst übersteuert und mit Augenzwinkern inszeniert, dass der kurzweilige Tanz der Teufel mächtig Laune machte. Doch David Gorden Green stellt mit seinem Film einen direkten Bezug zum Meisterwerk von 1973 her und muss sich dann auch an diesem messen lassen. Daher bleibt der Befund: Es ist schlicht eine Frechheit, einen so lustlos abgekurbelten Horror-Resterampen-Ramsch als ernste Fortsetzung von "Der Exorzist" zu verkaufen.
Es gibt einzig einen positiven Effekt, den diese unnötige Fortsetzung für die Nachwelt haben wird: Ellen Burstyn gestand in einem Interview mit The Hollywood Reporter, dass sie sich nur deshalb für den neuen Film einspannen ließ, weil man ihr ein sehr großzügiges Gehalt zahlte – und ihr so ermöglichte, ein Stipendienprogramm für Schauspieler ins Leben zu rufen und zu finanzieren.
Berichten zufolge planen Jason Blum und David Gordon Green gleich eine ganze "Exorzist"-Trilogie. Sollten die nächsten beiden Filme wirklich noch erscheinen, wäre das vermutlich der beste Beweis dafür, dass der Teufel tatsächlich existiert.
"Der Exorzist: Bekenntnis" ist seit dem 5. Oktober in den deutschen Kinos zu sehen.