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Blutig-schräger Horror-Spaß: "The Pope's Exorcist" mit Russell Crowe überrascht

Meinung | Von subtilem Horror kann bei "The Pope's Exorcist" keine Rede sein, findet unser Redakteur Michael Hille. Der neue Film mit Russell Crowe ist laut, brutal und nahezu auf Kino-Krawall gebürstet. Aber lohnt er sich tatsächlich?

Exorzisten-Horror ist ein eigenes Subgenre für sich. Begonnen hat das natürlich mit dem großen Oberklassiker "Der Exorzist", der bis heute zu den unheimlichsten Filmen aller Zeiten zählen dürfte. Weitere Klassiker des Genre wären "Das Omen" (sowie die gleichnamige Neuverfilmung), "Erlöse uns von dem Bösen" oder natürlich die erfolgreiche "Conjuring"-Reihe. Exorzisten-Horror funktioniert nach festen Regeln. Eine betont nette und unschuldige Person, meist ein Kind, wird von einem Dämon besessen, spricht in obszönen Sätzen, wird körperlich mehr und mehr deformiert, ehe ein mutiger Priester den Kampf gegen das Böse höchstselbst aufnimmt.

Genau dieser Formel folgt nun ein neuer Kinofilm, der sich überdeutlich an den großen Vorbildern orientiert: "The Pope's Exorcist", zu deutsch: "Der Exorzist des Papstes". Tatsächlich basiert der Film sehr lose auf einer realen Person: Gabriele Amorth (1925 – 2016) war tatsächlich seit den 80ern führender Exorzist in der Diözese Rom, schrieb zahlreiche Bücher zur Exorzismus-Auslegung der katholischen Kirche und will nach eigenen Aussagen über 70.000 Exorzismen selbst durchgeführt haben. Eine spannende Basis für einen neuen Abstecher in dieses sehr spezielle Horrorkino – aber kann "The Pope's Exorcist" mit seinen Vorbildern mithalten?

Horror im Vatikan: Wovon handelt "The Pope's Exorcist"?

Foto: Sony Pictures Germany, Russell Crowe versucht sich erstmals im Horrorkino, als "The Pope's Exorcist".

Pater Gabriele Amorth (Oscar-Preisträger Russell Crowe) ist der oberste Chefexorzist des Vatikans – dennoch weiß er, dass die meisten Fälle, zu denen er gerufen wird, keine Teufelsaustreibung benötigen, sondern nur psychischen Beistand. Doch das soll nicht heißen, dass der Teufel da draußen nicht sein Unwesen treiben würde, daher nimmt er jeden Fall sehr ernst. Sein neuester Auftrag verschlägt ihn in eine spanische Kleinstand, in der die alleinerziehende Julia (Alex Essoe) gerade mit ihren Kindern in eine alte Abtei gezogen ist. Ihr Sohn Peter (Peter DeSouza-Feighoney) ist neuerdings überzogen frech, äußert wüste Beschimpfungen, fasst seiner Mutter an die Brüste – und es dauert nicht lange für Amorth, um hier tatsächlich festzustellen, dass ein Dämon von dem Jungen Besitz ergriffen hat.

Gemeinsam mit dem örtlichen Priester Pater Esquibel (Daniel Zovatto) nimmt sich Amorth der Sache an. Doch bei ihren ersten Untersuchungen stoßen sie auf widersprüchliche Hinweise. Sie beginnen zu vermuten, dass der Dämon nur deshalb von Peter Besitz ergriffen hat, weil er es explizit auf Amorth abgesehen hat. Nur: Warum? Zusammen mit Esquibel deckt der erfahrene Exorzist eine Verschwörung auf, die bis in die Zeit der spanischen Inquisition zurückreicht – und in die sogar der Papst (Italowestern-Legende Franco Nero) selbst verwickelt zu sein scheint.

The Pope's Exorcist: Ganz anders als der Trailer vermuten ließ

Foto: Sony Pictures Germany, Klassische Exorzismen gibt es in "The Pope's Exorcist" nur selten zu sehen, stattdessen schaltet der Horrortrip schnell auf volle Eskalation.

Der Trailer zu "The Pope's Exorcist" war effektiv, aber ließ auch vermuten, dass man es mit einem typischen Exorzistenfilm zu tun bekommt. Das besessene Kind, die besorgte Mama, das Kräftemessen mit dem Geistlichen und all die üblichen Schockmomente, die man seit "Der Exorzist" tausende Male gesehen hat. Doch damit tut man dem Film unrecht. Regisseur Julius Avery hat schon mit seinem anarchischen Horrorkriegsfilm "Operation: Overlord" brutal Erwartungen unterwandert, und tut dies auch hier: "The Pope's Exorcist" mag alle Klischees des Genres verwursten, dreht dabei aber extrem auf. Sobald der Horrorteil richtig losgeht, poppt ein Schockeffekt an den nächsten und jede erwartbare Szene wird ins Groteske gesteigert und überhöht. Natürlich, die Klassiker sind mit dabei: Köpfe drehen sich um 180 Grad, Menschen wirbeln in der Luft umher, der besessene Junge spaltet seine Pupillen auf – man kennt das! Doch "The Pope's Exorcist" fängt da gerade erst an.

Denn all das gipfelt nach einigen Ermittlungen der beider Priester in unterirdischen Kellerverließen in ein mit Spezialeffekten überladenes Finale, in welchem dem Irrsinn keine Grenzen mehr gesetzt werden. Musikalisch unterlegt durch einen völlig überzogenen Soundtrack von Jed Kurzel scheut sich "The Pope's Exorcist" auch nicht vor knallhartem Trash – vor allem als der mittlerweile selbst in Teilen besessene Priester mit seinem katholischen 'Buddy' gegen eine blutüberströmte, ansonsten aber nackte Frau kämpfen muss. Wer eher subtilen Horror mag, der sich ernstnimmt, ist hier an der ganz falschen Stelle. Während sich in klassischen Exorzistenfilmen die Spannung langsam aufbaut und es eine stetige Eskalationsspirale gibt, verfolgt Julius Avery eine Alles-oder-Nichts-Haltung und als Zuschauer bleibt es einem freigestellt, diesen Schritt mitzugehen oder sich genervt abzuwenden.

Ein unerwarteter Spaß: "The Pope's Exorcist" trumpft dank Russell Crowe

Foto: Sony Pictures Germany, Ermittlungen gegen den Vatikan: "The Pope's Exorcist" ist mal Horrorfilm, mal Verschwörungskrimi, mal trashiger Pulp.

All das macht (nicht zuletzt dank der schicken Bilder von Kameramann Khalid Mohtaseb) höllischen Spaß – sofern man sich auf die Gaga-Konstruktion einlassen kann. Der Trumpf des Films ist dabei Russell Crowe. Der Star, bekannt aus "Gladiator", spielt hier erstmals in einem Horrorfilm und hat sichtlich viel Vergnügen damit, seine ungewöhnliche Figur so eigentümlich wie möglich anzulegen. Ob er nun mit verschmitztem Grinsen mit Nonnen flirtet, übertrieben cool auf seinem Motorroller durch Rom düst oder mit deftigem Pathos über seinen "Auftraggeber", den Papst, spricht: Crowe ist ein Genuss. Und früh kündigt er selbstironisch bereits an, dass "The Pope's Exorcist" bewusst zwischen Horror, Trash und Komödie pendeln wird. Seinem Berufskollegen empfiehlt er schließlich, unbedingt mal ein paar Witze zu lernen, denn die möge der Teufel so gar nicht.

"The Pope's Exorcist" mag also die enttäuschen, die einen neuen "Conjuring" oder "Das Omen" erwartet haben, ist aber deshalb unterhaltsam, weil er ständig für Überraschungen sorgt.  Man bekommt hier mehrere Filme in einem: Die gewohnte Dosis "Der Exorzist" im Horrorteil, eine deftige Portion "The Da Vinci Code", sobald die vatikankritischen Ermittlungen in unterirdischen Höhlen beginnen, und eine große durchgeknallte Liebeserklärung an den kontrollierten Irrsinn der alten "Tanz der Teufel"-Filme im absurden Schluss.

Ist "The Pope's Exorcist" ein richtig guter Horrorfilm? Nicht im klassischen Sinne. Es ist vermutlich nicht mal ein sonderlich gelungener Film. Aber er sorgt für einen Kinobesuch, den man so schnell nicht vergessen wird. Und so wie es aussieht, geht es mit Crowe als Teufelsaustreiber weiter: Die Fortsetzung zu "The Pope's Exorcist" soll 2025 erscheinen.

"The Pope's Exorcist" ist bei Netflix verfügbar.

Foto: Sony Pictures Germany, Das offizielle Plakat zu "The Pope's Exorcist" mit Russell Crowe.