Wer schlägt neue Projekte vor? Sie oder Steven Spielberg?

KATHLEEN KENNEDY
Meistens Steven. Im Falle von "Gefährten" war es jedoch andersherum. Ich war vor zwei Jahren in London mit meiner Familie im Urlaub und wollte eigentlich nur Dinge unternehmen, die überhaupt nichts mit meinem Job zu tun haben. Wir schauten uns "Gefährten" auf der Bühne an und ich war hin und weg. Nicht nur wegen der Story, sondern auch der Reaktion des Publikums. Viele Leute weinten. Das habe ich noch nie im Theater gesehen. Als ich wieder zuhause war, erzählte ich Steven davon und er sah mich mit großen Augen an: "Das hört sich doch nach einem Film an!" Und so fing alles an.

Sie hatten Hunderte von Pferden am Set. Das klingt sehr chaotisch.

KATHLEEN KENNEDY
Es sind natürlich hochdressierte Tiere, die immer von ihren Trainern begleitet wurden. Aber klar, es ging etwas wilder zu als bei einem normalen Film. Wir hatten auch rund um die Uhr Tierschützer am Set, die darauf achteten, dass wir die Pferde nicht verletzen. Ein Stacheldraht, in den sich eines der Tiere verheddert, bestand beispielsweise aus Gummi. Und dann musste jeden Morgen das Pferde-Makeup neu aufgetragen werden.

Was ist denn bitte Pferde-Make up?

KATHLEEN KENNEDY
Weil Joey fast in jeder Szene auftaucht, wurde er aus zeitlichen Gründen durch mehrere Pferde dargestellt, damit sich die anderen Tiere ausruhen können. Und alle Joeys müssen natürlich die gleichen Markierungen tragen. Also werden sie geschminkt. Dafür gibt es tatsächlich spezielles Makeup.
Sie arbeiten seit Jahren eng mit Steven Spielberg zusammen. Was macht Sie zu seiner perfekten Mitarbeiterin?

KATHLEEN KENNEDY
Wir ergänzen uns sehr gut. Ich habe keinerlei Wunsch, selbst Regie zu führen oder ihm reinzureden. Ich bin dazu da, seine Vision umzusetzen, ihm alle Wünsche von den Augen abzulesen und der Crew zu erklären, was er erzielen will. Für diese andauernde Kommunikation hat er keine Zeit - und ehrlich gesagt hat er auch keine Lust darauf. Stephen spricht natürlich mit den Schauspielerin, dem Cutter und dem Kameramann. Für den Rest bin ich verantwortlich.

Streiten Sie sich auch manchmal?

KATHLEEN KENNEDY
Sehr selten. Aber ich bin dazu da, ihn im Zaum zu halten - zumindest finanziell gesehen. Manchmal freut er sich wahnsinnig darauf, einen bestimmten Effekt zu erzielen und ich muss ihm dann schonend beibringen, dass das im Budget nicht drin ist. Wir streiten uns dann nicht gerade, aber ich muss ihn schwer enttäuschen - wie eine Mutter, die ihrem Kind nicht erlaubt, Eis zu essen. (lacht)

Macht es einen Unterschied, dass Sie eine Frau sind?

KATHLEEN KENNEDY
Ich glaube schon. Normalerweise halte ich nichts davon, nach dem Geschlecht zu urteilen, aber in diesem Job hilft es wohl schon. Steven arbeitet sehr gut mit Frauen zusammen.
Es gibt wenige Frauen, die es in Hollywood so weit nach oben geschafft haben. Wie haben Sie das angestellt?

KATHLEEN KENNEDY
Keine Ahnung! Ich mache einfach das, was ich liebe. Natürlich ist Hollywood eine sehr männliche Welt. Ich wurde ziemlich spät Mutter, als meine Karriere schon etabliert war. Ich glaube nicht, dass ich mir die gleiche Laufbahn hätte aufbauen können, wenn ich meine Töchter schon mit 20 bekommen hätte. Frauen müssen im Gegensatz zu Männern leider noch immer diese riesigen, lebensverändernden Entscheidungen treffen - und mit den Konsequenzen leben. Kein Wunder, dass es immer noch so wenige Frauen gibt, die Regie führen oder als Produzentinnen arbeiten. Ich hatte aber auch sehr viel Glück, dass Steven und ich fast gleichzeitig unsere Familien gründeten. Mein Chef verstand also, was es bedeutet, Kinder zu haben. Er nahm Rücksicht auf mich - und auf sich selbst. Sowas gibt es allerdings sehr selten.

Gab es in Ihrer Karriere nie Situationen, wo Sie gegen männliche Vorurteile und Karriereleitern ankämpfen mussten?

KATHLEEN KENNEDY
Nicht wirklich. Oder sagen wir mal so: ich habe nie bewusst gegen Männer gekämpft. Ich glaube allerdings, dass ich mich oft solchen Situationen entzogen habe und einfach um diese oder jene Person herumgearbeitet habe, ohne dabei eine Konfrontation zu suchen.

Sony Pictures

Gute Kumpel: Produzent Peter Jackson (l.) und sein Regisseur Steven Spielberg bei der Präsentation von "Die Abenteuer von Tim und Struppi"

Sie produzieren auch Spielbergs Verfilmung von "Tim und Struppi". War Steven Spielberg schon immer ein Fan?

KATHLEEN KENNEDY
Im Gegenteil. Anfang der 80er Jahre sprach Hergé ihn darauf an, wie sehr ihn Indiana Jones an seinen Tintin (Tim im belgischen Original) erinnerte. Aber Steven hatte damals noch keine Ahnung, wer oder was Tintin überhaupt ist! Er las dann ein paar der Bücher und wir kauften kurz darauf auch tatsächlich eine Option auf die Verfilmung. Aber Steven hatte nie Interesse daran, "Tim und Struppi" als eine Art "Indiana Jones Junior" zu verfilmen. Erst als er die ersten Motion Capture-Filme sah, kramte er die Story wieder aus der Schublade und wurde enthuastisch.

Peter Jackson und Steven Spielberg - wie arbeiten zwei solche angesehenen und erfahrenen Männer miteinander? Da stellt man sich Testosteron-Ausbrüche vor...

KATHLEEN KENNEDY
Es gab keinerlei Rivalitäten. Ich war erstaunt, wie harmonisch die beiden miteinander arbeiten. Das kann daran liegen, dass Steven ein kleines bißchen höher in der Chefetage sitzt. Er ist fast so was wie Peters Mentor.

Am Motion Capture-Verfahren wird oft das Holprige kritisiert und dass menschliche Emotionen nicht rüberkommen.

KATHLEEN KENNEDY
Aber jetzt ist die Technik endlich gut genug, und "Tim und Struppi" ist das perfekte Projekt dafür. Unser Film ist kein steifer Zeichentrickfilm. Die schauspielerischen Leistungen von Jamie Bell (Tim) und Andy Serkis (Kapitän Haddock) hauchen den Figuren genauso viel Leben ein wie bei einem traditionellen Film.

Warum dann nicht gleich ein "traditioneller" Film?

KATHLEEN KENNEDY
Wir hätten die Schauspieler in Masken stecken müssen - und das wäre albern. Wir wollen Tim doch wiedererkennen! Also hatten wir währen der gesamten Produktionsphase überall Fotos von Tim hängen und verglichen ständig, ob auch wirklich die Gesichtsform stimmt und die Farbe der Kleider. Peter Jackson war sehr darauf erpicht, dass jedes klitzekleines Detail mit dem Cartoon übereinstimmt. Ich musste sogar mal Hergés Büro anrufen, weil ich mir nicht sicher war, ob er weiße oder schwarze Socken trägt!

Und?

KATHLEEN KENNEDY
Er wechselt tatsächlich die Socken! Mal trägt er weiße, mal schwarze.

Interviews: Tina Werkmann