TV SPIELFILM Sie haben lange keine Regie mehr geführt - und jetzt gleich bei zwei Filmen: "Gefährten" und "Die Abenteuer von Tim und Struppi".

STEVEN SPIELBERG
Das war keine absichtliche Schaffenspause. Es gab einfach keine Projekte, die mich genug interessierten. Das ist mir bisher zwei mal in meiner Karriere passiert, und ich fand beide Pausen extrem schwierig. Ich werde nervös und unausgeglichen. Ich habe zwar mehrere Filme produziert - aber dabei ging ich anderen Regisseuren auf die Nerven, weil ich mich aus Langeweile zu sehr in ihre Regie einmischte. Zum Glück kamen jetzt diese beiden Projekte!

Was reizte Sie an War Horse?

STEVEN SPIELBERG
Ich las das Buch, nachdem mir Kathleen (Kennedy; Produzentin) vom Erfolg des Theaterstücks in London erzählte. Dann sah ich es selbst - und war hin und weg. Mich reizte vor allem der Hintergrund des Ersten Weltkrieges, denn dabei wurden erstmals mechanische Massenvernichtungsmittel eingesetzt. Früher gab es die Kavalarie, doch ab 1918 wurden Pferde nur noch als reine Lasttiere benutzt - und schlimm misshandelt. Millionen Pferde starben im Ersten Weltkrieg.

Das klingt jetzt nicht sehr nach Familienfilm.

STEVEN SPIELBERG
Diese brutale Seite lassen wir in "Gefährten" auch außen vor. Es geht um die Freundschaft von Joey und seinem Besitzer Albert. Es ist kein Kriegsfilm à la "Der Soldat James Ryan" mit wackeliger Kamera und dem totalen Miterleben des Horrors. Es ist nur so, dass sich Albert und Joey durch eine Verquickung von Umständen in diesem großen Konflikt wiederfinden. Aber man sieht nicht mal Blut.
Und doch spielt Krieg immer wieder eine große Rolle in Ihren Filmen.

STEVEN SPIELBERG
Das habe ich meinem Vater zu verdanken. Er hat in mir die Liebe zum Film geweckt, indem er mich im Alter von fünf Jahren zum ersten mal ins Kino mitnahm. Wir sahen "The Greatest Show on Earth" ("Die größte Schau der Welt"). Es war ein traumatisches Erlebnis, in diesem Film knallt und kracht es nur so. Aber von diesem Moment an war ich wie besessen. Ausserdem gab es bei uns zuhause oft Kriegsgeschichten zu hören. Im Zweiten Weltkrieg war er in Burma gegen die Japaner im Einsatz. Nach Ende des Krieges kamen viele seiner Kameraden bei uns zuhause vorbei und unterhielten sich bis tief in die Nacht über den Krieg. Wir Kinder hörten immer total gespannt zu.

Aber in Ihren Filmen kommen auch oft Väter vor, die Ihre Kinder im Stich lassen. Alberts Vater zum Beispiel verkauft Joey, der deswegen an der Front landet.

STEVEN SPIELBERG
Mein Vater ist für vieles verantwortlich, nicht wahr! (lacht) Und Sie haben Recht, wir hatten jahrelang ein sehr angespanntes Verhältnis und versöhnten uns erst vor ungefähr 20 Jahren. Seither stehen wir uns aber sehr nahe und es war unglaublich bewegend, als ich ihm meinen Oscar für "Der Soldat James Ryan" widmen konnte.

Hat sich diese anfangs schlechte Beziehung mit Ihrem Vater auf Ihre eigene Familie ausgewirkt?

STEVEN SPIELBERG
Ich bin mir nicht sicher. Ich weiß nur, dass ich früher nie eigene Kinder haben wollte. Das änderte sich erst 1982, mit "E.T.", Ich stand den Kindern so nahe, besonders Drew Barrymore, dass ich es kaum ertragen konnte, mich von ihnen zu verabschieden. Erst da begriff ich, dass ich selbst gerne Kinder hätte und deshalb so traurig war. Das war das Beste, das mir "E.T." beschert hat - nicht das Geld oder den Ruhm, sondern den Wunsch, Vater zu werden.
Sie haben seit "Hook" keinen Familienfilm mehr gemacht. Und jetzt gleich zwei. Zufall oder Absicht?

STEVEN SPIELBERG
Reiner Zufall. Niemand kann seine Karriere oder sein Schicksal vorausplanen. Viele Leute glauben, dass sie Meister über ihre Zukunft sind, aber das ist reine Einbildung. Ich habe einen Plan und Gott hat einen Plan - nur dass meiner nicht zählt! Ich besitze schon seit 1983 die Filmrechte für Tintin, aber erst jetzt ist die CGI-Technik meiner Meinung nach gut genug.

Peter Jackson produzierte nicht nur "Die Abenteuer von Tim und Struppi", seine Firma steuerte auch die CGI-Technik bei. Wie muss man sich die Zusammenarbeit vorstellen?

STEVEN SPIELBERG
Sehr kooperativ. Wir sprachen jeden Tag mindestens eineinhalb Stunden lang per Videokonferenz miteinander, sieben Tage die Woche. Pete half uns auch dabei, ‘War Horse' mit Requisiten auszustatten. Der Mann hat alles daheim: sieben Flugzeuge, Tanker, Waffen aller Art - reiner Wahnsinn.

Stimmt es, dass Sie für die Fortsetzung von "Die Abenteuer von Tim und Struppi" die Rollen tauschen werden?

STEVEN SPIELBERG
So haben wir es geplant, ja. Falls der erste Teil erfolgreich ist, wird Pete beim nächsten Film Regie führen und wir produzieren ihn wieder zusammen.