Alles auf Liebe

Premiere im Ersten: Die Komödie "So ein Schlamassel" entführt den Zuschauer in die gleichermaßen fremde wie faszinierende Welt der Juden im Deutschland der Gegenwart (FR, 29.1., ARD, 20.15 Uhr)

Marc weiß nicht, wie ihm geschieht. Am Anfang von "So ein Schlamassel" ist er noch ein ganz normaler junger Mann, gespielt von Johannes Zirner, der sich in eine ganz normale Frau verliebt. Aber als sich herausstellt, dass seine Auserwählte, verkörpert von Natalia Avelon, Jüdin ist, lernt er Feste und Vorschriften kennen, die ihm so fremd sind wie die Rituale im Hinduismus. Und das mitten in Deutschland, im Berlin der Gegenwart.

Jede Menge komische Verwicklungen

Fast noch unglaublicher ist, dass das deutsche Fernsehen den jüdischen Alltag im Hier und Heute weitgehend ignoriert, jedenfalls was Spielfilme betrifft. Dabei bieten die Riten und Familienkonflikte jede Menge Stoff für komische Verwicklungen. Regisseur Dani Levy gehört zu den wenigen, die dieses Potenzial ausschöpfen. Die Kinokomödie "Alles auf Zucker!" mit Henry Hübchen als Schlitzohr vor dem Herrn nutzt die Reibung zwischen einem Zocker und seiner tiefreligiösen Verwandtschaft, um ein Pointenfeuerwerk zu zünden, das an die Regielegende Ernst Lubitsch erinnert.
Ohne Levys Pioniertat, die den Deutschen Filmpreis 2005 gleich in sechs Kategorien gewann, wäre vermutlich auch der Fernsehfilm "So ein Schlamassel" nicht gedreht worden. Die Komödie ist ein Novum in der ARD. Bislang hat sich kein TV-Movie so ausführlich den Freuden und Nöten der Juden im Deutschland der Gegenwart gewidmet. Über die Gründe dafür kann man nur spekulieren. Gewiss dürfte die Angst, aus Unkenntnis nicht den richtigen Ton zu treffen, eine Rolle spielen.

Produzentin Alice Brauner ist selbst Jüdin

Wahrscheinlich ist es auch kein Zufall, dass die Produzentin von "So ein Schlamassel" aus einer bekannten jüdischen Familie stammt. Alice Brauner, Tochter des legendären Berliner Filmproduzenten Artur "Atze" Brauner ("Hitlerjunge Salomon"), hat wie auch Drehbuchautor Daniel Wolf in die ARD-Komödie viele eigene Erfahrungen einfließen lassen. Die grotesk anmutenden Anstrengungen der Familie von Jil Grüngras (Natalia Avelon), für ihre Tochter einen jüdischen Ehemann zu finden, seien eher noch untertrieben, sagt Alice Brauner und lacht.

Die 44-Jährige ist in zweiter Ehe mit einem Katholiken verheiratet. Er feiert mit ihr die jüdischen Feiertage und sie mit ihm die katholischen. Sich ganz vom Judentum zu lösen, kommt für die promovierte Politologin nicht infrage. Dafür sei sie zu tief in der Familientradition verwurzelt. Dass jüdische Familien Söhne und Töchter oft drängen, nur andere Juden und keine "Gojim" (Nichtjuden) zu ehelichen, führt Brauner auch auf die Angst zurück, eine mehr als 5000 Jahre alte Tradition könne zu Ende gehen. Schließlich gebe es weltweit nur noch geschätzte 18 Millionen Juden, davon knapp 200.000 in Deutschland, von denen wiederum 110.000 durch den Zentralrat der Juden vertreten werden.

Konfrontation mit antisemtischen Vorurteilen

Viele von ihnen sind schon mal mit antisemitischen Vorurteilen konfrontiert worden. Im Spielfilm kommt es zum Eklat, als Jil bei der Familie ihres Freundes zu Gast ist und von dessen Onkel provoziert wird. Alice Brauner, die ihre Doktorarbeit über "Antidemokratische und antisemitische Tendenzen in der Neuen Rechten in Deutschland" schrieb, kennt sich damit aus. Besonders empört es sie, wenn die Politik Israels gegenüber den Palästinensern auf eine Ebene mit den Verbrechen der Nazis gestellt wird.

Aber warum sich beim Hass aufhalten, wenn die Hauptdarsteller alles, was sie haben, auf Liebe setzen? Da naht das Happy End so sicher wie der nächste Sabbat.

Rainer Unruh

FR 29.1. ARD 20.15
So ein Schlamassel

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