"Filme fürs nächste Jahrtausend" - so bejubelte die nicht gerade für Überschwänglichkeit bekannte Wochenzeitung "Die Zeit" den historischen Deal der Degeto. Die Filmeinkäufer der ARD hatten in den USA ein Paket mit sage und schreibe 1350 Hollywood-Produktionen erworben, darunter viele der größten Klassiker der Filmgeschichte. Preis: 80 Millionen Dollar. Degeto-Aufsichtsratschef Friedrich-Wilhelm von Seil pries das Geschäft als "außerordentlich bedeutende Anschaffung an Programm im Interesse des Zuschauers von heute und morgen" - damals, im Februar 1984.
Das neue Jahrtausend ist zwar noch jung, doch von der großen Zukunftsinvestition der ARD ist nicht mehr viel übrig. Die Ausstrahlungsrechte an den Filmen sind in den vergangenen 15 Jahren peu à peu ausgelaufen und wurden nicht verlängert - mit dem Effekt, dass der Anteil von Hollywood-Klassikern in den ARD-Programmen in den vergangenen Jahren dramatisch zurückgegangen ist.
Das neue Jahrtausend ist zwar noch jung, doch von der großen Zukunftsinvestition der ARD ist nicht mehr viel übrig. Die Ausstrahlungsrechte an den Filmen sind in den vergangenen 15 Jahren peu à peu ausgelaufen und wurden nicht verlängert - mit dem Effekt, dass der Anteil von Hollywood-Klassikern in den ARD-Programmen in den vergangenen Jahren dramatisch zurückgegangen ist.
Erol Sander statt Errol Flynn
Und nicht nur dort. Unsere Auswertung des Fernsehprogramms der vergangenen zwei Jahrzehnte bestätigt, was viele Zuschauer seit
Langem vage empfinden: Wilder, Welles & Co. verschwinden aus dem Free-TV. Im Ersten sank die Gesamtzahl ausgestrahlter Hollywood-Klassiker von 122 anno 2000 auf sieben (!) im Jahr 2016. In allen Dritten zusammen schrumpfte die Zahl im selben Zeitraum von 633 auf 15, im ZDF von 37 auf 10. Ab 2011 ging es besonders steil bergab (siehe Grafik).
"Seit der Jahrtausendwende hat sich die Fernsehlandschaft noch einmal grundlegend gewandelt", stellt auch Klaudia Wick von der Deutschen Kinemathek fest. Die Organisation betreibt das Berliner Museum für Film und Fernsehen und ist Gralshüterin nicht nur des deutschen filmhistorischen Erbes. Das Fernsehen konzentriert sich nach Wicks Beobachtung zunehmend auf "leichte Unterhaltung und aktuelle Information. Das cinephile Publikum ist da eine immer unbedeutendere Teilmenge".
Fragt man Programmverantwortliche der ARD nach den Gründen für die Klassikerabstinenz, wird man an die Degeto verwiesen, die sei für den Filmeinkauf zuständig. Dort gibt man sich als Anwalt des Publikumsgeschmacks: "Das Interesse der Zuschauerinnen und Zuschauer an Produktionen dieser Art in einem Vollprogramm wie dem Ersten ist zurückgegangen", sagt Degeto-Geschäftsführerin Christine Strobl. Im Klartext: Erol Sander fährt höhere Quoten ein als Errol Flynn, Catterfeld rechnet sich besser als Crawford.
Für Reiz und Wert älterer Filme scheint die studierte Juristin Strobl wenig Sinn zu haben: "Auch Klassiker werden nicht jünger - Filme vor 1960 sind eben mindestens 58 Jahre alt." Und damit immer noch jünger als der durchschnittliche ARD-Zuschauer, könnte man witzeln. Außerdem wird ein Film gerade dadurch zum Klassiker, dass er Frische und Gültigkeit über Jahrzehnte bewahrt hat. Wer Anschauungsmaterial möchte, braucht nur mal einen beliebigen Hitchcock aus den Fünfzigern
mit einem durchschnittlichen "Tatort" oder "Polizeiruf 110" aus den Neunzigern zu vergleichen. Von Hitchcock liefen 2016 übrigens gerade mal zwei Filme bei den Sendern der ARD. Dafür hatte der Zuschauer im selben Jahr die Qual der Wahl zwischen 806 "Tatort"-und "Polizeiruf"-Wiederholungen: öffentlichrechtliche Programmvielfalt in Zeiten der Quotenmanie.
Langem vage empfinden: Wilder, Welles & Co. verschwinden aus dem Free-TV. Im Ersten sank die Gesamtzahl ausgestrahlter Hollywood-Klassiker von 122 anno 2000 auf sieben (!) im Jahr 2016. In allen Dritten zusammen schrumpfte die Zahl im selben Zeitraum von 633 auf 15, im ZDF von 37 auf 10. Ab 2011 ging es besonders steil bergab (siehe Grafik).
"Seit der Jahrtausendwende hat sich die Fernsehlandschaft noch einmal grundlegend gewandelt", stellt auch Klaudia Wick von der Deutschen Kinemathek fest. Die Organisation betreibt das Berliner Museum für Film und Fernsehen und ist Gralshüterin nicht nur des deutschen filmhistorischen Erbes. Das Fernsehen konzentriert sich nach Wicks Beobachtung zunehmend auf "leichte Unterhaltung und aktuelle Information. Das cinephile Publikum ist da eine immer unbedeutendere Teilmenge".
Fragt man Programmverantwortliche der ARD nach den Gründen für die Klassikerabstinenz, wird man an die Degeto verwiesen, die sei für den Filmeinkauf zuständig. Dort gibt man sich als Anwalt des Publikumsgeschmacks: "Das Interesse der Zuschauerinnen und Zuschauer an Produktionen dieser Art in einem Vollprogramm wie dem Ersten ist zurückgegangen", sagt Degeto-Geschäftsführerin Christine Strobl. Im Klartext: Erol Sander fährt höhere Quoten ein als Errol Flynn, Catterfeld rechnet sich besser als Crawford.
Für Reiz und Wert älterer Filme scheint die studierte Juristin Strobl wenig Sinn zu haben: "Auch Klassiker werden nicht jünger - Filme vor 1960 sind eben mindestens 58 Jahre alt." Und damit immer noch jünger als der durchschnittliche ARD-Zuschauer, könnte man witzeln. Außerdem wird ein Film gerade dadurch zum Klassiker, dass er Frische und Gültigkeit über Jahrzehnte bewahrt hat. Wer Anschauungsmaterial möchte, braucht nur mal einen beliebigen Hitchcock aus den Fünfzigern
mit einem durchschnittlichen "Tatort" oder "Polizeiruf 110" aus den Neunzigern zu vergleichen. Von Hitchcock liefen 2016 übrigens gerade mal zwei Filme bei den Sendern der ARD. Dafür hatte der Zuschauer im selben Jahr die Qual der Wahl zwischen 806 "Tatort"-und "Polizeiruf"-Wiederholungen: öffentlichrechtliche Programmvielfalt in Zeiten der Quotenmanie.
Wenig Wissen über Filmgeschichte
Die Crux an der Sache: Das Fernsehen beugt sich mit dieser Programmpolitik nicht nur dem vermeintlichen Massengeschmack, es prägt ihn auch. "Ich gehöre als Babyboomer zur Fernsehgeneration und habe als junger Mensch noch stark davon profitiert, dass ARD und ZDF viele Kinoklassiker gezeigt haben. Das hat mein Filmwissen maßgeblich aufgebaut", sagt Klaudia Wick. Dasselbe dürfte für viele Deutsche der Alterskohorte 40 plus gelten. Natürlich ist heute ein Großteil der Filmgeschichte auf DVD verfügbar. Doch um dieses Angebot zu nutzen, muss man es erst einmal kennen. Dozenten an Filmhochschulen klagen, dass die Kenntnisse der Filmgeschichte unter Studenten in den vergangenen Jahren schmerzlich nachgelassen haben.
Immerhin: Wer auf der Suche nach älteren Filmen tiefer ins Fernsehprogramm eindringt, wird selbst im Jahr 2017 noch fündig. 3sat hat sie noch regelmäßig im Angebot, wobei ihre Anzahl auch bei diesem Sender rückläufig und seit 2011 um mehr als zwei Drittel gesunken ist. Kleine Privatsender wie Tele 5, Servus TV und der Disney Channel schmücken sich in unregelmäßigen Abständen mit Evergreens der Filmgeschichte, leider inklusive der unvermeidlichen Werbeunterbrechungen. Und dann gibt's ja noch Arte: Der deutsch-französische Kulturkanal hat als einziger öffentlich-rechtlicher Sender seine Klassikerquote in den vergangenen Jahren deutlich erhöht - nicht zuletzt dank französischer Gebührengelder, denn in Frankreich hat die Filmkultur traditionell einen höheren Stellenwert als hierzulande.
Das gilt inzwischen leider bis in die Führungsetagen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.
Autor: Christian Holst
Immerhin: Wer auf der Suche nach älteren Filmen tiefer ins Fernsehprogramm eindringt, wird selbst im Jahr 2017 noch fündig. 3sat hat sie noch regelmäßig im Angebot, wobei ihre Anzahl auch bei diesem Sender rückläufig und seit 2011 um mehr als zwei Drittel gesunken ist. Kleine Privatsender wie Tele 5, Servus TV und der Disney Channel schmücken sich in unregelmäßigen Abständen mit Evergreens der Filmgeschichte, leider inklusive der unvermeidlichen Werbeunterbrechungen. Und dann gibt's ja noch Arte: Der deutsch-französische Kulturkanal hat als einziger öffentlich-rechtlicher Sender seine Klassikerquote in den vergangenen Jahren deutlich erhöht - nicht zuletzt dank französischer Gebührengelder, denn in Frankreich hat die Filmkultur traditionell einen höheren Stellenwert als hierzulande.
Das gilt inzwischen leider bis in die Führungsetagen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.
Autor: Christian Holst