Als Jan Böhmermann im März 2016 ein Schmähgedicht gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan vorträgt, ahnte niemand, dass dies eine Staatsaffäre nach sich zieht und auch mehr als drei Jahre später noch Gerichte beschäftigen würde.

Der ZDF-Moderator war nun selbst Ankläger. Mit einer Unterlassungsklage an das Berliner Verwaltungsgericht ging er gegen das Bundeskanzleramt und Kanzlerin Angela Merkel vor. Grund: Die Formulierung "bewusst verletzend", von Merkel in der Öffentlichkeit über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert verbreitet, sei einer Vorverurteilung gleichgekommen. Doch Jan Böhmermann scheiterte. Das Gericht erklärte die Klage für unzulässig. Sie könne nur erhoben werden, wenn eine Wiederholung drohe. Diese Gefahr sei nicht gegeben, da das Kanzleramt sich ohnehin verpflichtet hatte, eine solche Formulierung nicht erneut vorzunehmen.

Recep Tayyip Erdoğan klagte Böhmermann an

Böhmermann hatte das Gedicht in seiner Late-Night-Show "Neo Magazin Royale" vorgetragen und im Vorfeld der Lesung erklärt, dass die nun folgenden, grobschlächtigen Beschimpfungen den Unterschied zwischen erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik verdeutlichen sollen. Es wurden türkische Untertitel für das Schmähgedicht eingeblendet, allerdings nicht für den erklärenden Kontext. Ein politischer Eklat folgte, als die Regierung der Türkei und auch Erdoğan selbst Strafanzeige gegen Böhmermann erstatteten.

Die Kanzlerin hatte die Verse zunächst "bewusst verletzend" genannt. Später stufte sie dies selbst als "Fehler" ein, weil der Eindruck entstanden sei, dass ihre "persönliche Bewertung zu irgendetwas" eine Rolle spiele. Zu diesem Zeitpunkt stand der Moderator längst unter Beschuss, zwischenzeitlich befanden sich er und seine Familie unter Polizeischutz. Auch deshalb reichte es Jan Böhmermann nicht, dass die Kanzlerin ihren Fehler eingestand. Seine Klage richtete sich explizit gegen das Kanzleramt und Merkles damalige erste Kritik. Böhmermanns Anwalt Reiner Geulen hatte vor Prozessbeginn erklärt, die Merkel-Äußerungen seien eine "nicht hinzunehmende staatliche Vorverurteilung". Es sei nicht zu akzeptieren, dass sich die Bundesregierung "aus politischen Gründen mit juristischen Bewertungen in die freie und unabhängige Rechtsprechung einmischt". Böhmermann sehe seine Grundrechte auf Presse- und Kunstfreiheit verletzt.

Ermittlungen gegen den Late-Night-Moderator wegen Beleidigung wurden bereits im Herbst 2016 eingestellt. In einem anderen Verfahren wurde ihm jedoch untersagt, bestimmte "ehrverletzende" Verse des Gedichts zu wiederholen. Einen "Erfolg" konnte Jan Böhmermann dennoch verbuchen: Am 1. Juni 2017 beschloss der Bundestag einstimmig die Abschaffung des Paragraphen 103. Seit diesem Tag steht in deutschen Geschichtsbüchern: "Die Abschaffung des Straftatbestandes der Majestätsbeleidigung ist eine Folge der Böhmermann-Affäre."