Drei Frauen in den Hauptrollen - hatten Sie besondere Erwartun­gen an so einen Frauenfilm?

Nina Kunzendorf Frauenfilm? Würden Sie von einem Männer­film sprechen, nur weil drei Männer die Hauptrollen spielen?

Katja Riemann Ist das nicht interessant, dass man so etwas überhaupt fragt? Da kann man mal sehen, wo wir stehen. Ich meine das nicht vorwurfsvoll, es wäre nur voraussichtlich keine Frage, wären wir männlich.

Na ja, Sie spielen eine Konzern­chefin, die Chefredakteurin und die Reporterin eines Polit­magazins - das ist auffällig, denn in diesen Positionen findet man im wahren Leben kaum Frauen.

Anke Engelke Für mich als Schauspielerin macht es keinen Unterschied, ob ich mit Män­nern oder Frauen spiele. In der
Urfassung des Drehbuch gab es sogar eine männliche Figur, die jetzt im Film weiblich ist.

RiemannIn der Vorbereitung für meine Rolle als Konzernchefin habe ich ein Role­-Model gesucht - und nicht gefunden. Jedenfalls nicht in der Wirtschaft. Da sind tatsächlich nur Männer. In der Politik gibt es einflussreiche Frau­en, wie Marine le Pen oder Frauke Petry, die keine Schnittmenge mehr haben mit mir. Aber Politik ist ein anderes Geschäft als das der Global Business Maker.

Hat es eine andere Qualität, wenn eine Frau den bösen Wirtschaftsboss spielt?

Riemann Es ist einem vertrau­ter, dass Männer in diesen Po­sitionen sitzen. Wenn eine Frau dort sitzt, schaut man aufmerk­samer auf das, was sie tatsächlich tut. Man versteht noch mal neu, die Fatalität dessen was passiert und mit uns passiert.

Frau Engelke, Sie waren früher selbst mal Hörfunkjournalistin. Fanden Sie den Job der Chef­redakteurin reizvoll?

Engelke Nein. Da fehlt mir ein Gen oder so. Entscheidungen zu treffen und dazu zu stehen, das kann ich im Privaten hinkriegen, in der Familie und im Freundes­ kreis, aber ich könnte das nie­mals in Hierarchien, in denen ich oben stehe. Chefredakteurin ist das Letzte, was ich mir zutrau­en würde.

An welchen Stellen haben Sie als Schauspielerinnen Einfluss auf den Film genommen?

Kunzendorf Wir hatten es mit einem Stoff zu tun, der so aktuell ist, dass wir immer wieder von tagespolitischen Neuigkeiten überrollt wurden. Das war eine Herausforderung. Es gab einen Tag, an dem wir alle wie die Hühner an den Drehort kamen, weil Greenpeace diese Glaskäs­ten aufgestellt hat.

Die öffentlichen Leseräume, in denen die TTIP-Vertragsentwürfe auslagen...

Kunzendorf Genau. Der Dreh­plan wurde verändert, weil die Regisseurin Sherry Hormann und wir das mit in den Film neh­men wollten. Anke hat sich in die Glaskästen gesetzt, ein zweites Team hat gedreht. Zeitgleich war die große TTIP­Demonstration in Hannover. Nachts ist Sherry noch mit einem Team dort hin­ gefahren, um am nächsten Mor­gen zu drehen. Wir haben viel über den Stoff gesprochen. Wie ist die Situation wohl in einem halben Jahr, wenn der Film aus­ gestrahlt wird? Es erforderte ei­ne permanente Wachsamkeit.

Katja Riemann gibt dem Konzern als eiskalte Chefin ein Gesicht. Konzentriert sich die böse Energie tatsächlich in einer Person? Sind die nicht austauschbar?

Engelke Das ist ja manchmal gar keine böse Person. Sondern ein freundlicher Typ, der im Rollkragenpullover auf der Büh­ne steht. Lässig, denkt man.

Sie meinen Manager wie den verstorbenen Steve Jobs, den CEO von Apple.

Engelke Solche Menschen wer­den gefeiert. Die Gesichter sind nicht das Böse. Dahinter verbirgt sich aber nun mal oft eine Idee, die nicht in Ordnung ist. Es geht um Wachstum, nicht darum, die Welt besser zu machen. Kein CEO verzichtet auf sein Gehalt, um die Welt zu verbessern. Wachstum, Börse, Geld, Macht. Ende. Manche spenden eine Riesen­summe, wenn sie in die frühe Pension gehen.

Engelke Macht Katjas Figur im Film auch.

Was halten Sie davon? Facebook­ Chef Mark Zuckerberg will 45 Milliarden Dollar spenden. Damit kann man viel bewegen.

Engelke Grundsätzlich ist es gut, wenn Leute Gutes tun. Aber man muss auch sehen, wie sie zu dem Geld gekommen sind, mit dem sie jetzt der Welt helfen wol­ len. All die Jahre davor wollten sie der Welt nicht helfen, son­dern sich selbst.

Was denken Sie, woher kommt die Hinwendung zum Helfen?

Engelke Offenbar gibt es macht­-getriebene Menschen, die sich selbst Herausforderungen set­zen: Da will ich hin! Und dann kommen sie da irgendwann an und sagen: Ah! Doch blöd hier. Und dann kommt die nächste Herausforderung. Dafür habe ich nicht so viel Verständnis.

Die EU wurde mit dem Friedens­nobelpreis ausgezeichnet. Muss man TTIP und den damit verbun­denen Handelsbeziehungen auch ein gewisses friedensstiftendes Potenzial zugestehen?

Riemann Man kann TTIP nicht ausmessen und in seiner Wirkung vorhersagen. Aber oft erzeugen die Konzerne, die von TTIP profitieren, ihre Gewinne dadurch, dass irgendwo anders auf der Welt jemand ausgebeutet wird.

Im Film lässt die Konzernchefin einen Kritiker umbringen. Gibt es wirklich Schnittmengen von Konzernwelt und Unterwelt?

Kunzendorf Natürlich ist dieser Film Fiktion. Aber unser Autor Florian Oeller hat intensiv recheriert. Und wenn man sich näher mit dem Thema befasst, stösst man auf unglaubliche Ge­schichten: Forscher, die sich mit der gesundheitsschädigenden Wirkung von Pflanzenschutz­ mitteln beschäftigen werden be­droht, beruflich zugrunde gerichtet oder zumindest ins Ab­seits gestellt werden. Anrufe wie: Wir wissen, wo Ihre Frau gerade ist gibt es nicht nur in Filmen.

Engelke Ich kenne eine thailän­dische Pharmazeutin, mit der ich im Rahmen meiner Arbeit mit dem Medikamentenhilfs­werk Aktion Medeor zu tun hat­te. Die hat ein HIV­-Praparat ent­wickelt und es der Weltöffent­lichkeit geschenkt... Das macht man nicht! Man lässt sich das natürlich teuer bezahlen! Nach der Freigabe bekam sie nachts Drohanrufe und schlief mit dem Baseballschläger neben dem Bett. Super Frau, lässt sich nicht einschüchtern.

Riemann Das hat ja viel mit un­serem zweiten Teil zu tun, irre!

Ein zweiter Teil? Interessant.

Engelke Upps...

Interview: Frank I. Aures