Wagt man derzeit einen Blick auf die Top 10 bei Netflix, dürfte man über einen Titel stolpern, der bis vor Kurzem noch niemandem ein Begriff war: "Herzschlag". Die Serie ist bei Netflix überdurchschnittlich erfolgreich und zu einem Erfolgstitel geworden – ohne, dass sie vor ihrem Start am 20. April 2022 irgendwer auf dem Schirm hatte. Ähnlich wie zuletzt "Das Damengambit" oder der Überflieger "Squid Game" hat es "Herzschlag" also ganz ohne großes Marketing geschafft, einen Hype auszulösen. Aber: Was reizt so viele an der Serie?
"Herzschlag" bei Netflix: Was ist das überhaupt?
"Herzschlag" ist eine kolumbianische Mischung aus Thriller, Melodrama und Telenovela. Darin geht es um Valeria Duque (Margarita Muñoz), die von einem Gangstertrupp ermordet wird, weil man ihr Herz als Spenderorgan für die wohlhabende Camila Duarte (Ana Lucía Domínguez) nutzen will. Camila bleibt dank dem Mord an Valeria und der OP am Leben, erfährt aber nichts über die Umstände ihrer Rettung. Derweil wird Simón (Michel Brown), der Ehemann von Valeria, durch den Tod seiner Frau in eine tiefe Depression gestürzt. Er entwickelt Rachegedanken und will herausfinden, wer Valerias Tod in Auftrag gab.
Also begibt er sich in die Welt des Organhandels und lässt sich schnell auf dubiose Typen ein. Parallel beginnt auch Camila, nach der Wahrheit zu suchen. Bei ihren Ermittlungen begegnen die beiden einander und kommen sich erst emotional, dann aber auch körperlich näher. Man muss wohl nicht erklären, wie schwierig die Situation also wird, je näher sie der Wahrheit kommen – u.a., weil die Hintermänner des Mordes alles daransetzen wollen, im Dunkeln zu bleiben.
Woher kommt der Hype um "Herzschlag"?
Die im äußerst eigenwilligen Stil daherkommende Netflix-Serie hat es geschafft, zeitgleich ein großer Erfolg zu werden und doch unter dem Radar zu laufen. Professionelle Kritikermeinungen gibt es nur wenige zu "Herzschlag". Dennoch ist, sobald man ein paar der bislang insgesamt vierzehn Folgen gesehen hat, leicht zu erkennen, wieso die Serie auf so eine Resonanz stört: Genau wie zuletzt "Squid Game" kitzelt sie clever die Urinstinkte des Publikums. War "Squid Game" letztlich trotz all der brutalen Gewalt eine Geschichte über die Ausbeutung armer Menschen in einem ungerechten, hyperkapitalistischen System, legt "Herzschlag" einen ähnlichen Fokus: Wie die Mafia hier rücksichtslos eine Frau tötet, nur um ihr Herz zu entnehmen, sie also als Organresterampe für wohlhabende Klienten ansieht, erzählt von der ungerechten Ausbeutung der Mehrheit durch einige wenige, die sich jedes Recht rausnehmen. Und Simón wird zur Symbolfigur des wütenden "kleinen Mannes", der sich gegen die Unterdrücker zur Wehr setzt.
Zudem kommen "Herzschlag" seine kolumbianischen Wurzeln gelegen. Das Format mag auf einige gar wie Trash wirken, mit den vielen, überdrehten Twists, bunten Bildern und schillernden Figuren. Doch ob beabsichtigt oder nicht wirkt die Serie durch ihre Telenovela-Art und ihre klare Herkunft auf ein europäisches Publikum gar exotisch. Ähnlich funktionierte auch einst der Erfolg von "Haus des Geldes" bei Netflix. Die ungewöhnliche Optik, die in Spanien gar konventionell wirkte, dem Rest der Welt aber unbekannt war, sorgte für einen hohen Reizfaktor. Zumindest eine Folge "Herzschlag" kann man sich daher getrost anschauen, alleine, um den eigenen Serienhorizont zu erweitern. Es muss aber auch klar gesagt werden: Nach einer Folge kann man bereits gut einschätzen, ob die Serie einem gefällt oder nicht. Wer nach den ersten vierzig Minuten schon genervt abdrehen will, verpasst in den restlichen Folgen nichts.
Wem es gefällt, kann sich schon freuen: Eine zweite Staffel wurde von Netflix jüngst bestellt.