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Meinung: Zeitfresser "Stranger Things" – Staffel 4 hat ein gewaltiges Problem

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"Stranger Things" Staffel 4 erzählt die Geschichte der Kinder weiter, bringt aber auch Hopper (David Harbour, r.) zurück. Zu viel des Guten? Netflix, Montage: TVSPIELFILM.de

Meinung | "Stranger Things" ist die vielleicht populärste Netflix-Original-Serie überhaupt. Und doch hatte unser Redakteur Michael Hille mit der neuen vierten Staffel zu kämpfen. Er findet: Weniger wäre dieses Mal definitiv mehr gewesen!

Im Jahr 2016 war "Stranger Things" der große Überraschungshit für Netflix. Der Coronavirus-Pandemie wegen hat es jetzt fast drei Jahre gedauert, ehe Fans seit dem 27. Mai 2022 die ersten sieben Folgen der vierten Staffel schauen können. Zwei Episoden fehlen noch und werden am 1. Juli folgen. Die neue Staffel ist alles, was man erwarten durfte: Noch größer als die vorherigen, düsterer, erwachsener und vollgepackt mit Monster-Action.

Aber sie ist eben auch vor allem eines: eine Geduldsprobe! Nicht nur ist für die neue Staffel gehörig Sitzfleisch von Nöten, sondern auch maximale Aufmerksamkeit für gleich 5 bis 6 parallele Handlungsbögen. So anstrengend war "Stranger Things" noch nie – und man darf die Frage stellen: Wurde hierbei überhaupt noch an uns Zuschauer oder nur an Algorithmen gedacht?

Sind das noch Folgen oder schon "Stranger Things"-Filme?

Im Streamingzeitalter sind Serien längst nicht mehr auf die einst übliche 45 Minuten Laufzeit pro Episode beschränkt. Doch die vierte Staffel "Stranger Things" schlägt dem Fass den Boden aus: Keine Folge ist kürzer als 72 Minuten, teils kratzen die Episoden an der 90 Minuten Marke. Das Staffelfinale im Juli soll dann 150 Minuten, zweieinhalb Stunden lang sein. Diese erschlagende Menge ist zu spüren: Schnell mal eben an einem Wochenende die neue Staffel bingen ist gar nicht so leicht. Die Zeit dafür muss man erstmal finden.

Um die Folgen auch mit Inhalt zu füllen, ist die neue Staffel vollgepackt mit Handlungssträngen. Eleven wird an der neuen Schule gemobbt. Lucas und Co. erleben weiter Abenteuer in Hawkins. Hopper hockt in einem russischen Gulag. Joyce wagt sich auf eine Rettungsmission. Die Russen forschen an einem Demogorgon. Der exzentrische High School Schüler Eddie leitet einen geheimen "Dungeons & Dragons"-Club und lädt Mike und Dustin dazu ein. Zudem wird noch die Vergangenheit von Eleven tiefgehender behandelt. Man merkt schnell: Es ist sehr viel los. Zu viel?

Liebe "Stranger Things"-Autoren: Mehr ist nicht gleich besser

Man könnte hier die "Henne/Ei"-Problematik bemühen und fragen: Was war zuerst da – die vielen Handlungsbögen oder der Entschluss, die Folgen dermaßen lang zu machen? Denn es ist auffällig, wie viele Plots in dieser Staffel ins Leere laufen. Elevens Erfahrungen an der neuen Schule sind gänzlich redundant. Hoppers Erlebnisse im russischen Gulag drehen sich über mehrere Folgen im Kreis. Besonders kurios: Ein langer Gastauftritt des legendären Horrorfilm-Schauspielers Robert Englund (er spielte Freddy Krüger in "Nightmare on Elm Street") entpuppt sich als komplett überflüssiges Intermezzo.

Natürlich will man seine eigene Serie immer größer, spektakulärer und besser machen. Was die siebte Folge der vierten Staffel an Spektakel abfackelt, damit halten die meisten Kinofilme nicht mit. Dennoch ist "Stranger Things" nie so gähnend langweilig und vor allem unnötig überladen gewesen wie hier. Weniger muss nicht immer mehr sein. Aber mehr ist auch nicht gleich automatisch besser.

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Dreht Netflix seine Serien mittlerweile mit Blick auf Algorithmen?

Netflix steckt derzeit in der ersten echten Krise. Erstmals seit mehr als zehn Jahren ist die Zahl der Abonnenten gesunken. Die Prognosen für die nächsten Monate sehen ebenfalls wenig rosig aus. "Stranger Things" Staffel 4 kommt da für den Anbieter grade rechtzeitig: Die Blockbuster-Serie ist enorm beliebt, und die allermeisten Fans werden daher gewillt sein, sich selbst die längsten Episoden anzugucken. Dem Unternehmen bietet das reichlich Gelegenheit, demnächst stolz auf die durch die Zuschauer verfolgten Minuten zu verweisen. Netflix misst seine Erfolge bekanntlich daran, wie viele Minuten einer Serie oder eines Films gestreamt wurden – und je länger die Folgen, umso mehr Minuten müssen von den Fans geschaut werden.

Ob Netflix beim Drehen dieser Staffel wirklich an so eine Strategie gedacht hat, ist natürlich reine Spekulation. Doch vielleicht fühlt sich die vierte Staffel deshalb so seltsam in die Länge gezogen an, weil es hier nicht mehr um hochwertige Unterhaltung ging, sondern darum, gute Daten und Rekordzahlen einzufahren. "Stranger Things"-Fans, die auch von Staffel 4 trotz aller Schwächen nicht genug bekommen, kann es egal sein: Staffel 5 ist längst bestätigt und wird vermutlich schon nächstes Jahr kommen.

Der Trailer zur vierten Staffel von "Stranger Things". Netflix
Foto: Netflix, Das Plakat zur vierten Staffel "Stranger Things".