.

Warum "Criminal Minds" in der Krimi-Landschaft fehlen wird

Criminal Minds Rossi Hotchner Morgan Prentiss Reid
Das "Criminal Minds"-Team haben wir leider zum letzten Mal ermitteln gesehen. Imago Images, Montage: TV Spielfilm

15 Staffeln, 324 Folgen: Nur wenigen Serien ist so eine lange Lebenszeit vergönnt. Und trotzdem ist für "Criminal Minds" jetzt das Ende gekommen. Unser Autor verrät, warum das nicht nur für ihn ein großer Verlust im TV ist.

Ach, "Criminal Minds". Was hat man nicht alles Böses über dich gesagt? Immer wieder stand der Vorwurf der Gewaltverherrlichung im Raum. Sogar dein erster Hauptdarsteller Mandy Patinkin ("Homeland") stieg nach zwei Staffeln aus, weil er die Gewalt in dir nicht ertrug.

Nein, einfach hast du es nicht gehabt – und obwohl auch ich in späteren Staffeln immer mehr meine Probleme mit dir hatte, bin ich dir bis zum bittersüßen Serienfinale treu geblieben. Eins steht für mich fest: Du hinterlässt eine Lücke im US-Krimifernsehen, die schwer zu schließen sein wird.

Abgrenzung von Krimi-Klischees

Als "Criminal Minds" 2005 gestartet ist, mag die Serie wegen ihrer sehr expliziten Gewaltdarstellungen provokant gewirkt haben, doch war sie auch ein Befreiungsschlag. Kurz zuvor hatten Serien wie "CSI: Den Tätern auf der Spur", "Bones – Die Knochenjägerin" oder "Navy CIS" das Krimi-Genre um einen neuen Fokus bereichert: Sie konzentrierten sich auf die möglichst exakte Darstellung forensischer Techniken, mit aufwendigen Animationen. Der geschehene Mord ist eine Art forensisches Puzzle, das unterm Mikroskop zusammengesetzt werden muss.

Doch "Criminal Minds" war nie an Forensik interessiert – genau wie ich. Was einige Technik-Genies mit ihren Hightech-Gerätschaften bewerkstelligen, ist sicher beeindruckend, aber nichts, womit ich mich identifizeren kann. "Criminal Minds" hingegen richtete sein Augenmerk auf den Menschen, es ging um Themen wie Psychologie, um Profiling. Profiling kannte man im Mainstream bis dato nur aus einigen wenigen Thriller-Filmen, wie "Das Schweigen der Lämmer" oder "Sieben", was diese Herangehensweise frisch und aufregend machte. Die Ermittler waren hier Statistiker, genaue Beobachter, die den Mörder bereits kannten, bevor sie ihm gegenüber standen. Wer also wie ich von steifen Verhörszenen, nervigen falschen Verdächtigungen und Verhaftungen und obligatorischem Wutanfall nur genervt ist, war für den nüchternen, wissenschaftlichen Ansatz der BAU-Ermittler dankbar. Für alle anderen gab es ja noch Kollegen wie "Castle", "Monk" oder "The Mentalist".

Psychologische Spannung nach realem Vorbild

Durch den wissenschaftlichen Ansatz war "Criminal Minds" oft auch für den Alltag interessant. Beim Profiling begibt sich das BAU-Team tief in die Psyche von Kriminellen. Anhand statistischer Erhebungen können sie so Aussagen treffen, die das Verhalten von Serienkillern vorhersagen. Diese statistischen Ergebnisse lassen sich aber auf vieles anwenden, nicht nur bei der Suche nach Mördern. Ein Beispiel? In einer der ersten Folgen erklären die Cops, dass jede Partnerschaft zwischen zwei Menschen immer zwei Parts hat – den Dominanten und den Unterwürfigen. Oder einfacher gesagt: Einer hat immer die Hosen an.

Wer das einmal von Jason Gideon (Mandy Patinkin) erklärt bekommen hat, und nur ein wenig so tickt wie ich, beginnt daraufhin sofort, Beziehungen im eigenen Bekanntenkreis nach der dominanten und nach der unterwürfigen Person zu durchsuchen. Oder seine Rolle in seinen eigenen Beziehungen zu durchdenken. Mit welchem Ergebnis, lasse ich in meinem Fall besser offen.

Doch auch als Fan von True-Crime-Serien war "Criminal Minds" wie für mich gemacht. Zwar erzählen die Kriminalfälle in den Folgen nicht direkt reale Geschehnisse nach wie in "American Crime Story" oder "Mindhunter". Trotzdem ließ sich aus den Profilen eine Menge lernen. Zum Beispiel, dass bei entführten Kindern ab zwölf Stunden nach ihrem Verschwinden die Überlebenschance mit jeder Stunde fällt. Kinder, die länger als 24 Stunden vermisst werden, werden so gut wie nie lebend gefunden. All diese Profiling-Fakten sind psychologisch korrekt und von den Autoren sauber recherchiert.

Der Recherche-Eifer ging aber sogar noch weiter: Sämtliche Verbrechen in allen 324 Folgen basieren auf realen Morden. Mal stehen "berühmte" Serienmörder wie David Berkowitz, Ted Bundy oder der Zodiac-Killer Pate, oft aber auch skurrile Morde aus aller Welt. Dabei werden Namen und Details aber immer so angepasst, dass keine Angehörigen echter Opfer sich in den Folgen wiedererkennen können. Was für eine Arbeit!

Teamwork, aber nicht zu aufdringlich

Ich bin niemand, der sehr an Charakteren hängt. Für "Criminal Minds" ein Vorteil, denn die Serie hat im Laufe der Jahre viele Hauptfiguren verschlissen: Derek Morgan (Shemar Moore), Elle Greenaway (Lola Glaudini), Dr. Alex Blake (Jeanne Tripplehorn), Kate Callahan (Jennifer Love Hewitt) … Sogar die zwei ursprünglichen Hauptfiguren mussten irgendwann gehen. Jason Gideon verließ wie sein Darsteller die Serie, weil er die Gewalt in der Welt nicht mehr ertrug, während Aaron Hotchner (Thomas Gibson) sich ins Zeugenschutzprogramm verabschiedete, als der Darsteller am Set auf Crew-Mitglieder los ging.

Doch anders als anderen Serien hat "Criminal Minds" sich von diesen Rückschlägen immer schnell erholt. Und das liegt an der tollen Gewichtung der Autoren: Während in Serien wie "Navy CIS" stets die Persönlichkeiten von Gibbs, Ziva, Tony und haste-nicht-gesehen im Vordergrund stehen, geht es in "Criminal Minds" primär um die Opfer. Die Serie zeigt Ermittler, die einfach einen verdammt guten Job machen. Natürlich haben sie alle eine eigene Persönlichkeit, aber dennoch bewunderte ich sie nicht für das was sie waren, sondern für das was sie taten. Als damals also Gideon und Greenaway die Show verließen, freute ich mich sogar richtig auf die nun veränderte Teamdynamik.

Zugegeben: So ganz hat man uns im Lauf der Jahre die Klischee-Romanzen dann doch nicht erspart, und in den letzten Jahren wurde die Serie dann doch sehr auf Dr. Spencer Reid (Matthew Gray Gubler) konzentriert. Spätestens mit Staffel 9 begann auch bei der BAU der stärkere Fokus auf die Figuren und ihre Liebeleien, ihre Interaktionen. Ab da fremdelte ich mit der Serie, und auch mit den Fans, denen ein "Babygirl" von Morgan in Richtung Garcia (Kirsten Vangsness) wichtiger zu sein schien als gut geschriebene Fälle. Ab hier wurde die Serie teilweise so selbstzweckhaft brutal, dass der Vorwurf der "Gewaltverherrlichung" plötzlich viel nachvollziehbarer erschien.

Trotzdem: Während andere Serien mich mit Privatkram, Soap-Einschlägen und Tränendrückerei nerven, zeigte "Criminal Minds" professionelle Menschen, die versuchen, die Welt ein wenig besser zu machen. So wie auch "Criminal Minds" die TV-Welt ein paar Jahre lang besser machen konnte.