Der Mut des Serienschöpfers Michael Schur ("Brooklyn Nine-Nine") nötigt Respekt ab: 2015 präsentierte er dem US-Sender NBC ein Konzept für eine neue Comedyserie. Er stellte seine Idee in nur einem Satz so vor: "Wir machen eine Sitcom, die im Jenseits spielt – und es geht um eine Frau, die dort Nutzenethik und Philosophie lernt." Gähn. Klingt nach Schulunterricht? Nach trockenem Bildungsfernsehen? Weit gefehlt!
Tatsächlich wurde aus dieser Idee eine der schlausten und zugleich lustigsten Serien, die je gedreht wurden. Bei uns ging sie auf Sendern wie ProSieben Fun und SIXX stark unter, im Streaming ist sie aktuell gar nicht verfügbar. Wer sie aber dennoch sehen will – und das kann man nur jedem Serienfan empfehlen –, der kann sie ganz altmodisch jetzt auf DVD und Blu-ray kaufen. Die Rede ist von "The Good Place" – im Deutschen "Der Grüne Bereich", so heißt nämlich – wie Zuschauer hier lernen – in dieser Serie das Jenseits. Im Gegensatz zum Roten Bereich, "The Bad Place", der Hölle.
Lachen nach dem Tod: "The Good Place" spielt im "Himmel"
Eleanor Shellstrop (Kristen Bell) ist tot. Sie kommt bei einem Unfall ums Leben. Schlagartig wacht sie im Good Place auf und trifft dort auf Michael (Ted Danson). Er ist ein Engel Gottes, der die Aufgabe hat, den Grünen Bereich zu errichten. Eleanor lernt von ihm, dass das Jenseits anders aufgebaut ist, als die Weltreligionen annehmen. In den Grünen Bereich kommen nur die besten Menschen, die je gelebt haben: Menschen, die durch ihre humanitäre Arbeit das Leben von Tausenden verbessert haben. Nur weniger als ein Prozent aller Menschen landen hier – der Rest der Menschheit kommt in den Roten Bereich und erleidet dort Höllenqualen.
Der Grüne Bereich ist als kleine, beschauliche Nachbarschaft gestaltet, die perfekt auf die Interessen aller Einwohner abgestimmt ist. Zudem findet im Good Place jeder seinen perfekten Seelenverwandten, mit dem er auch zusammenlebt. Eleanors Seelenverwandter ist der jung verstorbene Ethik-Professor Chidi Anagonye (William Jackson Harper). Doch im Grünen Bereich treten plötzlich Probleme auf: Riesige Marienkäfer verwüsten die Städte, Müll regnet vom Himmel. Michael kann sich all das nicht erklären. Eleanor aber hat eine mögliche Antwort – und weiht Chidi in ihr Geheimnis mit ein: Sie ist fälschlicherweise im Good Place gelandet!
Die Frau, für die alle sie halten, ist eine andere Eleanor Shellstrop, die jetzt in der Hölle schmort. Die Eleanor im Grünen Bereich hingegen war ihr ganzes Leben lang eine egoistische, eitle und rücksichtslose Person. Es gab also eine Verwechslung, die niemand bemerkt hat – aber das Jenseits selbst wehrt sich gegen den Eindringling. Damit Eleanor nicht auffliegt und sich die Ereignisse beruhigen – ohne, dass sie in die Hölle muss –, entwickeln Chidi und sie einen Plan: Er gibt ihr Ethik- und Philosophie-Unterricht und bringt ihr bei, wie man ein tadelloser Mensch wird, der den Platz im Grünen Bereich verdient. Kann doch eigentlich gar nicht schiefgehen, oder? Oh doch!
Da lacht selbst Platon: So witzig kann Philosophie sein
Eine Serie wie "The Good Place" ist eigentlich zu gut, um wahr zu sein: Sie hat ein innovatives Konzept, liebenswerte Figuren, zeigt einzigartige Situationen und ist dabei auch noch lehrreich und clever. Natürlich steht und fällt alles mit den Fragen: Wie unterhaltsam kann eine Serie sein, die im Jenseits spielt? Wie lustig sind 13 Folgen, die von Philosophie und Ethik handeln? Ungläubigen kann man nur versichern: Es funktioniert – irgendwie. Das genaue Geheimrezept ist auch nach 13 Folgen noch ein wenig unerklärlich. Michael Schur und seinem Autorenteam gelingt es schlicht auf beeindruckende Weise, aus dem Szenario eine geniale Idee nach der anderen zu erdenken. Beispiel gefällig? Da der Grüne Bereich heilig ist, kann dort nicht geflucht werden. Die vulgäre Eleanor hört man daher ständig Sätze sagen wie: "So eine Scheibe!", "What the Duck?" oder "Das finde ich total beflissen!" – Natürlich fällt ihr auch selbst auf, dass sie nicht "richtig flucht", was sie nur noch wütender macht.
Gleichzeitig nehmen sie die Ethik-Komponente der Serie ernst: Chidi erklärt Eleanor etwa das Prinzip des Utilitarismus, also der Nutzenethik nach Jeremy Bentham und John Stuart Mill. Wer das schon in der Schule langweilig fand, wird sich kaputtlachen, wenn Eleanor nur wenig Verständnis für Chidis Begeisterung aufbringen kann. Allerdings vermittelt die Serie den Kern ihrer Sujets sehr wohl. Jede Folge hat eine kleine Rahmenhandlung, in der Eleanor vor ein Problem gestellt wird und durch eine neue philosophische Maxime lernt, wie sie sich korrekt verhalten soll. Das macht "The Good Place" zur perfekten Serie für die ganze Familie: Der Humor und die vielen Anspielungen an Religionen, historische Ereignisse oder die Popkultur sind ein Genuss für ältere Zuschauer, die Kinder lernen zudem etwas dazu – und da Eleanor ja nicht richtig fluchen darf, hat die Serie quasi ihren eigens eingebauten Jugendschutz.
Die Geheimwaffen: Kristen Bell und Ted Danson!
Getragen wird diese hinreißende Serie von famosen Schauspielern. Natürlich muss Kristen Bell gelobt werden. Die einstige "Veronica Mars"-Ikone ist fantastisch in der schwierigen Hauptrolle, ihr Comedy-Timing ist begnadet, ihre Chemie mit Chidi-Darsteller William Jackson Harper phänomenal. Sämtliche Superlative verdient sich aber Ted Danson, der im Alleingang "The Good Place" zur Sensation macht: Der Serien-Darsteller wurde bekannt durch die legendäre Sitcom "Cheers", war der Star in der erfolgreichen Serie "Becker" und war lange bei "CSI – Den Tätern auf der Spur" und "CSI: Cyber" dabei. Wie er aus Michael eine sowohl moralisch-spießige als auch komödiantisch-pointierte Figur macht, wie er mit unnachahmlicher Präsenz seinen Co-Stars die Bälle zu spielt, ist sagenhaft. Besser geht es nicht.
Bell und Danson ist es zu verdanken, dass "The Good Place" auch sehr berührend sein kann. Viele kleine Momente in der ersten Staffel haben eine aufrichtige humanistische Note, die den größten Zyniker entwaffnet und zu Tränen rühren kann. "The Good Place" erörtert mit Witz und Verstand, was das Menschsein ausmacht und was dieser abstrakte Begriff der "Seele" eigentlich bedeutet. Sie betont: Jeder von uns hat das Potenzial, sich zu ändern. Jeder von uns kann lieben, mitfühlen, lachen und Trost spenden. Und deshalb verdient jeder von uns, auch eine so arrogante und eigenbrötlerische Figur wie Eleanor, einen Platz im Grünen Bereich.
"The Good Place" kommt mit Bonusszenen auf DVD & Blu-ray
Es lohnt sich selbst für die, die "The Good Place" schon kennen, die Serie auf DVD oder Blu-ray zu kaufen. Die Ausgabe von JustBridge Entertainment hat nämlich einige Folgen in Extended Cuts an Bord, also mit zusätzlichen Szenen, die so nie ausgestrahlt wurden – und in denen insbesondere Ted Danson richtig glänzen kann. Extended Cuts sind bei Filmen längst eine herkömmliche Heimkino-Praxis, aber bei Serien kommen solche verlängerten Schnittfassungen nur selten vor. Umso schöner, dass es hier eine Serie trifft, bei der jede zusätzliche Sekunde pures Gold ist.
Tatsächlich sind die 13 Folgen der ersten Staffel, die jetzt auf Blu-ray erschienen sind, nur die Spitze des Eisbergs: Insgesamt hat es "The Good Place" auf vier Staffeln mit insgesamt 53 Episoden geschafft. Serienfans können jetzt nur beten, dass auch die restlichen drei Staffeln ihren Weg ins Heimkino finden. Alle, die lustige, gefühlvolle und intelligente Serien lieben und gerne auch ein wenig Anspruch in ihrem Unterhaltungsprogramm haben, werden nicht anders können, als "The Good Place" hilflos zu verfallen.