Ein bisschen Provokation und das Schnuppern am Tabu gehörten dazu, aber letztlich lebten diese Filme von der Attraktivität der Bilder und der "Normalität" des Personals. Diese Art von Erotik ist aus Kino und Fernsehen weitgehend verschwunden.
Der Sex ist abgewandert ins Internet. Traffic beim Verkehr gibt es nur einen Mausklick entfernt in jeder Spielart. Wer sich für reine Kopulationsmechanik interessiert, der wird von Gratispornos im Internet besser bedient als von jedem erotischen Film.
Nackte Brüste für die Sittenwächter
Kein Wunder, dass Filmproduzenten angesichts einer solchen Prüderiehysterie wenig Neigung zeigen, erotische Filme für ein Massenpublikum zu drehen. Selbst eine so harmlose romantische Komödie wie "Coming Soon" (1999) mit Ashton Kutcher, Ryan Reynolds und Ellen Pompeo durfte in US-Kinos erst Zuschauern ab 18 gezeigt werden. Gutachter stießen sich daran, dass die Gesichtszüge (!) einer Darstellerin Spuren erotischer Beglückung aufwiesen. Klingt komisch, ist jedoch für Studios und Verleiher bitterer Ernst, weil ohne das angepeilte Teenagerpublikum die Produktionskosten meist nicht wieder eingespielt werden können.
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Verleih
Joseph Gordon-Levitt genießt die Dreisamkeit in "Don Jon"
"Fifty Shades of Grey" war insofern ein Meisterwerk des Marketings, als dieses die Illusion nährte, ein sexuelles Tabu zu brechen, aber gleichzeitig die Kinofreigabe für Jugendliche erreichte. Das gelang durch den Verzicht auf explizite Bilder.
Die liefert dagegen der Arthouse-Underground, in dem Regisseure wie Gaspar Noé beispielsweise in "Love" (2015) Kunst und Porno verkuppeln. In traditionelleren Gesellschaften reichen schon nackte Brüste. Im vergangenen Jahr schockten gleich zwei Regisseure das sittenstrenge Singapur: Sam Loh mit seinem gewalttätigen Erotikthriller "Lang Tong" und Eric Khoo mit seiner elegant gefilmten Bordellgeschichte "In the Room".
Europa und die USA scheinen dagegen filmisch in das Stadium der postkoitalen Tristesse eingetreten zu sein. Das Zuviel an Sex in Werbung und Internet macht schlechte Laune. In "Shame" (2011) mit Michael Fassbender mündet die Sexsucht der Hauptfigur in nackter Verzweiflung, Charlotte Gainsbourg ergeht es in "Nymphomaniac" nicht besser. Selbst dem deutschen Fernsehfilm ist die Lust vergangen. Als sich vor Kurzem in "Zweimal lebenslänglich" Felix Klare besitzergreifend auf Julia Koschitz stürzte, war der Ekel der Frau fast körperlich greifbar.
Vielleicht lebt das Erbe des Erotikfilms in Indiehits wie "The Orgasm Diaries" fort, die aus einer Obsession anders als Lars von Trier kein Megadrama machen. Und in Serien. "Shameless", "Californication" und "Girls", um nur einige zu nennen, binden Sex ganz natürlich in übergreifende Storys ein. So wie früher das Kino.