The Power of the Dog (Martin Arnold, Netflix)
Montana, 1925: Die beiden Brüder Phil (Benedict Cumberbatch) und George (Jesse Plemons) betreiben eine erfolgreiche Rinderfarm und haben eine enge Beziehung zueinander – obwohl sie nicht unterschiedlicher sein könnten. Während der raue und intelligente Phil noch dem übermännlichen Cowoboy-Ideal hinterherhängt, sieht der ruhige und einfache George lieber in die Zukunft und sehnt sich nach einer Frau. Doch als die in Form der Witwe Rose (Kirsten Dunst) in sein Leben tritt, tut sein Bruder alles, um sie und ihren Sohn Peter (Kodi Smit-McPhee) einzuschüchtern.
"The Power of the Dog" von Jane Campion ist keine leichte Kost. Zum einen liegt das an der langsamen, teils sperrigen und symbolischen Inszenierung. Zum anderen ist Cumberbatchs Phil so ein Ekel, dass man wie Dunsts Rose aus Frust am liebsten ebenfalls zur Flasche greifen möchte. Aber dann platzt der Knoten. Und die Adaption des Romans von Thomas Savage entfaltet sich zu einem vielschichtigen Neo-Western über das Problem von toxischer Männnlichkeit und verdrängter Gefühle. Dass das gelingt, ist vor allem dem facettenreichen Schauspiel von Benedict Cumberbatch zu verdanken, der dafür bestimmt mit Auszeichnungen überhäuft werden wird. Doch auch Kirsten Dunst liefert als zerbrechliche und verzweifelte Frau die beste Performance ihrer Karriere ab. Die traumhaft schönen Landschaftsaufnahmen sowie die zurückhaltende Musik bilden dabei einen harten Kontrast – runden das vielschichtige Bild, das "The Power of the Dog" ist, aber perfekt ab.
Billie Eilish: The World's A Little Blurry (Jan Thinius-Heemann, Apple TV+)
Das mag wie eine Ausrede klingen, weil vielleicht wenig Zeit für richtig gute Filme blieb, aber es ist keine. Die Dokumentation "Billie Eilish: The World's A Little Blurry" über die Sängerin ist ein ziemlich mächtiges Stück Musikgeschichte geworden, verpackt als Film. Von ihren Anfängen mit 13 Jahren bis zum Weltruhm 2019 ist die Kamera immer an ihrer Seite und zeigt auf, wie genial und verletzlich die junge Frau ist. An einem Höhepunkt ihrer Karriere spielt Eilish auf dem Coachella-Festival vor tausenden Menschen und ist gleichzeitig zu Tode betrübt, weil ihr Freund sie im Stich gelassen hat. So viel Intimität muss ein Star erstmal zeigen und eine Doku einfangen können.
The Suicide Squad (Woon-Mo Sung, Sky Ticket)
Wie verrückt und durchgeknallt kann das Blockbuster-Kino in Hollywood eigentlich überhaupt noch werden? "Ja", dürfte die kollektive Antwort von Warner, DC und Regisseur James Gunn schlicht und ergreifend gelautet haben.
Mag sein, dass das MCU von Marvel und Disney kommerziell eine fast schon erdrückende Vormachtstellung auf dem Comicfilmmarkt eingenommen hat und auch auf dem Seriensektor sehr erfolgreich bei Disney+ mitspielt. Aber dafür pflegt man ja auch ein familienfreundliches, politisch korrektes Saubermann-Image. Marvel-Titel sind wie Milchzähne, die in einen aufgeweichten Butterkeks beißen. "The Suicide Squad"? Ein hämisch grinsender Haifisch, der mit seinen scharfen Zähnen ein dickes Stück Fleisch aus seinem Opfer reißt – und der auf den Namen "King Shark" hört.
Und das ist nur eines von vielen Elementen in Gunns rücksichtslos blutigem und herrlich witzigem Opus, in dessen Finale ein überdimensional großer Seestern aus dem All selbst King Kong und Godzilla alt aussehen lässt. "The Suicide Squad" ist ein Paradebeispiel für die Sorte fiese Comicunterhaltung, zu der Marvel und Disney niemals in der Lage wären – und die unwissentlich dieses Bollwerk des hinreißend unterhaltsamen Bösen selbst erschaffen haben.
Dune (Nicky Wong, Sky Ticket)
The Last Duel (Michael Hille, Disney+)
Ridley Scott gehört zu den besten Filmemachern aller Zeiten – und hat 2021 mit über 80 Jahren noch einmal bewiesen, was in ihm steckt. "The Last Duel" ist locker einer seiner großartigsten Filme, ein Meisterwerk unserer Zeit. Worum geht's? Um eine Vergewaltigung! Marguerite de Carrouges, Gattin des Ritters Jean, behauptet, vom besten Freund ihres Mannes, Jacques Le Gris, vergewaltigt worden zu sein. Ein Gottesurteil soll entscheiden, ob sie die Wahrheit sagt: Beide Ritter müssen in einem tödlichen Duell gegeneinander antreten. Wer überlebt, dem hat Gott Recht gegeben. Eine wahre Geschichte übrigens, die sich wirklich 1386 in Frankreich ereignete.
Viel lässt sich schreiben über das brillante Schauspiel der drei Akteure (Jodie Comer, Matt Damon, Adam Driver), noch mehr über das authentische Setting und die bildgewaltigen Bilder. Die Genialität dieses Films liegt aber in seiner Struktur: Dreimal erzählt er die Geschichte hintereinander, jedes Mal aus Sicht einer anderen Figur. Erst nach 2 Stunden ist das Bild komplett, alle offenen Fragen wurden beantwortet – und die letzten 30 Minuten zeigen dann das titelgebende Duell, ohne Frage eine der brutalsten Actionszenen, die je auf einer Leinwand zu sehen war. Eine emotionale Tour de Force, ein feministischer Ritterfilm, den man mit dem wohltuenden Gefühl beendet, dass Hollywood endlich in der Lage ist, intelligent und nuanciert die #MeToo-Krise zu verarbeiten. Danke, Ridley Scott!