Erst kamen die Fernseher, dann die illegalen Mitschnitte aus dem Saal. Plötzlich sproßen aus allen Ecken Streamingdienste und die Menschen mussten nicht mehr die eigenen vier Wände verlassen, um neue Filme zu sehen. Durch die Plattformen gewannen auf einmal auch Serien immer mehr an Bedutung. Dann durften die Menschen ihre Häuser nicht mehr verlassen, als die Corona-Pandemie wütete. Und jetzt steigen auch noch die Energiekosten... Seit Jahren, eigentlich seit Jahrzehnten, befindet sich das Kino in einem nicht enden wollenden Kampf. Es stapft von Krise zu Krise.
Wie brenzlig die Lage für die Kinos ist, weiß Christina Berg. Sie ist Vorständin des Branchenverbandes HDF Kino. Im Iinterview mit DPA verrät Berg: "Wir verzeichnen gegenüber 2019 immer noch ein Besucherminus von über 30 Prozent. [...] Nach fast drei Jahren Pandemie und in Anbetracht der aktuellen Energiekrise stehen die Kinos mit dem Rücken zur Wand." Laut Berg sei nun ein langfristiges Investitionsprogramm notwendig. Denn um wettbewerbsfähig zu bleiben, müsse jetzt investiert werden, so die Vorständin bon HDF Kino. Allerdings seien Ressourcen der Kinos nach drei Jahren Pandemie vollständig aufgebraucht. Deshalb und wegen der aktuellen Energiekrise mussten etwa die Hälfte der Kinos in Deutschland schon weitreichende Energiesparmaßnahmen treffen.
Doch es gibt einen Silberstreif am Horizont: Am 14. Dezember startete mit "Avatar: The Way of Water" das größte Kino-Highlight des Jahres – wenn nicht sogar der letzten Jahre – in den Kinos. Teil 1, der 2009 erschienen ist, ist bis heute mit einem Einspielergebnis von über 2,9 Milliarden US-Dollar der finanziell erfolgreichste Film aller Zeiten. "Avatar 2" wird vielleicht nicht ganz so viel Geld in die Kassen spülen. Ein finanzieller Hit dürfte er dennoch werden.
Aber wird "The Way of Water" das Kino wirklich aus dessen Krise retten können?
Avatar 2: Alle Anzeichen stehen auf Erfolg
Dazu sagt Christine Berg im Gespräch mit dem SWR: "'Avatar' ist für uns [Kinobetreiber] elementar – aus vielerlei Gründen. Er ist gerade inhaltlich der richtige Film zur richtigen Zeit, weil er unser Publikum in eine andere Welt entführt. Und für die Kinokassen ist er hoffentlich ein warmer Regen."
Die Zeichen, dass "Avatar: The Way of Water" ein finanzieller Hit wird, stehen zumindest gut. Nicht nur loben Kritiker den Sci-Fi-Blockbuster in den Himmel und sagen, dass "The Way of Water" ein visuelles Meisterwerk ist, das man unbedingt auf der großen Leinwand gesehen haben muss – was selbst bei Kinomuffeln immer ein gutes Zugpferd ist. Auch die ersten Box-Office-Einschätzungen (via Deadline) gehen davon aus, dass "Avatar 2" an seinem Startwochenende über 525 Millionen US-Dollar einspielen wird. Zum Vergleich: Bei "Spider-Man: No Way Home" wurden bis zu 350 Millionen US-Dollar vorausgesagt. Am Ende spielte der Marvel-Streifen 600 Millionen an seinem Startwochenende ein – und insgesamt 1,9 Milliarden. Zudem soll "Avatar 2" weltweit in 52.000 Kinos gezeigt werden – das sind mehr als bei "Avengers: Endgame", der mit einem Einspielergebnis von 2,8 Milliarden den zweiterfolgreichste Film aller Zeiten ist.
20th Century Studios, das Produktionsunternehmen von "Avatar: The Way of Water", welches seit 2019 zu Disney gehört, hat also alles getan, damit die Sci-Fi-Fortsetzung das Publikum die Lichtspielhäuser lockt und zu einem finanziellen Erfolg wird. Selbst der erste Trailer lief zunächst nur im Kino. Und anders als bei Disney-Filmen wie "Doctor Strange 2", "Lightyear" oder zuletzt "Strange Worlds" wird "Avatar 2" nicht schon wenige Wochen nach Kinostart beim Streamingdienst Disney+ landen. Dafür hat sich Regisseur James Cameron eingesetzt.
Ist "Avatar 2" die Rettung fürs Kino?
Ist also "Avatar: The Way of Water" die langersehnte Rettung der Kinos? Ja – und nein. Denn die Krise der Lichtspielhäuser ist deutlich komplexer, als dass sie einfach so von einem Blockbuster gerettet werden könnten. So sagt HDF-Kino-Vorständin Christine Berg zum SWR: "Blockbuster sind wichtig für alle Kinos. Aber eigentlich wichtig ist, dass wir eine Vielfalt haben. Wir brauchen ganz viele unterschiedliche Kinofilme. Das möchte auch unser Publikum haben. [...] Denn Kino ist viel mehr als nur ein einziger Film. Aber wir brauchen Blockbuster. Und wir hoffen, dass nächstes Jahr noch viele kommen."
Das wichtigste laut Berg sei es, die Menschen wieder in die Kinos zu locken – weg von zu Hause, weg vom Streaming. Da ist das Erlebnis Kino immer noch das größte Argument, wie die Vorständin von HDF Kino im Gespräch mit SWR klarstellt: "[Streaming] hat tolle, großartige Filme [..] und vor allem im Serienbereich ganz viel aufgemischt. Das darf man nicht kleinreden. Aber eins hat Streaming natürlich nicht: Und zwar ist das der tolle Ort, den wir als Kinos haben. [...] Das ist einzigartig. Und da bin ich mal ganz frech und sage: Das kann Streaming gar nicht."
Zudem erzählt Berg, dass es zwischen Kino und Streaming bereits einige Annäherungen und Zusammenarbeiten gibt. So liefen z. B. die ersten zwei Folgen von "LOL: Last One Laughing", einer Comedy-Show von Amazon Prime Video, im Kino. "Und das war ein großer Hit. Dafür sind die Leute auch ins Kino gegangen. Also ich glaube, das ist auch ein Modell, das mit Sicherheit an der ein oder anderen Stelle auch in der Zukunft im Kino passieren wird", so Berg.
Viel wichtiger ist laut der HDF-Kino-Vorständing aber: "Wir müssen uns als Kino wieder sichtbar machen. Wir müssen zeigen, warum sind wir so besonders sind und warum es sich lohnt einen Film im Kino zu gucken und nicht zu Hause. [...] Und ich glaube, Kino muss sich nicht unbedingt neu erfinden, aber es muss andere Wege gehen, z.B. Events anbieten. Das machen viele Kinos. Und das Publikum liebt das, wenn wir Theateraufführungen und Opern übertragen. All solche Sachen müssen wir noch mehr machen, damit wir auch herausstechen zwischen den ganzen Angeboten, die es im Moment gibt. Und vor allem müssen wir die Leute vom Sofa herunterholen, damit sie rausgehen und im Kino einen Film gucken, weil das Erlebnis ist einfach besser."