Unter Filmfans ist es eine Art Running Gag, dass Regisseur James Cameron der Meister der Fortsetzungen ist. So übertrag sein "Terminator 2 – Tag der Abrechnung" den ebenfalls von ihm gedrehten Erstling um Längen und zählt bis heute zu den ganz großen Klassikern des Action-Genres. Ähnliches gilt für seinen "Aliens". Obwohl hier schon der erste Teil "Alien" von Regie-Legende Ridley Scott als Horror-Meisterwerk gilt, gelang Cameron die unmögliche Aufgabe, mit einem neuen Ansatz, brachialer Action und genialer Bildsprache einen Film von ebenbürtiger Qualität abzuliefern. Und so wurde auch "Aliens" zu einem Klassiker des Sci-Fi-Genres.

Nach seinem Mega-Erfolg "Avatar – Aufbruch nach Pandora", der im Jahr 2009 den 3D-Hype auslöste, war es nur eine Frage der Zeit, ehe eine Fortsetzung kommen würde. Und bei Camerons Repertoire konnte es nur einen geben, dem es gelingen würde, in die fantastische Pandora-Welt zurückzukehen: ihn selbst. 13 Jahre Zeit hat er sich dafür genommen, mehrere technische Innovationen abgewartet und jetzt geht das "Avatar"-Franchise also nach 13 Jahren in Runde 2. Doch hat sich die lange Wartezeit gelohnt?

Avatar 2: Wovon handelt die Rückkehr nach Pandora?

20th Century Studios

Colonel Quaritch (Stephen Lang, r.) macht in seinem Avatar Jagd auf Jake und dessen Familie.

Es ist mehr als zehn Jahre her, dass Jake (Sam Worthington), Neytiri (Zoe Saldana) und der Na'vi-Stamm der Omatikaya die Menschen von Pandora verjagt haben. Auf dem Planeten ist wieder Ruhe eingekehrt. Die Natur, die Tiere und die Bevökerung von Pandora erholen sich von der menschlichen Unterdrückung. Jake und seine Frau Neytiri haben mittlerweile eine Familie gegründet und führen ein glückliches, unbeschwertes Leben. Doch mit der Idylle ist es schlagartig vorbei, als die Menschen zurückkehren.

Zunächst ist es nur ein flackerndes Licht im Sternenhimmel, das die Rückkunft der Unterdrücker und Eroberer ankündigt. Dann landen die Raumschiffe der von den Na'vi genannten Himmelsmenschen auf Pandora und verwandeln den Wald der Omatikaya in ein flammendes Inferno, das Flora und Fauna verschlingt. Das Paradies wird erneut zur Hölle.

Schnell ist klar, was die Menschen wollen. Sie haben nicht nur eine neue wertvolle Ressource entdeckt. Sie sind auch auf Rache aus. Ihr Ziel: Jake und seine Familie. Um ihn und seine Liebsten zur Strecke zu bringen, holen die Menschen sogar Oberfiesling Colonel Miles Quaritch (Stephen Lang) zurück. Dessen Bewusstsein wurde vor dessen Tod gespeichert und lebt jetzt in einem Avatar weiter. Gemeinsam mit anderen Avatar-Marines macht er nun Jagd auf Jake.

Der erkennt, dass er seine Familie und seinen Stamm nur schützen kann, wenn er flieht. Und so suchen er und seine Liebsten Zuflucht beim Stamm der Metkayina, die an und in den Meeren Pandoras leben. Dort müssen sie sich nicht nur mit der Skepsis der Stammesmitglieder um Häuptling Tonowari (Cliff Curtis) und seine Frau Ronal (Kate Winslet) auseinandersetzen. Bald spürt sie dort auch Quaritch auf, der sowohl Jake, Neytiri und ihre Familie als auch die Metkayina in Gefahr bringt...

James Cameron gelingt mit "Avatar 2" das Unmögliche

"Avatar – Aufbruch nach Pandora" mag für die Filmwelt nicht denselben Legendenstatus haben wie "Terminator" oder "Alien". Eine Fortsetzung zu erschaffen war für Cameron dennoch eine weitere Herkulesaufgabe. Das Original bot überragende Computereffekte, eine bahnbrechende 3D-Optik und spielte so über 2,9 Milliarden US-Dollar. Wie kann ein zweiter Teil zu einem der erfolgreichsten Filme aller Zeiten, nach über einem Jahrzehnt, in einer Kinolandschaft, die sich dank der Marvel-Superhelden in Windeseile weiterentwickelt hat, je gelingen? Dieser Film muss scheitern – oder?

Nein, denn mit "Avatar: The Way of Water" bewahrheitet sich der Ruf von James Cameron als Meister der Fortsetzungen nun erneut. Mit "The Way of Water" muss er große Fußstapfen, die seine eigenen sind, füllen. Ob ihm das finanziell gelingt, bleibt abzuwarten. In allen anderen Disziplinen erfüllt er sein Ziel mühelos denn "Avatar: The Way of Water" übertrumpft in (fast) allen Belangen Teil 1 um Längen.

Avatar 2: Vollgepackt mit Spektakel

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In "Avatar 2" jagt eine spektakuläre Szene die nächste.

Während der Plot in "Avatar – Aufbruch nach Pandora" schlichtweg "Der mit dem Wolf tanzt" im Weltraum ist, erzählt "Avatar 2" eine deutlich frischere und vor allem eine emotionalere sowie persönlichere Geschichte. Anders als in Teil 1 sind wir jetzt deutlich näher an Jake, Neytiri und Co. dran, erfahren mehr über ihr Innenleben. Zudem liegt der Fokus bei "Avatar – The Way of Water" zum Großteil auf deren Familie. So geraten die beiden streckenweise sogar in den Hintergrund, weil ihre Kinder so viel Raum in der Geschichte einnehmen. Eine gute Entscheidung, da die Storys um ihren jüngsten Sohn Lo'ak (Britain Dalton) und vor allem die um ihre Adoptivkinder Kiri (Sigourney Weaver) und Spider (Jack Champion) sehr schön und auch überaus emotional herausgearbeitet sind.

Dass es sich bei "Avatar: The Way of Water" um eine im Vergleich zu Teil 1 intime Familiengeschichte handelt, soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Fortsetzung nicht minder bombastisch ist als ihr Vorgänger. Hier reiht sich eine spektakuläre Szene an die nächste. Dabei bedient sich Cameron an mehreren Genres. Anfangs mutet "Avatar 2" noch wie ein Western oder Abenteuerfilm an, ein Überfall auf einen Zug lässt einen somit sofort an Klassiker wie "Lawrence von Arabien" denken. Der Angriff eines Raubfisches wiederum erinnert an "Der weiße Hai". Und gegen Ende kann man sich einem Vergleich mit "Moby Dick" und Camerons eigenem Epos "Titanic" nicht verwehren. "Avatar – The Way of Water" ist bis obenhin vollgepackt mit Spektakel, nicht umsonst dauert der Mammutfilm über 190 Minuten. Übervoll fühlt sich das Epos dabei aber nicht an.

"Avatar 2" ist ein visuelles Meisterwerk

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"Avatar 2" ist voller wunderschöner Bilder.

Es war zu erwarten, lässt aber doch staunen: Wieder gelingen in der Pandora-Welt grandiose Computer- und Spezialeffekte. Die Effektkünstler bannen derart beeindruckende Bilder auf die Leinwand, wie man sie seit langer Zeit nicht mehr im Kino gesehen hat. Bei der CGI-Qualität können sogar Filme wie "Avengers: Endgame" einpacken. Vor allem bei den Szenen im und unter Wasser gibt es zahlreiche Momente, in denen man sich unerweigerlich fragt, wie Cameron und sein Team das gedreht haben. Schließlich verstecken sich hinter den blauen Gesichtern der Na'vi echte Schauspieler in Motion-Capture-Anzügen, die für den Film extra Apnoetauchen lernen mussten. Es überrascht auch nicht, dass Cameron und Co-Produzent Jon Landau für "Avatar – The Way of Water" mit der "Venice" eine neue Kamera erfunden haben.

Selbst beim Design der neuen Figuren, Tiere und Orte weiß die Sci-Fi-Fortsetzung zu begeistern. Die Liebe zum Detail ist beeindruckend, sie erweckt Pandora und ihre Bewohner erst zum Leben. Ob die zahlreichen neuen Wasserkreaturen, der Stamm der Metkayina oder die neuen Landschaften: Über die Kreativität des "Avatar 2"-Teams kann man nur staunen.

Filme wie "Avatar 2" sind fürs Kino gemacht, nicht aber zwingend für 3D

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Viel Tiefe haben neue Figuren wie Ronal (Kate Winslet, l.) und Tonowari (Cliff Curtis) nicht.

Trotz all des Lobs: Perfekt ist "Avatar: The Way of Water" nicht. So ist die Story zwar emotionaler und packender als in Teil 1, dafür aber extrem vorhersehbar. Eigentlich weiß man nach 30 Minuten ganz genau, wie der Film ausgeht. Zudem wirken die neuen Figuren, allen voran die von Kate Winslet und Cliff Curtis, sehr blass und eindimensional. Gleiches gilt für die neuen Nebenbösewichte General Ardmore (Edie Falco) und Captain Mick Scoresby (Brendan Cowell). Selbst ein so charismatischer Schauspieler wie Jemaine Clement als Meeresbiologe wird verheizt. Und auch die Musik wirkt wie von Teil 1 kopiert und in "Avatar 2" eingesetzt – was womöglich so war, da "Avatar"-Komponist James Horner vor einigen Jahren starb und hier nur notgedrungen ersetzt werden musste. Das 3-D ist ebenfalls nicht der Rede wert, den Aufpreis kann man sich im Kino also getrost sparen.

Über diese kleinen Macken tröstet "Avatar: The Way of Water" mit seinen spektakulären Schauwerten aber spielerisch hinweg. Am Ende ist das Sci-Fi-Spektakel einer dieser Filme, den man unbedingt im Kino ansehen muss. Auf einem TV-Bildschirm kann dieses visuelle Meisterwerk niemals seine ganze Pracht entfalten.

Die 13 Jahre Warten haben sich also gelohnt. Und selbst wenn es wieder so lange dauern würde, bis "Avatar 3" kommt, würde es James Cameron wohl wuppen. Zum Glück soll der Nachfolger bereits Ende 2024 in den Kinos starten. Mal schauen, was sich Cameron und Co. dafür einfallen lassen. Doch nach "Avatar – The Way of Water" kann man sich wohl sicher sein, dass dieses Franchise in guten Händen ist und den röchelden Kinos wieder Leben einhaucht.