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"Indiana Jones 5" kommt: Disney, bitte ruiniert meinen Kindheitshelden nicht!

Meinung | "Indiana Jones und das Rad des Schicksals" hat bereits in zwei Trailern einiges von sich gezeigt. Unser Redakteur Michael Hille liebt "Indy" seit seiner Kindheit – und bei ihm erzeugen die ersten Eindrücke keine Vorfreude, sondern schlimmste Befürchtungen.

Fünf Helden hatte ich in meiner Kindheit: Woody und Buzz aus den "Toy Story"-Filmen, Geheimagent 007 alias "James Bond", den kleinen Außerirdischen "E.T." – und einen berühmten Archäologen, den coolsten Hutträger der Weltgeschichte: "Indiana Jones". Den ersten Teil "Jäger des verlorenen Schatzes" halte ich – wie so viele – für ein unschätzbares Meisterwerk. Ich habe ihn schätzungsweise an die 30-mal gesehen.

Das ist nicht mein Rekord, denn der dritte Teil der Reihe alias "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" ist wohl einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Ich kann jedes Wort daraus mitsprechen, jede Melodie aus dem Soundtrack von John Williams mitsummen und gar nicht zählen, wie oft ich ihn schon angeschaut habe. Warum ich das erzähle? Nun: "Indiana Jones" bedeutet mir die Welt. Dementsprechend habe ich große Erwartungen an den neuen fünften Film "Indiana Jones und das Rad des Schicksals", wie er offiziell heißen wird. Aber ich habe auch noch größere Befürchtungen. Und die haben die Trailer zum Film bislang nicht abschwächen können, sondern stattdessen arg verstärkt.

Indy im Marvel-Zeitalter: Kann das funktionieren?

Foto: Lucasfilm, Schwingt auch mit 80 noch die Peitsche: Harrison Ford in "Indiana Jones und das Rad des Schicksals".

Die Frage mag vermessen sein, doch für mich wirft jedes Bild in den Trailern sie auf: Kann ein "Indiana Jones"-Film im Marvel-Zeitalter funktionieren? "Indiana Jones" ist Abenteuerkino: In den originalen drei Filmen aus den 80er Jahren konnte man die echten Landschaften bestaunen, man fühlte und sah den Dreck, den Staub, die Patina. Wenn Indy einen alten Tempel betrat, so bekam man den Eindruck, hier wirklich mit ihm eine Zeitreise in eine längst vergessene Welt zu wagen. Man denke nur an die "Quelle der Seelen" aus dem ersten Teil, die Kanalisation von Venedig im dritten Film oder das wohl beeindruckendste Set der Reihe, den im zweiten Teil titelgebenden "Tempel des Todes".

Die "Indiana Jones"-Filme von einst waren Handarbeit: Mit absoluter Liebe zum Detail wurden mühselig aufwendige Sets gebaut. Man reiste mit hunderten Mann in ferne Länder, um in Tunesien, Italien, Sri Lanka oder Jordanien zu drehen. Als "Indiana Jones"-Urvater Steven Spielberg für den 2008 erschienenen vierten Film "Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels" plötzlich auf eine Vielzahl digitaler Computereffekte setzte, wurde sein Film dafür zerrissen. Das geliebte Indy-Feeling ist waschechtes Abenteuer-Gefühl – und das bekommt man nur in der realen Welt eingefangen, nicht per Bits and Bytes am Rechner.

Doch so funktioniert die Filmindustrie nicht mehr. Superhelden aus dem Hause Marvel dominieren die Leinwände, wenn nicht gerade mal wieder die "Transformers" auf der Matte stehen. Und genau so sehen leider die Trailer für "Das Rad des Schicksals" aus: Jedes Bild hat den neumodischen Digital-Look, Computereffekte springen einem sekündlich ins Auge. Mehrere Szenen könnten 1:1 aus einem "Fast & Furious"-Trailer stammen, insbesondere Indys freier Fall aus einem abstürzenden Flugzeug heraus. Und was sollen eigentlich die seltsamen bräun-gelblichen Sepia-Farbfilter, die offenbar nachträglich eine Art "Retro"-Look erzeugen sollen?  Sie befremden eher: In den alten Indy-Filmen war der Himmel eben nicht braun, sondern einfach genauso blau wie heute.

"Indiana Jones 5"-Trailer wecken schlimme Befürchtungen

Foto: Lucasfilm, Verjüngt dank Computereffekten: Harrison Ford ist für einige "Indiana Jones 5"-Szenen wieder jung.

Selbst im Vergleich zum schon bemerkenswert künstlichen vierten Film wirken die Bilder in der Vorschau für Teil 5 nochmal besonders glattpoliert, extrem überarbeitet. Sogar Indy erhält ein digitales Face-Lifting: Mehrfach sieht man in "Das Rad des Schicksals" Harrison Ford in seiner Paraderolle wieder als jungen Mann, sein Gesicht wurde mittels Computertricksereien verjüngt. Offenbar wird es Rückblenden geben, Szenen, die zur Zeit der ersten drei Filme spielen. Eine gängige Masche jüngerer Disney-Produktionen: Schon in verschiedenen "Star Wars"-Serien ließ man so Mark Hamill wieder als jungen Luke Skywalker auftreten, auch die Marvel-Filme machen von diesem Verjüngungsprozess gerne gebraucht – besonders prominent in "Captain Marvel", der einen Samuel L. Jackson der 90er (mehr schlecht als recht) rekonstruiert.

So funktioniert das Kino der letzten Jahre, erst recht im Hause Disney: Statt neues zu erzählen, werden Filme wie Projekte nur noch darauf getrimmt, Kindheitserinnerungen zu triggern. Natürlich läuft in den Trailern also eine besonders bombastische Version der alten Titelmusik, natürlich hat man neben dem 80-jährigen Harrison Ford auch nochmal den 78-jährigen John Rhys-Davies als Sallah vor die Kamera gezerrt, natürlich geht man zugleich auf Nummer sicher und hat mit "Fleabag"-Star Phoebe Waller-Bridge schon parallel die Identifikationsfigur für ein junges, weibliches Zielpublikum mit an Bord – über die es bei Erfolg des Films sicher Ableger-Projekte geben wird. All das ist eiskalt berechnend, war aber zu erwarten. Auf mich hat es jedoch den Effekt, dass mir der graue, faltige Indy hier nur noch wie ein Relikt erscheint, ein Überbleibsel aus einer längst vergessenen Zeit. Einst hat Indiana Jones Antiquitäten gesucht und gefunden, jetzt scheint er selbst in ein Museum zu gehören.

Will man seine Kindheitshelden als alte Männer demontiert sehen – oder gar als künstlich erzeugte Replikate von einst? Will man einen Indiana Jones in perfekter 2023er-Blockbuster-Optik, der nach allen Mechanismen des Marvel-Kinos tickt? Und hat Regisseur James Mangold mit diesem Film wirklich etwas Neues zum Indy-Mythos hinzuzufügen oder nur eine Erinnerung daran produziert, wie brillant die alten Filme gewesen sind? Erfahren werden wir es erst am 29. Juni 2023, wenn "Indiana Jones und das Rad des Schicksals" in den Kinos startet.

Ich werde gleich am ersten Tag in der vordersten Reihe meines Kinos sitzen – dank der Trailer aber mit einer großen Portion Nervosität im Bauch.